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Zurück in den Irak

Republikanische US-Politiker wollen bis zu 20.000 amerikanische Soldaten zu Kampfeinsätzen gegen den IS schicken

Von Knut Mellenthin *

Immer mehr Republikaner fordern eine robuste Verstärkung der US-Truppen im Irak. Die traditionellen Sonntags-Talkshows gaben vielen rechten Politikern, darunter den wichtigsten Bewerbern für die Präsidentenwahl im nächsten Jahr, Gelegenheit zur wortradikalen Selbstdarstellung. Sogar Senator Rand Paul, den manche naiven Europäer immer noch mit seinem Vater Ron Paul verwechseln, der dem klassischen amerikanischen »Isolationismus« verpflichtet und daher ein entschiedener Kriegsgegner ist, spricht sich jetzt jetzt für »Boots on the ground« aus. Gemeint ist der Einsatz von Bodenkampftruppen.

Gegenwärtig sind im Irak zwischen 3.000 und 4.000 Angehörige der US-Streitkräfte als »Ausbilder« und »Berater« stationiert. Nach Darstellung amerikanischer Medien befinden sie sich alle weit von den Kampfzonen entfernt. Diese Version wird durch die Tatsache bestätigt, dass bisher noch keine Verluste durch feindliches Feuer gemeldet wurden. Einer der führenden republikanischen Hardliner, Senator Lindsey Graham, möchte ihre Zahl auf 10.000 erhöhen und sie etwas stärker in die Kämpfe einbinden. Beispielsweise als frontnahe Einweiser für Bombenangriffe. Sein Kollege John McCain, der mit Graham oft im Duett auftritt, brachte die Zahl 20.000 ins Spiel. Dazu sollten seiner Ansicht nach auch Spezialkommandos für direkte militärische Operationen gegen »hochwertige Ziele« des »Islamischen Staats« (IS), wie etwa Kommandozentralen, gehören. Exsenator Rick Santorum, der sich schon einmal 2012 um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewarb, will den IS »ins siebente Jahrhundert zurückbomben«, da die Fundamentalisten einen Islam des siebenten Jahrhunderts anstrebten. Er ignoriert, dass man zwar ganze Landstriche zumindest um Jahrzehnte »zurückbomben« kann, aber nicht eine Kampforganisation. Die zynische und scheinbar gedankenlose Brutalität seiner Sprache erinnert an die Ankündigung US-amerikanischer Generäle in den 1960er Jahren, »Vietnam in die Steinzeit zurückzubomben«.

Eigene Soldaten erneut zu Kampfeinsätzen in den Irak zu schicken, das ist allerdings in den USA selbst unter Anhängern der Republikanern ein sensibles Thema, bei dem taktische Vorsicht geboten ist. Daher stellen die meisten republikanischen Politiker die Forderung in den Vordergrund, kurdische und sunnitische Hilfskräfte sehr viel besser und umfangreicher auszurüsten als bisher, und zwar ausdrücklich nicht nur unabhängig von der Regierung in Bagdad, sondern auch gegen deren Willen. Am stärksten exponierte sich am Sonntag beim neokonservativen Sender Fox News der ehemalige Botschafter der USA bei der UNO, John Bolton, selbst bekennender Neocon und uneingeschränkter Unterstützer der aggressivsten Kreise Israels. Bolton sprach sich dafür aus, den Westen Iraks und den Osten Syriens zu einem neuen Staat zusammenzufügen, der von »gemäßigten« oder zumindest nicht extrem radikalen Islamisten geführt werden solle. Der kurdische Norden Iraks sei praktisch ohnehin schon ein eigener Staat. Was dann vom Irak noch übrigbleibe, nämlich der überwiegend schiitische Landesteil, sei »einfach nur ein Satellit Irans« und verdiene keine Hilfe der USA.

Seit August vorigen Jahres greifen die Vereinigten Staaten vermutete Stellungen des IS im Irak aus der Luft an. Im September wurde der Luftkrieg auf Syrien ausgeweitet. Begleitet wurde das durch selbstgefällige, inhaltlich armselige rhetorische Intermezzi von US-Präsident Barack Obama unter dem Motto »Wir siegen«. Erst kürzlich verbreitete das Pentagon eine Karte, die die großen Geländeverluste des IS demonstrieren sollte. Wenig später eroberte die fundamentalistische Terrororganisation Palmyra in Syrien und Ramadi im Irak. Für die jüngsten Niederlagen machen Obama und sein Verteidigungsminister Ash Carter den fehlenden Kampfgeist der irakischen Truppen verantwortlich. Politiker des Zweistromlandes wiesen das mit dem Vorwurf zurück, die USA hätten, was die Lieferung von Waffen und die Angriffe auf IS-Stellungen angeht, bei weitem nicht genug für die Verteidigung von Ramadi getan.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 26. Mai 2015


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