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"Nur derjenige, der Atomwaffen besitzt, läuft keine Gefahr, von den Vereinigten Staaten angegriffen zu werden"

Bundestagsdebatte über die Haltung der Bundesregierung im Streit um das iranische Atomprogramm

Am 17. Februar debattierte der Deutsche Bundestag über die Politik gegenüber dem Iran. Der Debatte lagen zwei Anträge zu Grunde:
Ein Antrag der Fraktion der LINKEN (BT-Drucksache 16/452), "Weiter verhandeln - kein Militäreinsatz gegen den Iran", sowie eine Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drucksache 16/646), "Für ein friedliches Vorgehen im Konflikt über das iranische Atomprogramm - Demokratische Entwicklung unterstützen".
Im Folgenden dokumentieren wir die Debatte im vollen Wortlaut (nach dem vorläufigen Protokoll des Bundestags).



Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 sowie Zusatzpunkt 6 auf:
21 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Norman Paech, Wolfgang Gehrcke, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Weiter verhandeln - kein Militäreinsatz gegen den Iran
- Drucksache 16/452 -
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen Trittin, Winfried Nachtwei, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Für ein friedliches Vorgehen im Konflikt über das iranische Atomprogramm - Demokratische Entwicklung unterstützen
- Drucksache 16/651 -
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

Zwischen den Fraktionen ist verabredet, für die Beratung eine halbe Stunde vorzusehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Zunächst erteile ich das Wort dem Kollegen Oskar Lafontaine für die Linksfraktion.

(Beifall bei der LINKEN)

Oskar Lafontaine (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Behandlung dieses Tagesordnungspunktes befinden wir uns heute in einer ungewöhnlichen Situation, und zwar deshalb, weil innerhalb der großen Koalition gegenseitige Vorwürfe erhoben werden, die - wenn man die Erfahrungen der Republik der letzten Jahrzehnte betrachtet - nicht alltäglich sind.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)

Der kleine Koalitionspartner unterstellt dem größeren Koalitionspartner, dass die Vorsitzende militärische Optionen gegenüber dem Iran erwäge. Anders sind die Ausführungen und Auseinandersetzungen der letzten Tage nicht zu verstehen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Doch!)

Dass Sie versuchen, dies unter der Decke zu halten und gleich vielleicht wortreich bekunden, dass das alles gar nicht so sei, ist verständlich. Aber es ändert nichts an dem Sachverhalt, der öffentlich bekannt ist. Ich will das für unsere Fraktion so kommentieren: Entweder meint die SPD das ernst; dann würde ich mir als Sozialdemokrat die Frage stellen, ob ich mit so einer Kanzlerin in einer gemeinsamen Regierung sein möchte.

(Beifall bei der LINKEN)

Oder sie meint es nicht ernst; dann ist es zumindest ein verantwortungsloser Umgang mit diesem Thema. Denn das Thema ist zu ernst, als dass man es auf diese Art und Weise behandeln könnte. Ich will nun zum Thema selbst etwas sagen: Ich unterstelle der Kanzlerin nicht, dass sie auf militärische Optionen zielt.

(Dr. Karl Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Das ist ein Fortschritt!)

Ich will das hier im Deutschen Bundestag ausdrücklich festhalten. Die Frage ist allerdings, ob die Iranpolitik der Bundesregierung, wie sie derzeit angelegt ist, richtig ist, um solche militärischen Optionen nicht weiter zu befördern. Dazu von unserer Seite folgende Bemerkung: Wir glauben, dass die Politik des Westens gegenüber dem Iran im Grundsatz nicht aufrechtzuerhalten ist. Warum?
Erstens gibt es eine ganze Reihe von Staaten, die immer noch sagen: Wir selbst wollen Atomwaffen haben, wir verbieten es aber anderen, Atomwaffen herzustellen. Auf dieser Grundlage wird es keine atomare Abrüstung in der Welt geben. Es wird immer so sein, dass es Staaten gibt, die ebenfalls Atomwaffen haben wollen. Auf der Grundlage eines solchen Widerspruchs kann man keine friedliche Politik machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen ist es selbstverständlich, dass der Iran Atomwaffen anstrebt. Alles andere wäre völlig unrealistisch. Sie können in jeder Tageszeitung des Vorderen Orients und darüber hinaus nachlesen, dass die Staaten dort aus den kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre den Schluss gezogen haben: Nur derjenige, der Atomwaffen besitzt, läuft keine Gefahr, von den Vereinigten Staaten angegriffen zu werden. Ob es uns passt oder nicht, das ist die Haltung dort. Diese muss man zur Kenntnis nehmen. Deshalb ist es selbstverständlich, dass sie Atomwaffen anstreben.
Nun zum zweiten Widerspruch. Es ist nicht nur so, dass man eine Politik macht auf der Grundlage: Wir wollen Atomwaffen haben, ihr dürft sie nicht haben. Man sagt auch: Wir halten uns nicht an den Atomwaffensperrvertrag und euch verbieten wir, die Möglichkeiten des Atomwaffensperrvertrages zu nutzen. Wie kann man mit einer solch widersprüchlichen Politik überhaupt Frieden erreichen wollen?

