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"Verstehen Sie?"

Der Fall Susanne Osthoff und die Medien

Von Georg Meggle*

Susanne Osthoff steht in den deutschen Medien derzeit am Pranger. Spätestens seit dem am 29. Dezember 2005 – in Auszügen – gesendeten Interview (1) im heute-Journal des ZDF gilt sie für viele Journalisten und Politiker als unzurechnungsfähig. Der Leipziger Philosoph Georg Meggle erhebt Einspruch.

Der Fall Osthoff (2) - konkreter: Marietta Slomkas ZDF-Interview mit ihr - belegt vieles:
  • Dass Glonn in Bayern – der Wohnort von Susanne Osthoffs Eltern-Familie – uns Deutschen um Lichtjahre näher liegt als Bagdad im Irak.
  • Dass Medien auch dann lügen können, wenn sie die Wahrheit sagen.
  • Dass, wenn eine Geisel überlebt, dies, sowohl der herrschenden Meinung als auch der offiziellen Politik zufolge, vor allem den ‚eigenen' Leuten (Politikern, Geheimdienstlern, BKA-Leuten etc.) als Verdienst anzurechnen ist.
  • Dass der Grad der allgemeinen Pro-Geisel-Sympathie direkt proportional abhängig ist von der ‚die ist eine von uns'-Perspektive – weshalb dieser Grad ziemlich gering sein kann, wenn die Geisel (a) Muslimin ist, (b) Weihnachten nicht, wie es sich gehört, bei Mama unterm Christbaum feiern mag und sich (c) nach ihrem auf die Freilassung unmittelbar folgenden BKA-Verhör im deutschen ZDF voll verschleiert zeigt, während sie es für den arabischen Sender al-Dschasira mit einem Kopftuch sein Bewenden haben ließ.
  • Und dass bei politisch hochbrisanten Themen für die Medien – und für deren Rezipienten – Nebensächlichkeiten sehr viel wichtiger sind als die wirklich wichtigen Fragen. Mir kommt es hier vor allem auf diesen letzten Punkt an.
Was die Öffentlichkeit so alles interessiert

Was hat unsere Öffentlichkeit am Fall "Osthoff" nicht alles interessiert?
  • Warum lässt Susanne Osthoff ihre Tochter in einem Internat erziehen? - Bei Töchtern aus höheren Kreisen würde das freilich als ‚schick' durchgehen. Und wäre die Öffentlichkeit zufriedener, wenn Frau Osthoff ihre Tochter in den Irak und damit auch bei dem geplanten Umzug von Bagdad nach Arbil mitgenommen hätte?
  • Wie gut kann Susanne Osthoff tatsächlich Arabisch? - Auch wenn Osthoffs Arabisch noch so gut sein mag, warum sollte sie, falls ihr das Englische immer noch etwas leichter fällt, auch bei al-Dschasira nicht Englisch sprechen dürfen? Zumal, wenn sie weiß, dass ihr Interview auch viele sehen werden, die kein Wort Arabisch verstehen und dass mehr arabisch sprechende Menschen auch Englisch verstehen als umgekehrt?
  • Warum ruft sie nach ihrer Freilassung nicht gleich ihren Bruder an? - Mag sein, dass christliche Brüder in Glonn bei einer Konversion der Schwester zum Islam nicht viel anders reagieren als islamische Brüder in Saudi Arabien bei einer Konversion ihrer Schwester zum Christentum.
  • Hat sie denn nun mit ihren Entführern gesprochen oder nicht? - Während die sehr viel näher liegende bessere Frage doch die gewesen wäre, ob ihre Entführer mit ihr ‚gesprochen' haben oder nicht.
Und so weiter und so fort.

- und was die Öffentlichkeit nicht interessiert

Was bislang kaum zu interessierten scheint: Was Susanne Osthoff gesagt bzw. uns indirekt zu verstehen gegeben hat, d.h., ihre eigene Message. Das halte ich für einen Skandal!

