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Streit um schwarzes Gold

Türkei will irakisches Öl aus kurdischen Autonomiegebieten verkaufen. Bagdad empört

Von Karin Leukefeld *

Das irakische Ölministerium hat bei der Internationalen Handelskammer in Paris ein Vergleichsverfahren gegen die Türkei und die staatliche türkische Ölgesellschaft BOTAS beantragt. Hintergrund ist die Ankündigung Ankaras, irakisches Öl aus den kurdischen Autonomiegebieten auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Bagdad beschuldigt die Türkei und BOTAS, »ihre Verpflichtungen aus dem irakisch-türkischen Pipelinevertrag gebrochen« zu haben.

Der türkische Minister für Energie, Taner Yildiz, hatte am Freitag bestätigt, daß Ankara damit begonnen habe, irakisches Öl zu verkaufen, das im türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan zwischengelagert war. Es stammt aus Verkäufen, die die kurdische Autonomieregierung ohne Zustimmung der Zentralregierung in Bagdad getätigt hatte.

Die kurdische Regionalregierung (KRG) begrüßte die Entscheidung Ankaras. Eine Million Barrel Rohöl seien auf dem Weg nach Europa, und »viele weitere Verkäufe« würden folgen. Das Öl werde durch die neu gebaute Pipeline aus den Kurdengebieten nach Ceyhan gepumpt. Die Einnahmen könnten auf ein KRG-Konto bei der Halkbank in der Türkei gezahlt werden. Wer konkret der Empfänger des Öls ist, wurde nicht gesagt.

Bagdad besteht darauf, daß jeder Verkauf des irakischen Rohstoffs vom eigenen Ölministerium bestätigt werden muß. Die kurdische Autonomieregierung in Erbil beharrt hingegen auf dem Recht, selbständig Öl zu verkaufen, das aus den kurdischen Gebieten stammt. Sie zählt dazu auch die Mengen, die in Kirkuk gefördert werden. Die politische Zugehörigkeit des Gebiets ist zwischen der kurdischen Regionalregierung und der Zentralregierung in Bagdad umstritten. Kirkuk verfügt nach dem Südirak über die zweitgrößten Ölfelder des Landes.

Die ersten Firmen waren bereits 2002 in die nordirakischen Kurdengebiete gekommen, um sich den Zugriff auf das schwarze Gold zu sichern. Damals waren die drei Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaimanija schon fast zehn Jahre durch die von der UNO 1991 verhängte Flugverbotszone mit dem Namen »Sicheren Hafer« de facto vom Irak abgetrennt.

Die Haltung Bagdads gegenüber der kurdischen Regionalregierung basiert auf einer Vereinbarung, deren Grundlagen bereits von dem UN-Sanktionsregime (1990–2003) gelegt worden waren. Danach gehen 17 Prozent der Einnahmen aus den irakischen Ölverkäufen an die drei nordirakischen Kurdenprovinzen, alles andere geht an die Zentralregierung, die wiederum den Rest des Landes versorgt. Der Etat der Republik speist sich zu 95 Prozent aus diesen Einnahmen.

Wirtschaftlich gesehen ist das in den kurdischen Gebieten geförderte Öl für den Irak von geringer Bedeutung. 2012 betrug dessen Anteil an der irakischen Gesamtförderung von 3,2 Millionen Barrel/Tag lediglich zehn Prozent. Politisch gesehen allerdings spielt es eine wichtige Rolle. Sollte die Regionalregierung in Erbil sich vom Irak abspalten, wäre die Ölförderung dafür die beste Grundlage. Das wiederum könnte Vorbild für die südirakischen Provinzen sein, sich mit ihrem Reichtum ebenfalls von Bagdad loszusagen. Internationale Ölgiganten wie ExxonMobile, Total und Chevron agieren nicht mehr nur auf den reichen Ölfeldern im Südirak, sondern auch in den kurdischen Provinzen. Ein eigenständiger Ölexport aus letzteren gefährdet zudem die politische Rolle des Iraks als einem der wichtigsten Öllieferanten für den internationalen Markt.

Die türkische Entscheidung, das Öl ohne Zustimmung Bagdads auf dem Weltmarkt zu verkaufen, steht im Zusammenhang mit den irakischen Wahlen. Ankara stärkt damit die kurdische Position bei den bevorstehenden Verhandlungen um eine neue irakische Regierung. Der bisherige Ministerpräsident Nuri Al-Maliki ist auf eine Koalition mit den Kurden angewiesen, wenn er eine dritte Amtszeit antreten will. Mit der Ausbeutung des irakischen Öls unterstreicht die kurdische Regionalregierung – mit Hilfe der Türkei und Europas – daß sie Maliki nur dann unterstützen wird, wenn dieser den Kurden den gewünschten Spielraum bei der Ölförderung einräumt. Vermutlich soll auf Maliki auch wegen der irakischen Haltung zum Krieg in Syrien Druck ausgeübt werden.

* Aus: junge Welt, Montag, 26. Mai 2014


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