(Beifall bei der LINKEN)

Die Anreicherung von Uran ist im Atomwaffensperrvertrag ausdrücklich erlaubt. Die gegenwärtigen Atommächte, die ihn unterschrieben haben - das liegt schon Jahrzehnte zurück -, haben sich bereit erklärt, international kontrolliert zu werden und vollständig abzurüsten. Wenn man sich vor Augen hält, dass sie den Atomwaffensperrvertrag gebrochen haben, dann erkennt man, dass auf dieser Grundlage der Frieden nicht erhalten und dieser Konflikt nicht geschlichtet werden kann.
Daher glaubt die Fraktion Die Linke, dass man vom Grundsatz her anders vorgehen muss: Wir müssen gegenüber dem Iran ein faireres Verhalten an den Tag legen, auch wenn sich das dortige Regime zurzeit tatsächlich auf eine Art und Weise verhält, die die Weltöffentlichkeit nicht akzeptieren kann. Deshalb fordern wir nach wie vor eine Friedenskonferenz für den Nahen Osten. Wir fordern allerdings auch, Gewaltverzicht gegenüber jedermann anzustreben und Nichtangriffsgarantien auszusprechen; das ist ganz entscheidend.

(Beifall bei der LINKEN)

Selbstverständlich streben wir ebenso die Garantie des Existenzrechts Israels an. Mit demselben Nachdruck setzen wir uns allerdings auch für die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates ein. Hier im Deutschen Bundestag möchte ich betonen, dass dies für uns eine genauso große Verpflichtung ist wie der Einsatz für die Anerkennung des Existenzrechts Israels.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn aufgrund unserer Geschichte haben wir auch gegenüber dem palästinensischen Volk eine Verantwortung.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Lafontaine, kommen Sie bitte zum Schluss.

Oskar Lafontaine (DIE LINKE):

Ja.
Mein letzter Punkt. Wie Sie dem von uns vorgelegten Antrag entnehmen können, sind wir der Meinung, dass wir die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Vorderen Orient anstreben sollten; dabei sollten wir das einbeziehen, was ich gerade gesagt habe. Auch wenn es um den Vorderen Orient geht, kann man nicht einfach sagen: Die einen dürfen Atomwaffen besitzen, die anderen nicht. So werden wir niemals Frieden erreichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Joachim Hörster.

Joachim Hörster (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht genau, wozu die Diskussion, die wir aufgrund der Anträge des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke in diesem Hohen Hause führen, dienen und wem sie nutzen soll.
Wenn ich mir den Gegenstand dieser Debatte und den Weg vor Augen führe, der bisher zurückgelegt worden ist, um dem iranischen Atomprogramm zu begegnen und dem Land zu helfen, auf den richtigen Weg zurückzukehren, dann sieht die gegenwärtige Situation, die sehr ernst ist, so aus: Die Europäische Union - vertreten durch die E 3 - und die USA, aber auch Russland und die Vereinten Nationen vertreten gemeinsam die Position, dass der Iran sein Nuklearprogramm, das darauf ausgerichtet ist, waffenfähiges Material herzustellen, beenden und sich vollständig der Kontrolle durch die Internationale Atomenergiebehörde unterstellen muss. Angesichts dessen, was der Kollege Lafontaine gesagt hat, muss ich mich ein bisschen wundern. Denn der größte Teil Ihrer Ausführungen findet sich in dem Antrag, den Sie von der Fraktion Die Linke vorgelegt haben, nicht wieder.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vor allem haben Sie sich in einem Widerspruch zu Ihrem Antrag verfangen. Denn dort heißt es:
Der Deutsche Bundestag appelliert an den Iran, die Drohungen gegenüber Israel unverzüglich einzustellen,

