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Top-Ereignisse 2006: Iran und das gefährliche Spiel mit der Atombombe

Das iranische Atomprogramm aus Sicht der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti

Von Pjotr Gontscharow, RIA Novosti *

Das Geschehen um den Iran kann mit gutem Recht zu den zehn wichtigsten Ereignissen des Jahres gezählt werden. Präsident Mahmud Ahmadinedschad sorgte allen voran für reichlich Konfliktstoff: vom iranischen Nukleardossier über Holocaust-Konferenz bis zur israelfeindlichen Rhetorik.

Kurz gesagt, machte Iran von sich als von einer neuen regionalen Supermacht, einem Schlüsselspieler im Nahen Osten reden.

Die Hauptfrage bleibt weiterhin das iranische Atomprogramm. Dafür gibt es allerlei Gründe. Denn das Schicksal des Vertrags über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen ist dabei aufs Spiel gesetzt worden.

Jetzt besteht schon kein Zweifel mehr: Wenn der Iran sein Atomprogramm in der angekündigten Form umsetzt - auf der Grundlage eigener Technologien bei der Anreicherung von Nuklearbrennstoff -, wird das Prinzip der Nichtweiterverbreitung faktisch aufgekündigt. Der Kernwaffensperrvertrag (Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen) kann danach wohl begraben werden. Der iranische Faktor würde dann nach dem Dominoprinzip wirken. Dem Beispiel Irans würden sofort Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien folgen, was sie bereits angekündigt haben.

Es geht letzten Endes nicht darum, ob Iran eine Atombombe haben wird oder nicht. Möglicherweise wird es gar keine Bombe geben, und Iran wird sie höchstwahrscheinlich nicht entwickeln. Doch es wird nur einen kleinen Schritt von ihrer Entwicklung entfernt sein. Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien werden ebenfalls einen Schritt von der Entwicklung einer eigenen Atombombe entfernt sein. Dabei verspricht Teheran, Kuweit und natürlich auch Syrien seine Atomtechnologien zu vermitteln. Es ist leicht vorstellbar, in was für ein Pulverfass sich diese Region mit allseits bekannten 200 nuklearen Gefechtsköpfen verwandeln würde.

Es gibt zweifellos Gründe, über die Ausrichtung des iranischen Atomprogramms und über die Echtheit seiner friedlichen Bestimmung besorgt zu sein. So ist der bereits gestartete Urananreicherungswerk in Natanz für 54 000 Zentrifugen ausgelegt. Freilich sind nur noch zwei Kaskaden von je 164 Zentrifugen in Betrieb gegangen, aber Teheran beabsichtigt, den gesamten Komplex in Gang zu setzen. Es stellt sich sofort die Frage: Mit welchem Zweck?

Russischen Nuklearexperten zufolge wird eine solche Zahl von Zentrifugen es Iran gestatten, eigenen Nuklearbrennstoff für ganze 20 AKW-Blöcke gleichzeitig herzustellen. Einstweilen ist in Iran die Inbetriebnahme nur eines Blocks vorgesehen, der jetzt in Bushehr gebaut wird. Sein Start ist im September und die Inbetriebnahme im November geplant. Der Bau der anderen 19 Blöcke hat eine langfristige Perspektive.

Zugleich könnten diese 54 000 Zentrifugen laut Experten auf Wunsch oder, wie man in solchen Fällen sagt, beim politischen Willen es den Iran ermöglichen, in höchstens zwei Wochen fünf bis sieben nukleare Sprengsätze herzustellen.

Es wird also klar, warum die Internationale Agentur für Atomenergie, ein allgemein anerkanntes Organ für die Kontrolle über die Entwicklung von Nukleartechnologien, keine Garantien für den friedlichen Charakter des iranischen Atomprogramms geben will. Allerdings kann es seine militärische Ausrichtung nicht bestätigen. Die IAEO hat jetzt mehrere Fragen an Teheran, das immer noch keine Antworten gegeben hat. Eine solche Antwort könnte eine Garantie für den friedlichen Charakter des iranischen Atomprogramms bieten. Leider ist dem nicht so... Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm sind ebenso wie die unendlichen Diskussionen von Experten, Politologen etc. - besonders vor dem Hintergrund der geschickten, in „persischer Zierschrift“ ausgeführten Diplomatie von Teheran - geradezu zu einer spannenden Krimiserie geworden. Dabei handelt ist es nicht um eine Nichtigkeit: Der UN-Sicherheitsrat setzt für Teheran unter Sanktionsandrohung für den 31. August den Termin fest, die Arbeiten an der ersten Kaskade von 164 Urananreicherungs-Zentrifugen zu beenden. Es vergehen mehr als drei Monate. Inzwischen hat Iran bereits eine zweite Kaskade von 164 Zentrifugen in Gang gesetzt. Für Ende März 2007 verspricht Teheran, insgesamt 3000 Zentrifugen zu starten. Klar ist das ein Bluff, der Eindruck machen soll, und nichts weiter. Iran hat heute einfach keine solchen Möglichkeiten. Aber es ist bisher kaum jemandem gelungen, dem Sicherheitsrat ein solches Schnippchen zu schlagen.

