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Empfindliche Stelle Irans getroffen

Anschlag auf Revolutionsgarde lässt Spannungen zwischen Teheran und Islamabad steigen

Von Jan Keetman, Istanbul *

Nach dem schweren Anschlag auf Offiziere der Revolutionsgarde hat der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad Pakistan beschuldigt, in das Attentat verwickelt zu sein. Teheran verlangt zudem von Pakistan die Auslieferung des Anführers der sunnitischen Rebellengruppe Dschundallah, Abdolmalik Rigi.

Iran sei darüber informiert, dass »einige Sicherheitsagenten in Pakistan« mit den terroristischen Elementen kooperieren, die für den Anschlag verantwortlich seien, sagte Ahmadinedschad und forderte von Pakistan die Auslieferung »dieser Kriminellen«. Pakistan wies die Vorwürfe umgehend zurück. Nach Angaben seines Büros verurteilte Ministerpräsident Syed Yusuf Raza Gilani die Tat als »schrecklichen Terrorakt«.

Am Sonntag (18. Okt.) hatten zwei Selbstmordattentäter ein Blutbad angerichtet, als sich Kommandanten der iranischen Revolutionsgarde mit Stammesführern treffen wollten. Nach neueren Angaben starben 49 Menschen bei dem Anschlag, darunter fünf hohe Kommandeure der Revolutionsgarde. Der Anschlag ereignete sich nahe der pakistanischen Grenze.

Nach Darstellung iranischer Medien hat sich die sunnitische Gruppe Dschundallah (Soldaten Allahs) zu dem Anschlag bekannt, die bereits früher Attentate auf die Revolutionsgarde verübt hat. Auch ein Terrorakt gegen eine schiitische Moschee in Zahedan nahe der Grenze zu Afghanistan und Pakistan im Mai wird der Dschundallah angelastet. Dabei starben 25 Menschen und 80 wurden verletzt. Kurz darauf wurden drei mutmaßliche Mitglieder der Organisation gehängt und etwas später zehn weitere. Auch nach dem Anschlag am Sonntag hat Iran rasche Vergeltung angekündigt. Beschuldigt wird von Iran nicht nur Pakistan. Der Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte der Revolutionsgarde, Mohammed Pakpur, behauptete, festgenommene Mitglieder der Dschundallah hätten ausgesagt, dass die Gruppe in den Nachbarländern vom US-amerikanischen und vom britischen Geheimdienst ausgebildet und bewaffnet werde.

Die Revolutionsgarde ist das eigentliche Schwert der Islamischen Republik Iran und ein Angriff dieses Ausmaßes auf die Garde hat daher auch symbolische Bedeutung. Die Provinz Sistan und Belutschistan, in der sich der Anschlag ereignete, gehört zu den Problemgebieten Teherans.

Die Provinz ist halb so groß wie Deutschland, hat aber nur zweieinhalb Millionen Einwohner. Ethnische Gegensätze zwischen den einheimischen Belutschen und den Persern lassen sich ebenso ausbeuten wie der religiöse Gegensatz zwischen den einheimischen Sunniten und der auf der Grundlage der Schia errichteten Islamischen Republik Iran. Wegen der Größe des Landes und der guten Bewaffnung der Drogenhändler gelingt es der Zentrale nicht, den Drogenschmuggel aus Afghanistan und zu einem geringeren Teil aus Pakistan zu unterbinden. Mit den Schmugglern können auch Waffen die Grenzen passieren.

Wer genau hinter der Dschundallah steht, ist für Spekulationen offen. Es gibt Mutmaßungen über Verbindungen zu den Taliban oder Al Qaida. Ziemlich sicher ist, dass Dschundallah auch über ein Netz von Beziehungen innerhalb der Stammesstrukturen der Belutschen beiderseits der Grenze verfügt und direkt oder indirekt vom Drogenschmuggel profitiert.

Die politischen und militärischen Frontverläufe in der Region sind wirr. Die Taliban kämpfen gegen die NATO in Afghanistan und gegen die Regierung in Pakistan. Das iranische Regime hegt nicht die mindeste Sympathie für die sunnitischen Taliban und legt sich nun wegen des Anschlages auch mit Pakistan an.

Die Dschundallah kämpft gegen Iran, wie sie aber zu den anderen Mächten in der Region steht, ist nicht so klar.

Dieses Durcheinander weist in die Richtung auf weitere Destabilisierung der ganzen Region rund um Afghanistan, die langfristig sogar das Ende von Staaten bedeuten könnte, die sich heute dort befinden. Profitieren von diesem Chaos können vor allem zwei Gruppen: die Taliban und die Drogenhändler.

* Aus: Neues Deutschland, 20. Oktober 2009


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