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das hat er doch gesagt!)

sich an seine Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Nichtverbreitung der Kernwaffen zu halten

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das hat er auch gesagt!)

und alles zu unterlassen, was zu einer Eskalation des Konflikts um sein Atomprogramm beitragen könnte.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ja, genau! Das alles hat er angesprochen! - Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Sie haben das nicht verstanden!)

- Nein, Sie haben vorhin gesagt, es sei unsinnig, an diesen Verpflichtungen des Atomwaffensperrvertrages festzuhalten, weil es in dieser Region und auch darüber hinaus viele Staaten gebe, die ebenfalls Atomwaffen besitzen wollten.

(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Er hat sogar gemeint, es sei selbstverständlich, Atomwaffen zu haben! - Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Lesen Sie doch das Protokoll nach!)

Meine Damen und Herren, wir sollten uns vergegenwärtigen, wie dieser Konflikt überhaupt entstanden ist - ich will jetzt allerdings nicht alle Stationen aufzählen -: Im Jahre 2003 hat die IAEO Teheran vorgeworfen, verschwiegen zu haben, bestimmte nukleare Materialien hergestellt und entsprechende Aktivitäten durchgeführt zu haben. Dann ist es zu Verhandlungen gekommen. Später hat die IAEO die Feststellung getroffen, dass waffenfähiges nukleares Material hergestellt worden ist, von dem auch Spuren nachgewiesen werden konnten. Letztlich mündete das Ganze in einer Erklärung Teherans, die dazu führte, dass die Urananreicherung im Iran ausgesetzt wurde.

Der Iran hat daraufhin ein Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag unterschrieben, dass er die Urananreicherung unterlassen werde. Allerdings hat er in der Folgezeit nur unzureichend mit der IAEO kooperiert, sodass es erneut zu Beanstandungen gekommen ist. Im Anschluss daran gab es das Pariser Abkommen. Aber im April 2005 - da liefen die Verhandlungen schon gut zwei Jahre - hat der Iran angekündigt, sein Programm zur Anreicherung von Uran wieder aufzunehmen. Der neue iranische Präsident Ahmadinedschad hat angekündigt, dass das Land an seinen Atomplänen festhalten werde; das war im Juni 2005. Im August 2005 hat der Iran die umstrittene Atomanlage Isfahan wieder voll in Betrieb genommen sowie Europa und die USA davor gewarnt, das Land im Atomstreit vor den Weltsicherheitsrat zu zitieren. Dabei ist der Weltsicherheitsrat nach den Regeln des Atomwaffensperrvertrages das Organ, das sich damit befassen muss, wenn sich ein Staat, der dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten ist, nicht an die Regeln hält. Es war ein ständiges Hin und Her. Im September 2005 hat der iranische Präsident bekräftigt, dass er am Atomprogramm festhalten werde. Er hat das umfangreiche Programm, das die EU ihm für den Verzicht auf sein Atomprogramm angeboten hat - umfängliche Wirtschaftshilfen und Kooperationen -, abgelehnt. Mit anderen Worten: Der Konfliktkurs gegenüber der internationalen Gemeinschaft ist eindeutig vom Iran gefahren worden.

