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Russische Ölkonzerne vor Comeback im Irak

In den letzten Tagen des Dezembers findet im Irak eine "russische Woche" statt

Von Andrej Fedjaschin *

Am 24. Dezember haben die irakische Regierung und GazpromNeft, an dem Gazprom den Löwenanteil hält, einen Vertrag zur Erschließung des Ölvorkommens Badra im Südirak paraphiert. Am Dienstag, dem 29. Dezember, sollen eine internationale Gruppe mit der russischen Lukoil an der Spitze und das irakische Ölministerium einen Vorvertrag über die Förderung auf dem größten irakischen Ölfeld, Westkurna-2, unterzeichnen. Zwar müssen alle Abkommen noch von der irakischen Regierung gebilligt werden, was jedoch nur noch ein formeller Akt ist.

Eigentlich sollte sich Russland darüber freuen. Erstens bekommt es so eine Abpumpmenge, die das Herz eines jeden Ölexperten höher schlagen lässt. Zweitens kommt Russland in den Irak zurück, wo Russland kurz vor 2000 viel Kraft und Geld investiert hat. Drittens sprechen die Auktionen zum "Verkauf" der irakischen Vorkommen anscheinend davon, dass die USA und Großbritannien wider alle Befürchtungen nicht das ganze irakische Öl unter den Nagel gerissen haben.

Wenn alles so einfach und vor allem das irakische Öl nicht von so einem starken geopolitischen und weltwirtschaftlichen Hintergrund geprägt wären, wäre die zweite Auktionsrunde für das irakische Öl nützlich. Die erste Runde fand im November statt, die zweite im Dezember. Doch jedes neue Barrel des noch nicht geförderten irakischen Öls birgt versteckte Fallen, die vor allem bei den Ölherstellern wenig positive Emotionen auslösen.

Die OPEC-Mitgliedsländer freuen sich nicht über die Wiederbelebung der irakischen Ölindustrie. Selbst die Ölunternehmen, die Zugang zu den irakischen Bodenschätzen bekommen haben, sind nicht ganz glücklich damit. Eine Ausnahme sind vielleicht nur die chinesischen Staatskonzerne, für die nicht die Gewinne wichtig sind, sondern der Zugang zum Rohstoff an sich und die Perspektive, dass die Preise fallen werden.

Iraks erkundete Vorräte belaufen sich auf etwa 118 bis 120 Milliarden Barrel. Das heißt, Irak liegt seinen Ölvorräten nach an dritter Stelle hinter Saudi-Arabien und Iran. Nach den jüngsten Angaben des US-Energieministeriums können die Gesamtvorräte an Kohlenwasserstoffen im Irak 300 bis 400 Milliarden Barrel betragen.

Was das irakische Öl so attraktiv macht, ist die preiswerte und einfache Förderung. Die Kosten für die Förderung eines Barrels betragen einen Dollar. Die Marge zwischen dem Eigenwert der Förderung und dem Preis auf den internationalen Märkten, im Jargon der Ölexperten "oil rent average", ist im Irak enorm. Nach Schätzungen der Amerikaner wird Irak Gewinne machen, selbst wenn der Durchschnittspreis für das OPEC-Öl auf rund fünf Dollar fällt. Ende Dezember betrug der Barrel-Preis für Öl aus den OPEC-Ländern 71,3 Dollar.

Irak will die Gesamtförderung von den jetzigen 2,5 Milliarden Barrel pro Tag binnen sechs Jahren auf zwölf bis 13 Milliarden Barrel bringen. Das würde Irak vom 13. Platz auf der Liste der Ölproduzenten auf den vierten nach Saudi-Arabien, Russland und den USA katapultieren. Irak will die Förderung bereits nach drei Jahren auf sieben Milliarden Barrel bringen. Das sind etwa fünf Prozent der gesamten Ölproduktion in der Welt, ein Viertel des jährlichen Ölverbrauchs der USA oder eine Hälfte des Verbrauchs von China.

Am meisten macht Iraks geplanter Öl-Boom der OPEC Kopfschmerzen. Auch Russland muss sich darüber Gedanken machen, weil er die weltweiten Preise ins Wanken bringen wird. Selbst im Hinblick darauf, dass der Ölverbrauch in China wachsen wird.