Die allgemeine Ignoranz gegenüber dieser Botschaft hat es natürlich leicht. Mit der syntaktisch und phonetisch klaren Diktion der ZDF-Sprecherin Marietta Slomka konnte die freigelassene Geisel nicht mithalten. Mehr als das: Sie verlor in der Tat immer wieder den Faden. Aber ist das denn wirklich verwunderlich? Wem von uns wäre es denn in dieser Situation anders ergangen? (Man bringe jetzt nicht die aufgeräumte Art ins Spiel, mit der Jürgen Chrobog nach seiner Freilassung aus dem Jemen zu berichten wusste. Die jemenitische Gastfreundschaft – auch Geiseln gegenüber - ist von ganz anderer Qualität als das Procedere der irakischen Zarkawi-Gruppen.)

Hätte, wer – wie Frau Slomka vielleicht – eher einen Abenteuerbericht erwartet hat, sich nicht schon durch die erste Antwort der ehemaligen Geisel eines Anderen belehren lassen müssen? "Frau Osthoff, ich grüße Sie. Wie geht es Ihnen?". Die Antwort war ein einziges Wort: "Schlecht!" – und auch dieses Wort kam erst nach furchtbar langen Sekunden des Schweigens. Schon das verstieß natürlich – endlich! – gegen alle Konventionen von Life-Interviews.

Das öffentliche Urteil: "Totaler Kontrollverlust"

Über den Rest des Interviews sind sich rundum alle einig: "Totaler Kontrollverlust" (so der SPIEGEL-Titel vom 02.01.06). Unterschiede treten allenfalls bei den psychologischen Erklärungen für diesen Zustand auf. Das Urteil steht damit fest: Susanne Osthoff braucht man nicht länger ernst zu nehmen. Und nachdem nun auch noch ihr Bruder in die Psychiatrie eingeliefert werden musste, wäre gewiss niemand verwundert, wenn über kurz oder lang mit seiner Schwester dasselbe geschieht.

Widerspruch

Ich widerspreche hiermit dem finalen Urteil der TAZ (3) (30.12.05): "Wir haben sie selbst sprechen gehört. Wir haben sie gesehen. Wir wissen, dass sie im Moment nicht Herrin ihrer Lage ist." Daraus wird dann geschlossen: "Wir können, wir müssen sie nicht verstehen."

Einspruch! Ich will verstehen, und zwar nicht nur, was hier (im Irak und bei uns bezüglich des Irak) eigentlich los ist – ich will auch verstehen, was Susanne Osthoff uns sagen wollte; und ich denke, man kann das auch.

Susanne Osthoffs Äußerungen keineswegs unverständlich

Jedenfalls nicht von A bis Z. Trotz ihres "totalen Kontrollverlustes" war Susanne Osthoff immerhin in der Lage, wozu die meisten Leute im Rahmen von TV-Interviews nach meiner Erfahrung gerade nicht imstande sind: Sie hatte noch Selbstbewusstsein genug, mit ihren Antworten einige der Prämissen mit deutlichen Worten als falsch zurückzuweisen, die von der Fragestellerin einfach als wahr unterstellt worden waren - mit Sicherheit nicht in böser Absicht. Außer der simplen Korrektur, dass sie (Osthoff) nicht, wie in der zweiten Frage unterstellt, drei, sondern ganze vier Wochen festgehalten worden war, finden wir z.B. auch die nicht so simple folgende:

Slomka: Sie sagten, Sie sind nicht auf den Mund gefallen. War das Ihre Rettung, dass Sie mit den Geiselnehmern auch so viel gesprochen haben? Glauben Sie, dass Sie auch dazu viel selbst beigetragen haben, dass Sie am Ende freigelassen wurden?

Osthoff: Sie wissen ja gar nicht, dass ich mit denen gesprochen habe. Schauen Sie mal, ich hab noch keinerlei Details Ihnen gesagt. Sie wissen nicht, ob ich überhaupt sprechen durfte. Ob ich geknebelt war und sonst irgendwas.

War in diesem Punkt Frau Osthoff Frau Slomka nicht sogar klar überlegen?