Es ist schade, dass ich die Begründung des Antrages der Grünen erst am Ende der Debatte mitbekommen werde. Ich will aber auf diesen Antrag verweisen; denn er ist ausgesprochen lesenswert, was die Darstellung der Verhältnisse im Iran anbetrifft. Die Grünen schreiben:
Die Entwicklung des Iran während der Amtszeit des Präsidenten Khatami von 1997 bis 2005 war widersprüchlich: Einerseits gelang es den reformorientierten Kräften in der iranischen Zivilgesellschaft, sich sukzessive größere politische, gesellschaftliche und kulturelle Freiräume zu erobern. Andererseits blieb die fundamentale Machtstruktur des Staates unangetastet. Massive Menschenrechtsverletzungen waren weiterhin an der Tagesordnung, politische und bürgerliche Freiheitsrechte wurden weitgehend missachtet.
Dann schreiben Sie:
Innenpolitisch ist die Entwicklung im Iran seit der Wahl des Präsidenten Ahmadinedschad durch die Verschärfung der Verfolgung der Minderheiten, die Einschränkung gesellschaftlicher Freiräume und die wieder zunehmende Unterdrückung der Opposition gekennzeichnet.
Dann verweisen Sie auf den Fall Gandji und einige andere Fälle: Auch andere grundlegende politische Rechte werden im Iran regelmäßig missachtet. Jüngstes Beispiel ist die gewaltsame Verhinderung eines Streiks bei den Teheraner Verkehrsbetrieben.
Sie beschreiben also in Ihrem Antrag permanente, grobe Menschenrechtsverletzungen, die die iranische Regierung begeht. Hinzu kommen die Äußerungen des iranischen Präsidenten, der im Zusammenhang mit Israel vom "Mythos eines Massakers an den Juden" redet und darüber schwadroniert, der Westen habe eine Legende geschaffen, die er höher als Gott, die Religion an sich und die Propheten stellen würde. Wiederholt erhebt Ahmadinedschad seine Forderung, dass der Staat Israel in eine andere Weltgegend verlagert wird. Da frage ich mich, wie Sie angesichts Ihrer eigenen Bewertungen des politischen Systems und der inneren Verhältnisse im Iran sowie angesichts dieser Äußerungen über den Staat Israel - die übrigens genauso verwerflich wären, wenn sie im Hinblick auf irgendeinen anderen Staat geäußert worden wären - zu einer Formulierung kommen können, die vom Iran nur als Appeasement verstanden werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU - Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)

Diese Reaktion ist der Situation nicht angemessen. Angemessen ist, dass die Europäische Union, vertreten durch die E 3 - Deutschland, Frankreich und Großbritannien -, ihre außerordentlich erfolgreiche Arbeit fortsetzt, die dazu geführt hat, dass der Iran am Verhandlungstisch geblieben ist.
Es ist in den Jahren der Verhandlungen gelungen, eine gemeinsame Position mit den Vereinigten Staaten und der UNO zu finden. Bemerkenswert ist auch die Äußerung des russischen Außenministers Lawrow, der gesagt hat: Unter rationalen Gesichtspunkten ist nicht nachvollziehbar, warum der Iran ein Atomprogramm will. Unter Energiegesichtspunkten braucht er es nicht. Das legt den dringenden Verdacht nahe, dass es hier darum geht, die Voraussetzungen zum Bau einer Atomwaffe zu schaffen.
Wenn wir diese Perspektive vor Augen haben, die von allen Mächten der Welt, von der internationalen Gemeinschaft, geteilt wird, dann müssen wir uns doch fragen, ob wir sehenden Auges auf eine Situation zutreiben wollen, in der am Schluss ein Staat, dessen Präsident eine solchen Geisteshaltung hat, über Atomwaffen verfügt. Dem müssen wir von Anfang an mit Festigkeit begegnen.
Die Grünen schreiben in ihrem Antrag ja selbst, dass notfalls Sanktionen gebraucht werden müssen. Das will ich auch noch in Erinnerung rufen. Gleichzeitig will ich dabei festhalten, dass im Augenblick niemand an Sanktionen denkt.

(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: "Niemand" stimmt nicht!)

Im Augenblick denkt jedermann nur daran, den Iran auf den Pfad der Tugend zurückzuführen.
In diesem Zusammenhang darf ich auch die Erklärung der E3/EU-Minister vom Januar zitieren, in der es heißt:
Wir bekennen uns auch weiterhin dazu, diese Frage diplomatisch zu lösen. Wir werden uns in den kommenden Tagen und Wochen mit unseren internationalen Partnern eng abstimmen. Wir sind der Auffassung, dass die Zeit jetzt gekommen ist, den Sicherheitsrat einzuschalten, um die Autorität der IAEO-Resolutionen zu stärken. Wir werden daher eine außerordentliche Tagung des IAEO-Gouverneursrats beantragen, - sie hat inzwischen stattgefunden - damit dieser die hierzu erforderlichen Schritte ergreift.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Hörster, kommen Sie bitte zum Schluss.