Die immer neuen Aussagen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, denen zufolge die iranische Nation „ihre große Entscheidung getroffen hat und mit Würde ihren Weg geht“ und Teheran jede Resolution des UN-Sicherheitsrates über Sanktionen „als einen feindlichen Schritt“ bewerte, ist eher eine Prahlerei, an die man sich allmählich gewöhnt.

Teheran hat zweifellos Angst vor Sanktionen. Ein Beweis dafür ist die denkwürdige und unerwartete Visite des iranischen Sicherheitssekretärs Laridschani in Moskau, die kurz vor dem geplanten Kurzbesuch von US-Präsident Bush in Moskau stattfand. Teheran hatte befürchtet, dass Bush seinen Amtskollegen Putin zu harten Sanktionen überreden könnte. Teheran brauchte Unterstützung von Russland, die es auch erhielt. Aber nichts kann ewig dauern. Diese Unterstützung sollte, wie Wladimir Putin die Position Russlands später erläuterte, Teheran dazu bringen, im Dialog mit der IAEO die noch offenen Fragen mit der Atomenergiebehörde zu klären und dadurch das Vertrauen für den friedlichen Charakter seiner Anstrengungen im Nuklearbereich wiederherzustellen. Doch nach allem zu urteilen, ist Teheran - zumindest jetzt - noch nicht darauf eingestellt, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Die Abstimmung über den Resolutionsentwurf zu Iran im UN-Sicherheitsrat war für den 24. Dezember angesetzt. Die ständigen Vertreter der „Sechsergruppe“ für Iran (Großbritannien, Deutschland, China, Russland, USA und Frankreich) bei der UNO konnten sich bis zuletzt nicht über konkrete Sanktionen einigen, die gegen Iran verhängt werden sollten. Der Entwurf der „Euro-Troika“, die im Namen der EU mit dem Iran verhandelt, unterschied sich von der russischen Position. Dennoch wurden Sanktionen von allen Sicherheitsratsmitgliedern einstimmig beschlossen. Wie es scheint, wird der Iran - egal, ob mit oder ohne Sanktionen, - auf dem internationalen Schauplatz weiterhin eine Schlüsselrolle spielen. Das ist das Hauptergebnis der Geschichte mit dem iranischen Nukleardossier.

* Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 11. Januar 2007;
http://de.rian.ru


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Trotz UN-Resolution: Iran installiert weitere Zentrifugen für Urananreicherung

TEHERAN, 15. Januar (RIA Novosti). Ungeachtet der UN-Resolution setzt der Iran die 3 000 Zentrifugen für Urananreicherung weiter in Betrieb.

„Wir wollen selbstständig Kernbrennstoff produzieren und brauchen hierfür mehr als 3 000 Zentrifugen für Urananreicherung“, erklärte der iranische Regierungssprecher Gholam-Hussein Elham am Montag vor Journalisten. Um seinen Energiebedarf zu decken, müsse der Iran 10 000 MW Kernenergie erzeugen. „Die atomaren Aktivitäten der Islamischen Republik erfolgen unter Kontrolle der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO)“, erklärte der Sprecher weiter. „Wir nähern uns unserem Ziel (industriemäßige Produktion von Kernbrennstoff) und werden beliebige Hindernisse überwinden, die sie (der Westen) uns in den Weg legen werden“, betonte er.

Iran besteht auf seinem Recht, über den vollständigen Kernbrennstoffkreislauf einschließlich Urananreicherung verfügen zu dürfen. Die Weltgemeinschaft befürchtet, dass Teheran sein Atomprogramm zur Entwicklung von Atomwaffen nutzen könne. Die so genannte Sechser-Gruppe (die fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrats und Deutschland) fordert den Iran zur Einstellung sämtlicher Urananreicherungsaktivitäten auf.

Mitte April hatte Teheran amtlich bekannt gegeben, dass die Spezialisten in Natanz Uran bis zu einem Grad von 3,5 Prozent Anteile des Isotops U-235 anreichern konnten. Dieses niedrig angereicherte Uran sei für die Produktion von Brennstoff für Atomkraftwerke notwendig.

Einen Monat später erklärte der Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Gholamreza Aghazadeh, den iranischen Atomforschern sei es gelungen, Uran auf einen 4,8-prozentigen Gehalt des Isotops Uran-235 anzureichern.

Der Iran plant zum 20. März dieses Jahres 3 000 Uran-Anreicherungszentrifugen zu bauen. Künftig sollen insgesamt 60 000 Zentrifugen für Urananreicherung in Betrieb gesetzt werden, kündigte der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad an. Gegenwärtig sind in der iranischen Nuklearanlage Natanz insgesamt 328 Zentrifugen in Betrieb.

Am 23. Dezember 2007 hatte der Weltsicherheitsrat einhellig für eine Iran-Resolution gestimmt, die Sanktionen gegen militärische Atomprogramme vorsieht. Die Sanktionen zielen auf Tätigkeiten ab, die mit der Urananreicherung, dem chemischen Reprocessing, Schwerwasser-Projekten und mit der Produktion von Kernwaffenträgern zusammenhängen. Iran kritisierte die Resolution und drohte, seine Beziehungen mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) zu revidieren.

Am 23. Februar 2007 soll die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) dem UN-Sicherheitsrat einen Bericht zum „iranischen Atomdossier“ vorlegen.

Quelle: RIA Novosti, 15. Januar 2007



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