Die russischen Ölfirmen haben mehr als zwölf Jahre darauf gewartet, wieder Zugang zum West-Kurna-Vorkommen zu haben. Lukoil, Sarubeschneft und der Irak hatten bereits 1997 die Erschließung des Feldes vereinbart. Doch die Suche nach Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen machte diesen Hoffnungen ein Ende, weil ein Embargo gegen irakisches Öl verhängt wurde. Russland blieb nichts anderes übrig, als alle Arbeiten einzustellen. 2002 erklärte Bagdad das Abkommen für ungültig, weil das russische Konsortium seine Bedingungen nicht erfüllt hatte. Nach der Invasion von 2003 und der Entstehung der neuen "demokratischen Regierung" gerieten alle Verträge aus der Saddam-Zeit in Vergessenheit. Lukoils Rückkehr nach Kurna-2 ist somit in gewisser Weise gerecht.

Dass Russland Kurna bekommt, ist ein großer Vorteil. Die nachgewiesenen Ölvorräte der zweiten Erschließungsphase auf Kurna werden auf 12,9 Milliarden Barrel geschätzt. Die erste Erschließungsphase beläuft sich auf einen Vorrat von 8,7 Milliarden Barrel und ging an Exxon/Shell. Lukoil hat mit seinem Anteil von 85 Prozent die norwegische StatoilHydro (15 Prozent) zum Partner genommen.

GazpromNeft hat einen 40prozentigen Anteil am Vorkommen Badra und teilt ihn mit der türkischen TRAO (10 Prozent), der südkoreanischen Kogas (30 Prozent) und der malaysischen Petronas (25 Prozent). Hier werden die Vorräte auf 109 Millionen Barrel geschätzt.

Im Gegenteil zum Abkommen aus Saddam-Zeiten geht es dieses Mal nicht ums Product-Sharing, also darum, dass das Unternehmen einen Teil des geförderten Öls verkaufen kann. Irak wird Lukoil und Gazprom einfach 1,19 Dollar für jedes geförderte Barrel zahlen. Auf Kurna sollen 1,8 Millionen Barrel gefördert werden, was große Gewinne bedeutet. Doch die wichtigste Hoffnung besteht bei allen Verträgen darin, dass die ausländischen Unternehmen auch das Recht für einen Teil des geförderten Öls bekommen werden. Dazu muss Irak ein Gesetz verabschieden, das die Teilnahme der ausländischen Unternehmen an der Ölförderung regeln wird. Bislang fehlt es.

Alle vergangenen Auktionen zeichneten sich dadurch aus, dass keine US-Unternehmen präsent waren. Exxon war der einzige amerikanische Ölgigant - selbst er bekam nicht den größten Anteil. Die britischen und amerikanischen Zeitungen begannen sogar zu schreiben, dass die USA, die bereits mehr als eine Billion Dollar für den Irak-Krieg ausgegeben haben, "reingelegt" worden waren. Doch die Nichtteilnahme an den Auktionen zeugt in Wirklichkeit von typischem US-Pragmatismus, gut vorbereitetem Nährboden für eine "Öl-Okkupation" und ernsthaften strategischen Überlegungen.

Ein aufmerksamer Blick auf die Karte der zur Versteigerung angebotenen Ölfelder zeigt, dass sie alle in den schiitischen Gegenden im Süden liegen. Ausländische Unternehmen nahmen auch Abstand von den Vorkommen im Zentralirak, weil die Vorräte klein und die Lage instabil sind. Der schiitische Süden ist eine ziemlich antiamerikanisch eingestellte Region. Die USA sind anscheinend jetzt schon sicher, dass die Verhältnisse dort nach der Truppenverkleinerung und dem Abzug aus Irak kaum günstig für die US-Ölkonzerne sein werden. Stattdessen haben sie bereits jetzt in aller Stille Verträge mit den kurdischen Behörden im Norden des Landes abgeschlossen.

Im irakischen Kurdistan liegt womöglich ein Drittel aller irakischen Ölvorräte. Laut US-Zeitungen schließt die US-Regierung nicht aus und handelt so, als ob Kurdistan nach den Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr zur Selbstverwaltung übergehen wird. Zwischen der Autonomie und Bagdad wird die Verbindung nicht so eng sein. Die Kurden setzen in ihrem Bestreben nach Unabhängigkeit oder weitgehender Autonomie große Hoffnungen in die USA. Deswegen wird es den US-Ölriesen sehr leicht fallen, in Kurdistan Fuß zu fassen.

* Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der der RIA Novosti übereinstimmen.

Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 25. Dezember 2009; http://de.rian.ru



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