Joachim Hörster (CDU/CSU):

Das ist die Position der Bundesregierung und auch die Position der großen Koalition. Jeder, der bezüglich dieser Position vordergründig versucht, Streit zu stiften, der dient dem Nuklearprogramm des Iran, aber nicht der Festigkeit und Sicherheit der Region.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt erhält der Kollege Dr. Werner Hoyer von der FDP-Fraktion das Wort.

Dr. Werner Hoyer (FDP):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Krise aufgrund des iranischen Nuklearprogramms ist weiß Gott eine der ernsthaftesten Sicherheitsbedrohungen unserer Zeit. Dies verlangt ein besonnenes, verantwortliches Handeln. Handeln heißt hier natürlich auch wirklich handeln und nicht nichts tun; denn eines ist auch klar: Die Zeit arbeitet bei diesem Thema gegen uns.
Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben gemeinsam mit dem Partner jenseits des Atlantiks einiges erreicht. Daran ist weiter zu arbeiten. Diese diplomatischen Bemühungen müssen natürlich auch weiterhin im Vordergrund stehen.

(Beifall bei der FDP)

Ich stimme all denen zu, die bei einem solchen Thema immer sagen: Versetzt euch doch einmal in die Lage des betroffenen Landes. - Wäre es für den Iran, wenn er eine rationalere politische Führung hätte, eine angenehme Situation, wenn man sich einmal das nukleare Umfeld ansehen würde? Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass man diese Frage mit Nein beantworten kann. Es geht hier aber nicht um einen demokratischen, aufgeklärten Iran, der sich diese Frage stellt, sondern um eine iranische Führung, die das Ausradieren des Staates Israel an die Wand malt, eine Regierung, die uns zumindest mit Worten direkt bedroht, eine Regierung, die keinen Beitrag zur Befriedung der überaus schwierigen Situation im Nahen Osten leistet. Deswegen ist das nicht irgendeine, sondern eine sehr problematische Regierung.
Ich finde es beachtlich, dass in dem Beschluss des Gouverneursrats der IAEO, der durch eine große diplomatische Leistung herbeigeführt wurde, der Begriff "massenvernichtungswaffenfreie Zone" steht. Das ist ein großer Schritt, zu dem zum Beispiel unsere amerikanischen Freunde erst einmal bewegt werden mussten. Kompliment, dass das gelungen ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Beschluss enthält Elemente, die Hoffnung verheißen. Es sind Angebote darin, und zwar gerade auch an die aufgeschlossene und nach Westen - übrigens mehr nach Amerika als nach Europa - orientierte junge Generation im Iran. Sie müssen wir gewinnen. Wir dürfen sie nicht vor den Kopf stoßen. Wir dürfen diese junge Generation dem iranischen Staatspräsidenten nicht geradezu in die Arme treiben.
Hier ist noch sehr viel zu tun. Das, was bisher geleistet worden ist, war nur möglich, weil geschlossen und entschlossen gehandelt worden ist. Deswegen ist es für mich von herausragender Bedeutung, dass diese Geschlossenheit und Entschlossenheit erhalten bleiben. Ich halte nichts davon, Fragen zu beantworten, die sich uns gegenwärtig noch gar nicht stellen - uns sowieso nicht.
Natürlich denkt in Deutschland keiner über militärische Optionen nach. Wir haben auch gar keine und halten sie auch nicht für wünschenswert. Diejenigen, die sehr viel stärker betroffen sind, mögen Überlegungen anstellen, in der gegenwärtigen Situation kein taktisches Mittel aus der Hand zu geben, um bei ihrem Gegenüber einen Zustand der Unsicherheit und Verunsicherung zu bewahren. Das muss man respektieren. Dafür die Gemeinsamkeit und Geschlossenheit des Westens und darüber hinaus der Völkergemeinschaft aufs Spiel zu setzen, halte ich für nicht sonderlich klug.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Was uns aber in Wahrheit darob droht, ist eine innenpolitische Dimension. Ich hoffe, es wird gelingen, sie außen vor zu lassen; denn der Versuch ist erkennbar gewesen, hier gewissermaßen - da war doch einmal etwas - einen virtuellen Marktplatz von Goslar aufzumachen. Diesen Versuch an dieser Stelle erneut durchzuführen, halte ich für unverantwortlich. Deswegen sollten wir es lassen. Ich hoffe, dass dies in diesem Hause insgesamt so gesehen wird.