Zurückweisungen von Unterstellungen, die der Interviewten offenkundig als ‚voll daneben' vorkommen, finden sich öfter.
  • So etwa, wenn sie darauf verweist, dass der Tag ihrer Entführung, der 25. November 2005, ein Freitag gewesen sei, weshalb schon deshalb die anfänglich in den Medien zu hörende Behauptung, sie habe an diesem Tag noch Geld transferiert, gar nicht stimmen könne. – "Irgendwelche Journalisten" haben offenbar nicht gewusst, dass Freitage in islamischen Ländern wie unsere Sonntage sind: Tage mit geschlossenen Banken.
  • Oder etwa, wenn Susanne Osthoff auf die Frage "Ist das denn falsch zitiert im Interview mit Al-Dschasira, dass Sie in den Irak zurück möchten?" repliziert mit: "Diese Frage wurde nicht einmal gestellt. Wir kamen nicht auf so einen privaten Pipifax". - Wohlgemerkt: Es geht mir an dieser Stelle nicht darum, ob diese Aussagen wahr oder falsch sind, sondern darum, wie die Interviewte wiederholt reagiert. Und in der Tat: Ganz auf den Mund gefallen war sie auch hier wohl nicht.
  • Oder etwa die zumindest für unsere seriösen Terror-Analyse-Experten doch wohl höchst relevante Einschätzung dessen, wie (wenig) sorgfältig innerhalb der irakischen Terroristengruppen die Erstellung ihrer grausamen Videoclips vor sich geht. Die Art und Weise, wie Susanne Osthoff diese Einschätzung ausdrückt - sinngemäß: wie absurd zu glauben, Mussab al Sarkawi oder seine Gefolgsleute hätten bei den entsprechenden Aufnahmen auch noch die Muße zu kontrollieren, ob die Wand im Hintergrund auch wirklich frisch geweißelt sei –, diese Ausdrucksweise entspricht Susanne Osthoffs zynischem Sarkasmus, mit dem sie diesen und andere "Fehler der Denkweise der Deutschen" geißelt. Zynisch, ja – aber deshalb auch schon falsch?
Ferner: Susanne Osthoff verfügte im Interview über ein ziemlich scharfes (und von ihr auch scharf ausgedrücktes) Relevanz-Bewusstsein, d.h. ein Bewusstsein dafür, was – aus ihrer Sicht, versteht sich – für die Beurteilung ihres eigenen Falles relevant ist und was nicht. Irrelevant sind für sie gerade diejenigen Aspekte, für die sich unsere Medien primär interessieren. Zum Beispiel,
  • warum sie sich nach der Freilassung nicht gleich bei ihrer Familie etc. gemeldet habe – und das nicht mal zu Weihnachten. - zur Erinnerung: Weihnachten ist, auch wenn der Geburt des Propheten Jesus gedacht wird, kein genuin islamisches Fest;
  • wie die Entführung selber im Detail vonstatten ging - das hatte sie nach ihren Worten vor dem Interview ja schon dem BKA ausführlich dargelegt.;
  • ob sie denn wirklich Angst vor dem Tod gehabt habe - Und das als öffentliche Frage an einen Menschen, von dem man hätte wissen müssen, was er hinter sich hat, und dessen Traumatisierung man dann nach dem Interview als Argument gegen seine Glaubwürdigkeit einsetzt. Auf diese Zumutung reagierte Osthoff übrigens wieder völlig adäquat: "Ich wurde ganz korrekt informiert, um wen es sich handelt. Nämlich eine Gruppierung der Gruppierung Abu Mussab Al Sarkawi … und da werde ich nicht mehr so blöd sein dann zu überlegen, … wollen die jetzt bloß mit mir irgendwie Tee trinken. Das waren knallharte Fakten.";
  • wie viel Geld denn Deutschland an ihre Projekte im Irak gezahlt habe, und:
  • Was ist denn bloß in Susanne Osthoffs kleiner Plastiktüte drin?
Was dem Opfer selbst wichtig ist

Was für das Opfer selbst – inzwischen nicht mehr nur das von Terroristen im Irak – wirklich wichtig ist, das muss doch jedem, der das Interview einmal in Ruhe durchgelesen hat, klar geworden sein. Erstens: des Opfers eigenes Projekt im Irak; und zweitens: das US-GB-Projekt Irak –als Teil des Großprojektes "Neuer Naher bzw. Mittlerer Osten".

Mich interessiert vor allem das letztere Projekt: die derzeitigen Zustände und die zu erwartenden weiteren Entwicklungen im Irak.

