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Bündnis gegen Dschihadisten

Frankreich richtete Koordinierungskonferenz gegen Islamischen Staat aus

Von Ralf Klingsieck, Paris *

Gegen den Vormarsch der IS-Terrormiliz in Irak formiert sich ein internationales Bündnis. Frankreich war Gastgeber einer Koordinierungstagung und empfahl sich mit Aufklärungsflügen über Irak.

Eine Konferenz zum vereinten Kampf gegen den Terror des Islamischen Staats (IS) auf dem Territorium Iraks und Syriens hat am Montag in Paris stattgefunden. Unter der gemeinsamen Leitung der Staatspräsidenten von Frankreich und Irak, François Hollande und Fuad Masum, nahmen daran Vertreter von etwa 20 Staaten teil, darunter aus den USA, Russland, Deutschland und Großbritannien die Außenminister John Kerry, Sergej Lawrow, Frank-Walter Steinmeier und Philip Hammond. Die Dschihadisten seien eine globale Gefahr, auf die auch global reagiert werden müsse, erklärte Präsident Hollande zum Auftakt des Treffens im Außenministerium am Quai d'Orsay. Er rief die westlichen und arabischen Staaten auf, sich »eindeutig, stark und loyal an die Seite der irakischen Regierung zu stellen« und gleichzeitig »mit allen Mitten die Kräfte der demokratischen Opposition in Syrien zu unterstützen«.

Die Pariser Konferenz habe nicht nur das Ziel, Irak politischen Rückhalt zu verschaffen, sondern auch Mittel für den Wiederaufbau in Irak aufzubringen. Darüber hinaus gelte es, den Zustrom von fanatisierten Kämpfern aus aller Welt zu den IS-Milizen zu unterbinden und deren Verbindungen zu Gleichgesinnten, Geldgebern oder Hehlern im Ausland zu kappen. Der irakische Präsident erklärte, sein Land habe »militärisch keinen Bedarf an Soldaten, sondern an Luftunterstützung«.

Auf Befehl von Hollande haben Rafale-Jagdflugzeuge am Montagmorgen von ihrer Basis in Abu Dhabi aus erste Aufklärungsflüge über IS-Gebiet unternommen, um die unmittelbar bevorstehenden Kampfeinsätze vorzubereiten. Auf der Konferenz wurde deutlich, dass sich insgesamt mehr als 40 Staaten in der einen oder anderen Form an der Koalition gegen IS beteiligen wollen. Die USA wollen Luftangriffe fliegen und setzen insgesamt 1600 Militärangehörige ein.

Frankreich liefert seit einem Monat Waffen und humanitäre Hilfe an die kurdischen Kämpfer, die den Terrormilizen des IS die Stirn bieten. Bei einem Besuch am Freitag in Bagdad hat Hollande versprochen, Irak »noch mehr militärische Unterstützung« zu leisten. Großbritannien liefert auch Waffen an die Kurden und hat Lufteinsätze angekündigt, aber noch nicht beschlossen. Deutschland beabsichtigt, den Kurden 30 Panzerabwehrraketensysteme, 16 000 Sturmgewehre und 8000 Pistolen zu liefern. Von Russland ist zumindest kein Sperrfeuer oder Veto im UN-Sicherheitsrat zu erwarten, wenn es um ein Mandat für den Kampf der Anti-IS-Allianz geht, denn zu groß ist die Furcht, die islamistische Radikalisierung könnte auf mittelasiatische Nachbarländer Russlands übergreifen.

Ebenfalls am Montag begann nur wenige hundert Meter weiter in der Nationalversammlung im Eilverfahren die Beratung über den Entwurf eines Gesetzes zum Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. Es sieht vor allem vor, dass beim Verdacht auf eine geplante Ausreise zur Beteiligung an Kämpfen im Ausland das Verlassen des Landes untersagt und Pass oder Personalausweise eingezogen werden können. Wenn nachgewiesen werden kann, dass der Betreffende aktiv Terrorakte im In- oder Ausland vorbereitet, drohen schwere Strafen wegen »Terrorismus« und »Bandenbildung«. Rund 1000 Franzosen haben sich bereits am Dschihad in Syrien beteiligt und gegenwärtig sind dort schätzungsweise 350 im Einsatz. Ferner sieht das Gesetz strenge Strafen wegen »Vorbereitung und Propaganda für Terror« für diejenigen vor, die junge Muslime radikalisieren und für den Dschihad anwerben. In diesem Zusammenhang können auch Internetseiten gesperrt werden, wo solche Propaganda und Kontaktaufnahme erfolgt.

Dieser Passus hat im Vorfeld der Parlamentsdebatte die meisten Diskussionen ausgelöst, weil Kritiker zu bedenken geben, dass hier »Kollateralschäden« gegen die Meinungsfreiheit nicht auszuschließen sind. Doch die Mehrheit der linken Abgeordneten will diesen Passus im Gesetz mittragen. Da alle Fraktionen im Parlament deutlich gemacht haben, dass sie voll hinter dem Gesetzentwurf der Regierung stehen, besteht kein Zweifel, dass das Anti-Terror-Gesetz bei der Abstimmung am heutigen Dienstag mit großer Mehrheit angenommen wird.

