Es gärt unter Irans Arbeitern
Wachsender Protest gegen die Wirtschaftspolitik Ahmadinedschads
Von Birgit v. Criegern *
Fürs Ausland spielt der iranische Präsident Mahmud Amadinedschad gern den starken Mann. Doch
im Inneren wächst die Kritik an ihm, und Arbeiter protestieren gegen ihre Entrechtung.
Während man im Weißen Haus weiterhin nach einer Begründung für einen militärischen Überfall auf
Iran sucht und hierfür auch kriegsunwillige Mitglieder des Kongresses gewinnen will, verschärft sich
in Iran selbst die innenpolitische Situation. »Mehr und mehr unbeliebt aufgrund seiner
wirtschaftlichen Inkompetenz« – so wird der iranische Präsident vom unabhängigen französischen
Iran-Press-Service gesehen.
»Es ist fraglich, ob Ahmadinedschad seine Amtszeit übersteht«, meint sogar der Publizist Bahman
Nirumand: Hatte der Präsident noch vor der Wahl versprochen, Brot auf jeden Tisch zu bringen, so
zeige sich nun, dass er bis heute nichts gegen die Armut unternommen hat. Die Inflation sei
gestiegen, die Arbeitslosigkeit nicht ansatzweise gesenkt worden. Ausländische Investoren hätten
sich fast komplett aus dem Land zurückgezogen. Einen Beitrag dazu leiste jetzt auch die
Kriegspropaganda der USA. »Im Grunde«, so Nirumand, »sehen wir bereits, wie die angedrohten
wirtschaftlichen Sanktionen vollzogen werden.« So hat erst kürzlich der Konzern DaimlerChrysler
seine Aktivitäten in der islamischen Republik eingestellt.
Dabei drängt selbst das religiöse Oberhaupt Ali Khamenei schon seit drei Jahren per Fatwa auf eine
verstärkte Privatisierung im Land. Der iranische Präsident legt es jedoch, so meint Nirumand, lieber
darauf an, mit seiner außenpolitisch auftrumpfenden Sprache »als Held wahrgenommen zu werden,
der dem Westen trotzt«. Es sei damit zu rechnen, dass Washington im Falle eines Krieges gegen
Iran nur einen Schulterschluss der Bevölkerung mit ihrem Präsidenten und der Mullah-Regierung
erreichen würde.
Die Privatisierung der Wirtschaft in Iran ist kein neues Thema. Nach dem Krieg mit Irak hatte der
damalige Präsident Rafsandschani eine solche schon beschlossen. Um dies zu erreichen, errichtete
er freie Wirtschaftszonen. Doch ein Aufschwung bei ausländischen Investitionen blieb aus.
Stattdessen kamen erhebliche Probleme auf die arbeitende Bevölkerung zu, meint die Berliner
Gruppe der Solidarität mit den iranischen Arbeitern. »Die Privatisierung diente bislang nur der
Bereicherung von Investoren, die aus dem geistlichen und militärischen Regierungspersonal
stammten«, findet Nader Sadeh, Mitglied der Exil-Gruppe, die seit langer Zeit die iranischen
Arbeitskämpfe verfolgt und öffentlich macht. Bislang habe »die wilde Privatisierung in Iran nur für
eine Entrechtung der Arbeiter« gestanden. Verschleppte oder ausbleibende Lohnzahlungen und
kurzzeitige Arbeitsverträge, nach dem Motto »Heuern und feuern« seien an der Tagesordnung.
Der Widerstand der Beschäftigten und ihr Streben, sich zu organisieren, sind unter Ahmadinedschad
gewachsen. Rund 1200 Protestaktionen von Arbeitern gab es im vergangenen Jahr nach
Informationen der Solidaritätsgruppe. Streiks sind in Iran verboten; dennoch legten unlängst 12 000
Beschäftigte der Karun-Gesellschaft, eines Agrarunternehmens, wegen Ausbleibens der Gehälter
die Arbeit nieder.
Nicht respektiert wird die Vereinsfreiheit. Der Islamische Arbeiterrat erfüllt die staatliche Alibi-
Funktion einer Gewerkschaftsorganisation. Versuche, unabhängige Gewerkschaften zu gründen,
werden unterdrückt. So wurde im vergangenen Jahr die Protestkundgebung der Vahed-
Busgesellschaft von Teheran brutal niedergeschlagen, ihr Vorsitzender, Mansour Ossanlou, wurde
inhaftiert und gefoltert. Bei der Kundgebung und dem anschließendem Streik ging es ebenfalls um
das Ausbleiben von Lohnzahlungen. Ossanlou wurde nach Zahlung einer hohen Kaution und auf
internationalen Druck, zum Beispiel der Föderation der Internationalen Transportgewerkschaft, im
Dezember freigelassen.
Nader Sadeh betont: »Wir wollen die Uhr in Iran nicht zurückdrehen, sondern menschenwürdige
Verhältnisse für die arbeitende Bevölkerung erreichen. Darum kämpfen wir für das Arbeits- und
Streikrecht der iranischen Arbeiter und für soziale Gerechtigkeit.« Deshalb hat die Gruppe auch den
streikenden Airbus-Beschäftigten einen solidarischen Gruß geschickt.
* Aus: Neues Deutschland, 21. März 2007
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