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Waffen, Öl und Gas

Frieden und US-Interessen im Nordirak

Von Rainer Rupp *

Barack Obama ist der vierte US-Präsident in Folge, der Irak bombardieren läßt. Dafür findet er auch in Deutschland breite Unterstützung. Im kurdischen Nordirak geht es angeblich darum, gegen den grausamen »Islamischen Staat« Frieden zu schaffen mit besseren Waffen. Kann die Bundesrepublik abseits stehen, wenn sogar Gregor Gysi nicht abgeneigt ist? Folgt man Washington, deutschen Politikern und Medien, dann geht es darum, ethnische und religiöse Minderheiten, insbesondere Christen und Jesiden, vor Islamisten zu retten. Nur: Mit nachweislich falschen Behauptungen von einer ähnlichen Notsituation wurden bereits die Bombardierungen Jugoslawiens 1999 und Libyens 2011 gerechtfertigt. Warum soll man jetzt der Nation trauen, die auf Grund von Fälschungen über Chemiewaffenangriffe Syrien bombardieren wollte? Wenn es um die Rettung von Minderheiten und um die Verhinderung eines Genozids geht, warum liefern die USA weiterhin Waffen an Israel, Ägypten und Bahrain?

In einem in der New York Times am Freitag vergangener Woche veröffentlichten Interview sagte Obama: »Die kurdische Region funktioniert so, wie wir es gerne sehen. Sie ist tolerant gegenüber anderen Sekten und Religionen. (…) Deshalb ist es wichtig, diese Region zu schützen.« Seine Heuchelei übertrifft noch die seines Vorgängers George Bush. Im gesamten Mittleren Osten gibt es kein Land, das gegenüber kleinen Glaubensgemeinschaften, Religionen und Ungläubigen toleranter war und ist als Syrien unter der Führung seines Präsidenten Baschar Al-Assad. Aber Syrien wurde auf Obamas Befehl hin militärisch unterwandert und ins Chaos gestürzt. US-Spezialisten haben noch bis vor kurzem ISIS-Kämpfer in Jordanien an modernen Waffen zum Kampf in Syrien ausgebildet. Diese haben in den eroberten syrischen Gebieten systematisch Christen ermordet. Wo blieb da der Aufschrei?

Zum Schutz der Menschenrechte, die US-Militärstiefel überall zertrampeln, hat Washington noch nie Krieg geführt, dafür umso mehr zur Sicherung seiner Energieinteressen. Das irakische Kurdistan liegt inzwischen auf Rang neun der weltweit wichtigsten Ölförderungsgebiete, es verfügt über den weitaus größten Teil der bekannten Gaslagerstätten Iraks. Wenn Washington seine Intervention damit rechtfertigt, es müsse Tausende US-Bürger im Nordirak schützen, heißt das: Diese sind dort nicht wegen der gesunden Bergluft, sondern weil sie für alle großen US- Energiekonzerne seit Jahren ebenda hohe Profite einfahren. Zu deren Sicherung will nun sogar Gysi zu den Waffen greifen.ungsbedarf.

* Aus: junge Welt, Freitag, 15. August 2014


Imperialistische Wende

Bundesregierung für Waffenlieferung

Von Sevim Dagdelen **


Die Entscheidung der Regierung Merkel, Waffen in den Irak zu liefern, ist ein Paradigmenwechsel in der deutschen Außenpolitik. Wie für die USA sind jetzt für Deutschland allein geopolitische und geostrategische Erwägungen entscheidend, wo, wann und an wen Rüstungsgüter geliefert werden. Das ist das Einschwenken in eine offen imperialistische Außenpolitik.

Blicken wir zurück. 1954 sicherte sich die Bundesrepublik in den Pariser Verträgen das Recht auf Rüstungsproduktion und Ausfuhr von deren Gütern. Zunächst galten von außen diktierte Einschränkungen beim Export schwerer Waffen, die später durch die Selbstbeschränkung in Form von Rüstungsexportrichtlinien ersetzt wurden. Deren Grundsatz bis heute war: Keine Lieferung in Kriegs- sowie Krisen- und Spannungsgebiete. Die Realität sah oft anders aus, aber eine Waffenlieferung in ein Kriegsgebiet ist erst mit der Entscheidung des Kabinetts Wirklichkeit geworden. Es handelt sich um Zynismus, wenn dies mit einer Verhinderung von Massakern an Jesiden gerechtfertigt wird. Denn die PKK, die über die kurdischen Enklaven im Norden Syriens einem Teil der Schutzsuchenden die Flucht ermöglichte, wird weiterhin in Deutschland und der EU als Terrororganisation verfolgt. Gegen die radikalislamistische Terrororganisation »Islamischer Staat« (IS) wird dagegen faktisch nichts unternommen. Im Gegenteil: Die Bundesregierung paktiert mit den Sponsoren des IS wie Türkei, Saudi-Arabien und Katar und forciert die Sanktionen gegen die syrische Bevölkerung, was den IS stärkt. Jede wirkliche Hilfe, z.B. ein Ende der Blockade gegen die kurdischen Gebiete Syriens, wird verhindert. Bei den deutschen Waffenlieferungen geht es allein um einen Wettlauf mit anderen imperialistischen Mächten um geopolitische Einflußnahme.

Die Debatte um die Lieferung deutscher Waffen für die Rettung vor einem Völkermord war Türöffner für diese politische Wende. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), fordert, sie wenigstens parlamentarisch abzusichern. Das würde aber nichts mehr an der Tatsache ändern: Mit der Regierungsentscheidung hat eine neue Ära in der deutschen Rüstungsexportpolitik begonnen. Es ist zu befürchten, daß sie für noch mehr Tod und Elend sorgt. Diejenigen, die jetzt Frank-Walter Steinmeier und Ursula von der Leyen zujubeln, könnten schon bald ein böses Erwachen erleben, wenn weltweit in Bürgerkriegen mit deutschen Waffen direkt interveniert wird.

** Die Autorin ist Sprecherin für Internationale Beziehungen der Linksfraktion im Bundestag. Aus: junge Welt, Freitag, 15. August 2014 (Gastkommentar)


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