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Maliki siegessicher

Irak: Nach der Parlamentswahl hat das Warten auf die Ergebnisse begonnen

Von Karin Leukefeld *

Nach den am 30. April durchgeführten Parlamentswahlen im Irak zeigt sich Ministerpräsident Nuri Al-Maliki sicher, eine dritte Amtszeit antreten zu können. »Unser Sieg ist sicher«, sagte Maliki bereits, als er am vergangenen Mittwoch im Raschid-Hotel nahe der »Grünen Zone« in Bagdad seine Stimme abgab. Da erste vorläufige Ergebnisse erst in zwei Wochen erwartet werden, fügte Maliki hinzu, man werde »abwarten, um zu sehen, wie groß unser Sieg« ausfallen werde.

Trotz zahlreicher Anschläge mit Todesopfern hatten die Iraker am Mittwoch landesweit mit stoischer Gelassenheit in langen Schlangen vor den Wahlzentren gewartet. Für die 328 Sitze des Parlaments waren 9000 Kandidaten angetreten. Nach einem in der Verfassung verankerten Quorum gehen 25 Prozent der Sitze an Frauen. Auch für religiöse Minderheiten in dem mehrheitlich muslimischen Land gilt eine entsprechende Regelung. Von 20,5 Millionen wahlberechtigten Irakern nahmen 60 Prozent an der Abstimmung teil, für die erstmals elektronische Wahlpässe eingeführt worden waren. Das allerdings führte zu großen Problemen, da lediglich 17,27 Millionen Ausweise rechtzeitig an die Wähler ausgegeben worden waren.

Geht es nach der Kritik, die in der Bevölkerung an der Amtsführung Malikis geübt wird, dürfte er sich seines Sieges keineswegs sicher sein. In den acht Jahren seiner bisherigen Amtszeit hat sich die Versorgungslage im Land kaum verbessert. Außerhalb und am Rande Bagdads fehlt es an Strom und Wasser, an Wohnraum, ausgebauten Straßen und einer funktionierenden Kanalisation. Das Bildungssystem ist weitgehend konfessionell zersplittert. Im Gesundheitswesen mangelt es an Vor- und Nachsorge, an modernen Geräten und gut ausgebildeten Ärzten und Pflegepersonal. Dafür nehmen Korruption und Vetternwirtschaft immer größere Ausmaße an, während Maliki insbesondere den Militär- und Sicherheitsapparat unter seine Kontrolle gebracht hat. Viele Iraker werfen ihm vor, »genau wie Saddam Hussein« geworden zu sein.

Wachsendes Ansehen genießt dagegen der Block von Muktada Sadr, der sich persönlich nicht mehr politisch betätigen will. Die von ihm gegründete Sadr-Bewegung, die sich heute »Ahrar« nennt, stellt bereits die Gouverneure von Bagdad und Meysan. Diese zeichnen sich in den Augen der Bevölkerung durch Transparenz und Engagement in ihrer Amtsführung aus. Amtszeichen von Ali Dwai, dem Gouverneur der Provinz Meysan, ist ein Blaumann, mit dem er täglich mehr Zeit auf Baustellen und mit der Bevölkerung verbringt als in seinem Gouverneurssitz in Amara. Ein in Frankfurt lebender Iraker sagte am Wahltag, für ihn habe Dwai »echte Chancen gegen Maliki«, sollte er im neuen Parlament als Gegenkandidat nominiert werden. »Ahrar« hat sich mit dem »Hohen Islamischen Rat« (ISCI) gegen den Maliki-Block zusammengeschlossen. Unter dem Namen »Muwatin« (Bürger) hat das religiös schiitisch-muslimisch ausgerichtete Bündnis auch säkulare Kandidaten und Kandidatinnen aufgestellt.

Viel Kritik an Maliki kommt aus den Reihen der westirakischen Stämme, die mehrheitlich sunnitische Muslime sind. Der prominente Vorsitzende der Vereinigung muslimischer Gelehrter, Harith Al-Dhari, bezeichnete im Interview mit Al-Dschasira die bewaffneten Aktionen der westirakischen Stämme um Falludscha als Widerstand gegen die Ausgrenzungspolitik von Ministerpräsident Maliki. Der Al-Dhari-Stamm stellte bereits zu Zeiten der britischen Besatzung in den 1920er Jahren führende Widerstandskämpfer. Sunnitisch-muslimische Parteien haben sich u.a. in dem Bündnis »Mutahidun« (Einigkeit) um den Parlamentssprecher Osama Al-Nudschaifi versammelt.

Die Liste »Al-Irakia«, die bei den letzten Wahlen 2010 die Mehrheit im Parlament erreicht hatte, ist inzwischen in drei konkurrierende Listen auseinandergefallen. Ihr damaliger Spitzenkandidat Ijad Allawi dürfte mit seiner Partei »Al-Watanija« kaum Chancen gegen Maliki haben. Ebenso wie seine Liste ist auch die von Geschäftsleuten gegründete »Irakische Koalition« säkular ausgerichtet. Linke und sozialistische Parteien sowie die Irakische Kommunistische Partei haben sich in der »Zivildemokratischen Allianz« zusammengeschlossen.

Die große Vielfalt der irakischen Parteien läßt vermuten, daß das Wahlergebnis nicht eindeutig ausfallen wird. Beobachter erwarten erneut monatelange Verhandlungen über die Bildung einer neuen Regierung.

Wenige Überraschungen werden dagegen aus den kurdischen Autonomieprovinzen erwartet, wo gleichzeitig Regionalwahlen durchgeführt wurden. Viel kritisiert, aber unangefochten an der Macht bleibt vermutlich die »Demokratische Partei Kurdistans« (KDP), gefolgt von »Goran«, der Bewegung für Wandel, die seit den letzten Wahlen ihre Position vor der »Patriotischen Union Kurdistans« (PUK) gefestigt hat.

* Aus: junge Welt, Montag, 5. Mai, 2014


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