Steht ein Krieg gegen Irak bevor?
Doch nicht einmal CIA hat Beweise für irakischen Terrorismus
Nachfolgend ein paar Informationen über die Kriegsplanung in Washington. Wir haben sie einem Korrespondentenbericht entnommen, der am 8. Februar im Neuen Deutschland veröffentlicht wurde. Autor: Max Böhnel, New York.
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Vor dem Geheimdienstausschuss des Washingtoner Senats hat
sich am Mittwoch (6. 02. 2002) erstmals seit dem 11. September der Chef der
USA-Auslandsspionage CIA, George Tenet. geäußert. Rund 1.000
Mitglieder des Al-Qaida-Netzwerks seien seit den
Terroranschlägen in 60 Ländern gefangen genommen worden.
Doch damit habe man die Organisation keineswegs zerstört,
warnte Tenet die Senatoren. Ihre Köpfe seien bloß untergetaucht,
Al-Qaida und weitere terroristische Gruppierungen würden
»mehrfach Angriffe auf die USA planen«. In größeren Städten
Europas und des Nahen Ostens seien weiter existierende Al-Qaida-Zellen in der Lage, sofort
zuzuschlagen.
Tenet musste seine Behörde aber auch gegen die bohrenden Fragen mehrerer Senatoren verteidigen,
weshalb die CIA die Angriffe vom 11. September nicht habe voraussagen können.
»Geheimdienstaktivitäten haben niemals eine hundertprozentige Voraussagekapazität«, rechtfertigte
Tenet gewunden die CIA. Der Geheimdienst sei im vergangenen Sommer schon »im weitesten Sinne«
von terroristischen Angriffsplänen ausgegangen. Aber die Informationen seien nur vage gewesen. Tenet
weiter: »Wir müssen auf einen langen Krieg vorbereitet sein, und wir dürfen dabei nicht einknicken.«
Vom Irak, der von Präsident George Bush am 29. Januar zusammen mit Iran und Nordkorea der »Achse
des Bösen« zugeschlagen wurde und seitdem als nächstes militärisches Angriffsziel der USA gilt,
sprach Tenet interessanterweise nicht. Stattdessen erwähnte er Iran als wahrscheinliche Herberge von
Al-Qaida-Flüchtlingen sowie als Staat, der »Massenvernichtungswaffen und Raketensprengköpfe
erwirbt, wo immer er kann«. Zeitgleich zu Tenets Anhörung ließ sich USA-Außenminister Colin Powell
vor dem Außenausschuss des Repräsentantenhauses aus. Teheran versuche die afghanische
Regierung zu destabilisieren, so Powell, davon müsse die iranische Führung abgebracht werden. Iran
und nicht mehr Irak als Bedrohung US-amerikanischer Interessen?
Tatsächlich hatte die »New York Times« in ihrer Mittwochsausgabe USA-Geheimdienstler zitiert, die
eine Verbindung des irakischen Regimes mit terroristischen Aktivitäten ausschließen. Saddam Hussein
habe »keine chemischen oder biologischen Waffen an Al Qaida oder an sonstige terroristische
Gruppierungen weitergegeben«, hieß es in der Zeitung. Der letzte Terrorplan Iraks sei der zur
Ermordung von Bush sen. bei seinem Kuweit-Besuch im Jahr 1993 gewesen. Außerdem hätte sich die
angebliche Bagdader Terror-Connection ausschließlich auf magere Berichte von einem Treffen eines
irakischen Geheimdienstlers mit dem mutmaßlichen Flugzeugattentäter Mohammed Atta in Prag
gestützt.
Monatelang hat eine konservative Anti-Irak-Lobby in Washington versucht, die Bush-Regierung auf einen
umfassenden Krieg gegen das Badgader Regime einzuschwören und ihr dabei die Besorgnisse der
engsten Alliierten auszureden. Offenbar mit Erfolg, wie die Bush-Rede am 29. Januar zeigte. Die
Hardliner sitzen in der Pentagon-Führung und diversen Denkfabriken. Konservative Ideologen sorgen für
»Argumente« und große Medienpräsenz. Und offenbar ist der Richtungsstreit, den diese Hardliner mit
den bündnisorientierten Pragmatikern im Außenministerium führten, inzwischen ausgefochten. »Wenn
es eine ernsthafte interne Debatte innerhalb der Regierung über das Vorgehen gegen Irak gegeben
haben sollte, dann ist sie beendet«, fasste Charles Krauthammer, der konservative Kolumnist der
»Washington Post«, jetzt die Lage zusammen. Präsident Bush habe den »Krieg gegen den
Terorismus« in seiner Rede vor dem Kongress neu definiert. Laut Krauthammer wird Bush seine
Popularität für einen weitaus größeren und riskanteren Krieg nutzen. »Bislang ging es um den 11.
September«, schrieb er, »aber der Krieg, der wirkliche Krieg dreht sich nicht um den 11. September,
sondern darum, den nächsten 11. September zu verhindern - insbesondere einen nuklearen,
chemischen oder biologischen 11. September.«
Wohin gehen die USA also »nach Phase eins, Afghanistan«, fragt Krauthammer. Antwort: Phase zwei
beginne jetzt mit der Terroristenjagd von den Philippinen über Bosnien bis nach Somalia sowie damit,
»ehemalige bad guys wie Jemen oder Sudan unter Druck zu setzen«. Und Phase drei, der Sturz
Saddam Husseins, werde in aller Ruhe vorbereitet, während Phase zwei wochenlang Schlagzeilen
macht. Einen groß angelegten Feldzug gegen Irak sagt der konservative Kenner der Bush-Truppe
innerhalb von 12 Monaten voraus.
Aus: Neues Deutschland, 8. Februar 2002
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