- ist den Medien nicht wichtig

Im Kontext des Falles Osthoff existiert in den Medien dieses Großprojekt-Thema gar nicht. Medial wird unsere Aufmerksamkeit vielmehr ausschließlich auf das kleine Projekt fokussiert, auf das von Susanne Osthoff – und nicht einmal darauf mit der gebotenen Sorgfalt. Es ist freilich gerade dieses ‚kleine' Projekt, das für das Opfer selbst das allergrößte – eben sein ganzer Lebensmittelpunkt – war. Wie reagieren Menschen, wenn sie ihr Lebensprojekt zerstört sehen? So wie der Mensch Susanne Osthoff auch. Ich kenne viele sonst sehr vernünftige Leute, die nicht weniger verstört wirken, wenn sie nur ihre Hausschlüssel verloren haben.

Für jemanden, der nicht selbst in diesem kleinen (Osthoff-) Projekt drinsteckt, sind natürlich die Sprünge, die Osthoffs in der Tat hier etwas panikartige Ausführungen machen, nicht ganz leicht nachzuvollziehen. Mit ein bisschen Empathie sehr wohl: Ein Projekt, von dessen Fortführung außer der eigenen Existenz auch die von immerhin 40 Familien abhängt, steht auf der Kippe. Und hier spricht kein Egoist: "Ich habe … gewusst, dass die Leute noch ärmer sind als ich. Die brauchen jetzt ein bisschen Feedback." Um das Projekt weiterzuführen, braucht die Projektleiterin auch selbst eine gewisse – auch finanzielle - Sicherheit. Frau Osthoff sieht diese von mehreren Seiten bedroht. Ist es denn so schwer, das Verhalten eines Menschen zu verstehen, dem der Boden unter den Füssen weg bricht? "Verstehen Sie?"

Wer nicht taub ist, muss doch hören: Aus Susanne Osthoffs Projekterfahrungen spricht eine abgrundtiefe Verbitterung: "Ich wäre schon öfters wegen der Deutschen gestorben, weil die mich sitzen ließen im Krieg." Und was das Abwürgen ihres Projekts durch deutsche Bürokraten angeht: "Das war eine Blamage für Deutschland, ganz einfach … Der Geiz schreit zum Himmel"; und: "Fakt ist: Der Mitarbeiter der Botschaft hat mir Druck gemacht und ein Gerichtsverfahren angedroht". Warum? Das scheint irgendwie mit Formblättern und Abrechnungsmodalitäten zu tun zu haben. Aufklärungsbedarf? Von und auf Bürokraten-Seite vermutlich kaum. Aber wenn der im Irak "neu eingesetzte" "Kulturreferent" tatsächlich der Meinung sein sollte, dass Deutschlands ‚Interessen' dort am besten mit einer weiteren "Abrechnungsstelle" statt mit dem – wie ich aus Rückfragen bei einigen Kollegen erschließe: bislang ziemlich spärlich genutzten – reichen und detaillierten Wissen unserer "Arabisten" bzw. "Orientalisten" gedient sei, so … Nun, wer ist eigentlich für die Bewertung unserer auswärtigen Kulturreferenten zuständig. Goethe?

Nach diesen Überlegungen zu dem, was von Susanne Osthoff selber – gemessen an dem, worum es ihr wirklich geht – ganz unverblümt als "Pipifax" bezeichnet worden ist, und nach meinem obigen - auch schon von der Welt am Sonntag (01.01.2006) erhobenen – Plädoyer auf Fairness für Susanne Osthoff (4) nun endlich zum Kern der Sache: Zur Situation im Irak (aus der Sicht Deutschlands) – wofür Susanne Osthoffs Entführung, ihre Freilassung und deren jeweilige Medienverarbeitung sprechendes Zeugnis ablegen.

Susanne Osthoff – und ‚unser' Irak

Der Kern der Botschaft der Archäologin Susanne Osthoff ist sinngemäß dieser: Verdammt noch mal, unterscheidet doch endlich zwischen dem mir persönlich Zugestoßenen (ein "kurzes Verbrechen") und dessen größerem Kontext: Das "kurze Verbrechen" an mir hat eine "lange Geschichte"! Anders ausgedrückt: Wie wollt Ihr meinen Fall – d.h., mich – "verstehen", wenn Euch der (historische) Kontext derart egal ist?