* Aus: neues deutschland, Dienstag 16. September 2014

Irak-Konferenz: Russischer Außenminister warnt vor Ausweitung der „Terror-Internationale“

Laut dem russischen Außenminister Sergej Lawrow ist es notwendig, eine Ausweitung der „Terror-Internationale“ zu verhindern.

„Ein besonderes Augenmerk wird auf die Notwendigkeit gelegt, keine Ausweitung der Terror-Internationale zuzulassen. Jugendliche lassen sich wegen Ausweglosigkeit und schlechter sozialökonomischer Aussichten von Extremisten leicht rekrutieren, die sich unter anderem das ungelöste Palästina-Problem zunutze machen“, sagte Lawrow am Montag in Paris am Rande einer Konferenz zur Lage im Irak.

Dem russischen Außenminister zufolge spekulieren die Terroristen aktiv mit diesem Faktor. Sie würden die Ungerechtigkeit gegenüber den Arabern im Nahen Osten, deren Interessen nicht gesichert werden könnten, hervorheben und versuchen, neue Brigaden zum Kampf gegen die jetzigen Führungskreise in der arabischen Welt zu bilden, so Lawrow.

Die Internationale Irak-Konferenz war auf Anregung des französischen Präsidenten Francois Hollande wegen der zunehmend gefährlichen Aktivitäten der sunnitischen extremistischen Gruppierung „Islamischer Staat“ einberufen worden.

(Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 15.09. 2014; http://de.ria.ru/



Pariser Kriegskonferenz

Internationales Treffen bereitet Luftschläge gegen IS und Syrien vor

Von Karin Leukefeld **


Die französische Regierung will sich an die Spitze des Kampfes gegen die im Irak und in Syrien agierende Terrororganisation »Islamischer Staat« (IS) setzen. Gemeinsam mit dem irakischen Präsidenten Fuad Masum hatte der innenpolitisch schwer angeschlagene französische Präsident François Hollande für den gestrigen Montag zu einer »Internationalen Konferenz für Frieden und Sicherheit im Irak« nach Paris eingeladen. Von ursprünglich 40 angekündigten Staaten waren 29 durch ihre Außenminister vertreten. Auch EU, UN und andere Organisationen waren der Einladung zu dem eintägigen Treffen gefolgt. Nicht eingeladen waren Syrien und Iran.

Die zentralen Fragen der Konferenz, bei der es um die »Feinabstimmung« in dem von den USA ausgerufenen »Krieg gegen IS« gehen sollte, brachte die libanesische Tageszeitung The Daily Star folgendermaßen auf den Punkt: Wer greift welche Ziele an? Wer schickt die Waffen? Wer stellt welches Aufklärungsmaterial zur Verfügung, und wer bezahlt? Nicht behandelt wurde die von Rußland und China gestellte Forderung nach einem Mandat der Vereinten Nationen für die geplanten Militäroperationen auf irakischem oder syrischem Territorium. Die UN-Charta verlangt die Zustimmung der Regierungen dieser Länder.

Der irakische Ministerpräsident Haidar Al-Abadi hat bereits dringend Luftangriffe auf Stellungen des IS gefordert. Auch Damaskus ist zur Zusammenarbeit bereit, was die USA und ihre Verbündeten jedoch ablehnen.

Um zu unterstreichen, wie ernst es der französischen Regierung mit der Rettung des Iraks ist, verkündete zu Konferenzbeginn der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian den Start französischer Kampfjets zu Aufklärungsflügen über dem Irak. Le Drian machte die Ankündigung vor Soldaten und Piloten auf der französischen Al-Dhafra-Basis in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Hollande hatte am Wochenende bei einem Blitzbesuch in Bagdad und Erbil militärische Hilfe versprochen. In Syrien werde Frankreich »moderate Kampfgruppen« unterstützen, sagte Hollande zu Beginn der Konferenz. US-Außenminister John Kerry präsentierte zehn arabische Staaten, die sich an der Militäroperation der USA beteiligen wollen. Allen voran Saudi-Arabien, das neben dem Emirat Katar und Kuwait in den letzten drei Jahre die meisten Waffen und Kämpfer nach Syrien geschickt hatte. Die leicht modifizierte US-Strategie sieht nun vor, Luftangriffe in Irak und Syrien gegen IS-Stellungen zu fliegen und die sogenannte moderate Opposition in Saudi-Arabien auszubilden und zu bewaffnen.

Die Türkei, die den Kampfverbänden weiterhin ungehinderten Zugang zu Einsatzgebieten in Syrien und Irak ermöglicht und als Umschlagplatz für geplünderte und gestohlene Ressourcen aus Syrien fungiert, will sich der neu geschmiedeten Allianz nicht anschließen. Ägypten plädiert dafür, daß nicht nur IS, sondern auch andere terroristische Gruppen bekämpft werden sollen. Dazu gehören die von Katar und der Türkei unterstützte Al-Nusra-Front sowie Kampfverbände der in Ägypten und Saudi-Arabien verbotenen Muslimbruderschaft.

