Erweiterte UNO-Präsenz in Irak nützt USA-Politik
Mission im Zweistromland nicht mehr als ein Feigenblatt
Von Hans Voss *
Der Sicherheitsrat hat durch neue Resolutionen dafür gesorgt, dass aus der UNO-Ablehnung des
Irakkrieges eine Unterstützungsmission für die USA-Neuordnung des Landes wurde.
Als der UN-Sicherheitsrat am vergangenen Freitag in einer einstimmig angenommenen Resolution
eine Aufstockung der UNO-Präsenz in Irak beschloss, wurde das mancherorts als Schritt zur
Verlagerung von Verantwortung im Zweistromland angesehen. Washington sprach von einer
Entlastung eigener Anstrengungen. Tatsächlich hat sich an den gegenwärtigen Herrschafts- und
Machtverhältnissen nichts geändert. Vielmehr verfestigte der Sicherheitsrat ein Rechtsgefüge in Irak,
das allein den USA nützt.
Dabei hatte die UNO zunächst als Bremse für die USA-Intervention gewirkt. Im März 2003 hatte der
Sicherheitsrat Washington ein Mandat zum Einmarsch in den Irak verweigert. Die vorgebrachten
Kriegsgründe wurden als haltlos bezeichnet, was sich als berechtigt erwies. Die Supermacht
handelte damit außerhalb des Völkerrechts.
Doch löste die Verweigerungshaltung zahlreicher Staaten in den USA große Verärgerung aus. Dem
Sicherheitsrat wurde vorgeworfen, die Einmütigkeit seiner Mitglieder untergraben zu haben, was die
Vereinten Nationen empfindlich getroffen habe. Wenn viele Regierungen auch diese Version
zurückwiesen und darauf pochten, dass gerade die Ablehnung der USA-Aggression das Ansehen
der UNO erhöht habe, passte sich der Rat nach dem formellen Ende des Krieges schrittweise der
USA-Position an.
Im Mai 2003 entsandte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan eine UN-Mission nach Bagdad
(UNAMI). Sie hatte die Aufgabe, die künftigen irakischen Autoritäten bei der Neuformierung der
staatlichen Strukturen zu unterstützen. Annan reduzierte die Zahl der Mitarbeiter aber bereits im
August 2003 nach einem verheerenden Bombenanschlag auf das UNO-Quartier drastisch. Dennoch
bleibt festzuhalten, dass die USA bei ihrem Vorgehen zur Neuordnung in Irak die begrenzte
Unterstützung der UNO erhielten.
Der Sicherheitsrat ging sogar noch weiter. Am 8 Juni 2004 verabschiedete er die Resolution 1546, in
der er grundlegende Entscheidungen über den Status der verschiedenen Komponenten in Irak traf.
So bestätigte er die Tätigkeit der UN-Mission (UNAMI), nahm aber aus Gründen der fehlenden
Sicherheit keine Aufstockung ihrer Stärke vor. Die Interimsregierung wird formal als legale
Vertreterin Iraks anerkannt. Das schließt eine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen ein.
Den Okkupationstruppen wird der Status einer »multinationalen Truppe« zuerkannt. Ihre Legitimität
soll sich aus der Tatsache ableiten, dass sie auf Ersuchen der Interimsregierung im Lande ist (einem
Organ, das von den USA eingesetzt wurde) und so lange bleiben könne, wie es diese
Interimsregierung wünsche. Mit dieser Konstruktion wird versucht, das fehlende UN-Mandat zu
überspielen. In ihren Operationen bleibt die »multinationale Truppe« weiter nicht an Einwände
irakischer Autoritäten gebunden.
Wenn jetzt der Weltsicherheitsrat eine weitere Resolution zu Irak verabschiedet hat, wird damit zwar
eine Lücke gefüllt. Unter der Voraussetzung, dass die erforderlichen Sicherheitsgremien nunmehr
geschaffen werden, soll UNAMI von 65 auf 95 Mitarbeiter erweitert werden. Zugleich wird das
Mandat der Mission um ein weiteres Jahr verlängert. Eine wesentliche Erweiterung der
Möglichkeiten der UNO ergibt sich daraus jedoch nicht. Der Sicherheitsrat hat nach und nach die
Situation in Irak legitimiert. Er erhebt keine Einwände gegen die Anwesenheit der USA-Truppen. Im
Gegenteil hat er diesen einen rechtlichen Mantel verschafft. Gleichermaßen akzeptiert er die USAPolitik
zur Neuordnung der Gesellschaft. UNO-Einrichtungen sind zwar am Ort präsent. Sie haben
aber keinen Einfluss auf den Lauf der Dinge, sie laufen vielmehr Gefahr, als Feigenblatt zu wirken.
Man muss sich fragen, warum ein solches politisches Vorgehen die Zustimmung aller Mitglieder des
Sicherheitsrates findet. Ist es Resignation oder die Erkenntnis, dass nur auf dem eingeschlagenen
Weg eine Befriedung des Landes erreicht werden könne? Ist die Lage in Irak so aussichtslos, dass
niemand einen anderen Weg aus dem Dilemma weiß?
* Aus: Neues Deutschland, 16. August 2007
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