Dieser Appell steckte schon in der dritten Antwort von Osthoff - und bis dahin waren auch ihre Sätze noch weitgehend grammatisch korrekt. Der Appell blieb absolut wirkungslos. Die TV-Sprecherin – und sicher nicht nur sie - war auf diesem Ohr völlig taub. Kontext war im Rahmen dieser Sendung keiner vorgesehen. Ein tieferes Verständnis gehörte nicht zum Programm. "Verstehen Sie?" Auch dieses Signal ging ins Leere.

Es bleiben einige Thesen von Susanne Osthoff, die nach Erklärungen und dann wohl auch nach weiteren Diskussionen verlangen.

T1: Ihre Geiselhaft sei Teil eines Verkaufsgeschäfts gewesen.

T2: Und ihre Geiselnahme habe "unter einem sehr schlechten Vorzeichen" gestanden: in der Vorgeschichte habe ein "jüdischer Geheimdienstoffizier" eine Rolle gespielt.

Ergeben sich zu diesen Thesen aus dem ausführlichen BKA-Verhör von Susanne Osthoff weitere Einzelheiten? Darf die Öffentlichkeit hierzu Näheres erfahren? Und wenn nicht, warum nicht? Gibt es denn bei uns keinen Journalisten mehr, der hier für Aufklärung zu sorgen sich auch nur bemüht?

T3: Die Lebensqualität im Irak sei so schlecht, dass sich die Terror-Gruppen immer weiter vermehren.

Das ist zwar keine große Neuigkeit; man hört sie immer wieder. Aber interessant ist doch, dass damit den anders lautenden Erklärungen von Seiten der USA und Großbritanniens ein weiteres Mal von jemandem widersprochen wird, der die Szene vor Ort wohl etwas besser kennen dürfte als die Besatzungstruppen.

Und schließlich auch noch eine frohe Botschaft, die freilich – trotz deutschem Weihnachtskontext – bisher niemand, absolut niemand, so auch nur hören wollte:

T4: In Arabien gibt es nicht nur Terror; es gibt dort – und zwar sogar im Terrorkontext – auch noch Gnade.

Diese Botschaft ist sicher nicht nur für die wenigen unter uns relevant, die noch immer an die Möglichkeit einer Verbesserung des interkulturellen Verstehens glauben wollen; sie könnte auch – bei den nächsten Osthoff-analogen Entführungsfällen beispielsweise – ganz konkrete Anwendungsfolgen haben. Wie gehen deutsche Terrorismusexperten im Einsatz damit um? Oder wollen auch die von "Gnade" nichts hören?

T5: Die "Denkweise der Deutschen" ist, was den Irak (vielleicht auch den ganzen Mittleren Osten) angeht, – wohl in mehrfacher Hinsicht – eine fehlerhafte.

Also mit dieser "Denkweise der Deutschen" einfach so weiter wie bisher? Das könnte Dummheit sein –die sich rächt.

Totaler Kontrollverlust? Keineswegs. Nicht bei Susanne Osthoff. Nicht in deren ZDF-Interview. Vielmehr ein weiterer Fall von misslungener Kommunikation zwischen Menschen aus verschiedenen Welten. Und bei dem einen Menschen, selbstverständlich, unübersehbare Zeichen extremster Belastung.

Ehe das Opfer in die deutsche, die jordanische oder gar in die irakische ‚Psychiatrie' eingeliefert wird, sollte man vielleicht noch mal in Ruhe – also weder im Fernsehen, noch im bayerischen Glonn, am besten wohl gar nicht in Deutschland – mit ihm reden, ihm also auch zuhören. Da könnten wir wohl noch einiges lernen. Jedenfalls: Den derzeitigen deutschen Medien-Pranger hat Susanne Osthoff nicht verdient!

* Georg Meggle (5) ist Professor für Philosophie an der Universität Leipzig. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören: Kommunikation, Kollektive Intentionalität und Terrorismus. Er leitet derzeit die Öffentliche Universitätsringvorlesung Deutschland/Israel/Palästina (6).

Links
  1. www.heute.de
  2. http://de.wikipedia.org
  3. www.taz.de
  4. www.wams.de
  5. www.uni-leipzig.de
  6. www.uni-leipzig.de
Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Der Beitrag erschien erstmals bei: Telepolis.
Artikel-URL: www.telepolis.de



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