US-Jets und -Drohnen haben bisher mehr als 160 Angriffe gegen IS-Stellungen im Irak geflogen. Am vergangenen Mittwoch hatte US-Präsident Obama erstmals Luftangriffe auf syrisches Territorium angeordnet, was in Damaskus auf scharfen Protest stieß. Der Minister für Nationale Versöhnung, Ali Haidar, nannte Angriffe innerhalb Syriens ohne Zustimmung der syrischen Regierung eine »Aggression« gegen das Land. In der britischen BBC forderte der stellvertretende syrische Außenminister Faisal Mekdad, daß jede Operation gegen Terrorismus im Irak oder in Syrien auf der »Basis der UN-Charta und der UN-Resolutionen gegen Terrorismus« mit den Regierungen beider Staaten abgesprochen werden müsse.

Ein Sprecher des russischen Außenministeriums hatte zuvor ebenfalls Luftangriffe auf IS-Positionen in Syrien ohne die Zustimmung der syrischen Regierung als »Aggression und schwere Verletzung des Völkerrechts« abgelehnt. Ähnlich äußerte sich Hua Chunying, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums. Scharfe Kritik an dem Vorgehen der USA kam auch aus Teheran.

** Aus: junge Welt, Dienstag 16. September 2014


Neues Kriegsbündnis

Koalition gegen IS und Rußland

Von Knut Mellenthin ***


Wieder einmal bastelt ein US-Präsident an einer internationalen Koalition der Willigen und Billigen. Diesmal ist es Friedensnobelpreisträger Barack Obama, der Komplizen und Statisten für eine Militärintervention in Syrien und im Irak sucht. 40 Länder sollen sich angeblich schon zum Mitmachen gemeldet haben. Darunter alle autoritären Monarchien der arabischen Halbinsel und die ägyptische Militärdiktatur. Die Monarchien haben beim Aufbau des »Islamischen Staates« (IS), den sie jetzt bekämpfen wollen, lange Zeit durch Waffenlieferungen und Finanzhilfen mitgewirkt. Jetzt drängen sie sich, ihre aus den USA und anderen NATO-Ländern importierten Luftwaffen gegen Ziele im Irak und in Syrien einsetzen zu dürfen. Einige sollen laut Außenminister John Kerry sogar schon Bodentruppen angeboten haben.

Iraks Präsident Fuad Masum murrt vergeblich, daß sein Land keine Luftangriffe Saudi-Arabiens, der Vereinigten Emirate oder Ägyptens brauche. Die Iraker werden nicht mehr gefragt, was sie wollen. Die Regierung in Bagdad hat sich unter dem militärischen Druck des IS und aufgrund der Schwäche ihrer eigenen Streitkräfte den westlichen Helfern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Genau aus diesem Grund hat Obama dem schnellen Anwachsen, der regionalen Ausbreitung und den Greueltaten der Islamisten monatelang zugesehen. In einem Gespräch mit Thomas L. Friedman, das die New York Times am 8. August veröffentlichte, bekannte der Präsident sich zu dieser Abwartetaktik: »Der Grund, daß wir nicht sofort mit flächendeckenden Luftangriffen quer über den gesamten Irak begonnen haben, sobald ISIL auftauchte, liegt darin, daß das den Druck von Maliki genommen hätte.« ISIL ist eine andere Bezeichnung für den IS. Maliki ist der frühere schiitische Präsident Iraks, der von Washington zum Rücktritt genötigt wurde.

In militärischer Hinsicht ist die sich jetzt formierende Koalition ineffektiv und irrelevant: Sie schafft keine größere Schlagkraft. Für die Islamisten stellt die Allianz des gesamten Westens mit den autoritären arabischen Regimes einen enormen Prestigegewinn dar. Obamas Idee, die sunnitischen Staaten der arabischen Halbinsel in die Konflikte zwischen den zerstrittenen Bevölkerungsgruppen Iraks hineinzuziehen, bei gleichzeitiger strikter Ausgrenzung des schiitischen Iran, repräsentiert die für die US-Außenpolitik typische Mischung aus hoher krimineller Energie und grenzenloser Dummheit.

Das hier entstehende Kriegsbündnis dient darüber hinaus einem strategischen Zweck, wie Obama am vorigen Mittwoch in einer Fernsehrede offenbarte: »Die amerikanische Führungsrolle ist die einzige Konstante in einer unsicheren Welt. Es ist Amerika, das die Fähigkeit und den Willen hat, die Welt gegen die Terroristen zu mobilisieren. Es ist Amerika, das die Welt gegen die russische Aggression um sich gesammelt hat…«

*** Aus: junge Welt, Dienstag 16. September 2014 (Kommentar)


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