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Rätsel um ein Machtwort

Irans Revolutionsführer lehnt Gespräche mit den USA ab. Aber wie meint er das?

Von Knut Mellenthin *

Die Bedingungen für Gespräche mit den USA werden nur vom Führer der Islamischen Revolution – Ajatollah Sejed Ali Khamenei – festgelegt und nicht von irgendeinem anderen Individuum in anderen Teilen des Machtapparats.« Diese Klarstellung des obersten Juristen Irans, des Ajatollah Sadeq Amoli Laridschani, erfolgte am Sonntag (22. Aug.). Sie richtet sich unverkennbar vor allem gegen Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Der Ajatollah ist ein Bruder des Parlamentspräsidenten Ali Laridschani, der im Oktober 2007 wegen Meinungsverschiedenheiten mit Ahmadinedschad sein Amt als Chefunterhändler im Atomstreit niederlegte.

Khamenei hatte am vorigen Mittwoch (18. Aug.) eine lange Rede gehalten, die sich mit einer Reihe von innen- und außenpolitischen Problemen beschäftigte. Die Verlautbarungen der US-Regierung, zu Gesprächen mit dem Iran bereit zu sein, bezeichnete der Ajatollah als »Wiederholung eines bekannten Szenarios«. In der Vergangenheit habe man mit den Amerikanern Verhandlungen über zwei Themen geführt, nämlich über Irak und noch ein – nicht genauer bezeichnetes – anderes, womit vermutlich der Kampf gegen Al-Qaida gemeint war. Die US-Regierung habe diese Kontakte einseitig abgebrochen und »ihre Zuflucht zur Gewalt genommen«.

Die iranische Regierung habe daraufhin entschieden, Verhandlungen mit den USA auszuschließen, »weil wir Gespräche im Schatten von Drohungen und Druck nicht als sinnvollen Dialog ansehen«. Iran sei stets offen für Verhandlungen, aber nicht mit den USA. Das werde sich nur ändern, falls die US-Regierung von Drohungen, Sanktionen und der vorherigen Festlegung des Verhandlungsergebnisses ablassen würde.

Aus der Rede des Ajatollah wurde indessen nicht klar ersichtlich, ob sich dieses Verdikt nur auf bilaterale Gespräche mit den USA beziehen soll oder ob es eine grundsätzliche Ablehnung sämtlicher Verhandlungsformate bedeutet, an denen die Vereinigten Staaten beteiligt sind. Das beträfe zum einen die Gespräche mit den Iran-Sechs, nämlich China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Rußland und USA. Es könnte darüber hinaus aber auch die Wiener Gruppe betreffen, die aus den USA, Rußland, Frankreich und der Internationalen Atomenergie-Behörde IAEA besteht. Dieses Quartett ist Irans Partner bei den Verhandlungen über den »fuel swap«. Dabei geht es um die Lieferung von Brennelementen für einen medizinisch genutzten Reaktor in Teheran im Tausch gegen eine gleichwertige Menge schwach angereichertes Uran.

Da Khamenei gegen diese Verhandlungen bisher kein Veto eingelegt hat, ist davon auszugehen, daß seine Äußerungen sich nur auf bilaterale Kontakte bezogen. Präsident Barack Obama hatte dieses Thema am 4. August bei einem Treffen mit ausgewählten US-amerikanischen Journalisten angesprochen. Er bezog sich dabei speziell auf Afghanistan, wo die USA und der Iran »gemeinsame Interessen« hätten. Parlamentspräsident Ali Laridschani hatte dies am 15. August als »unannehmbar« und »betrügerisch« zurückgewiesen. Einige iranische Politiker drückten sich noch schärfer aus, indem sie Obama vorwarfen, er wolle ihr Land »in den Afghanistan-Krieg hineinziehen«. Daß der Führer der Islamischen Revolution es dennoch für geboten hielt, dazu ein autoritatives Statement abzugeben, deutet allerdings darauf hin, daß das Thema umstritten ist.

* Aus: junge Welt, 24. August 2010


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