(Beifall bei der FDP)

Ich füge allerdings hinzu: Um der Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland willen wünsche ich mir, dass wir seitens des Westens, der Europäischen Union, der NATO und auch der Bundesrepublik Deutschland etwas sichtbarer aktiv werden, wenn es darum geht, bei der Nichtverbreitung und der Abrüstung weiterzukommen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

Dort hat es in den letzten Jahren eine große Lücke gegeben. Hieran muss deutlicher gearbeitet werden; denn nur dann werden wir denjenigen unter den gutwilligen Iranern, die sich Gedanken darüber machen, was um sie herum los ist, eine befriedigende Antwort geben können.
Wenn aber in der Frage der iranischen Nuklearbewaffnung die rote Linie überschritten wird, dann stehen wir vor einem Dammbruch und einem totalen Kollaps jeglicher Abrüstungs- und Nonproliferationspolitik. Deswegen wünsche ich mir, dass die Bundesregierung gemeinsam mit ihren Partnern in Europa, in Amerika, in Russland und in China mit ihren Bemühungen Erfolg hat.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt hat der Kollege Mützenich, SPD-Fraktion, das Wort.

Dr. Rolf Mützenich (SPD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ausgang der iranischen Atomkrise wird sowohl die Entwicklung im Mittleren und Nahen Osten als auch die Hoffnung im internationalen nuklearen Bereich insgesamt beeinflussen. Deswegen ist es gut, wenn der Deutsche Bundestag erneut über den Iran debattiert. Die Öffentlichkeit hat meines Erachtens ein Interesse und ein Bedürfnis, dieses Thema zu erörtern.
Es ist aber unangemessen, die Menschen wissentlich zu verunsichern.

(Beifall bei der SPD)

Nichts anderes aber tun Sie. Sie unterstellen, dass die Atomkrise militärisch beantwortet werden soll. Kein Mitglied der Bundesregierung aber hat eine militärische Option ins Spiel gebracht. Im Gegenteil: Der Außenminister hat vor einer Militarisierung des Konflikts gewarnt. Die Bundeskanzlerin hat gestern in Interviews erneut die diplomatische Lösung unterstrichen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Sie unterstellen etwas und führen auf dieser Grundlage eine falsche Debatte.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Zuruf des Abg. Oskar Lafontaine [DIE LINKE])

Herr Lafontaine, Sie haben die Sicherheitskonferenz angesprochen. Ich glaube, Sie waren dort nicht dabei, aber man kann sich die Mühe machen, das Protokoll nachzulesen. In der Diskussion mit dem Vizeaußenminister des Irans hat die Bundeskanzlerin unter anderem gesagt, es gehe hier gar nicht um eine militärische Option, sondern es gehe um diplomatische Mittel. Damit hat sie klar gemacht, was geht und was nicht geht. Deutlicher, Herr Lafontaine, kann man nicht werden. Sie führen eine Scheindebatte zulasten der Diplomatie und eines einheitlichen Auftretens der internationalen Gemeinschaft gegenüber dem Iran.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zugleich - das muss ich Ihnen ehrlich sagen - ist der Antrag der Linken eine grobe Verzerrung. Sie erwähnen - das haben Sie eben auch in der Debatte gesagt - Drohungen Irans gegen Israel. Das ist zu wenig. Mehr noch: Ich nenne das eine Verharmlosung des Gesagten. Warum verschweigen Sie in Ihrem Antrag, dass der iranische Präsident den Holocaust leugnet? Warum schreiben Sie nicht, dass er das Existenzrecht Israels infrage stellt?

Das sind nicht nur Drohungen. Das derzeitige Verhalten des iranischen Präsidenten ist eine zutiefst inhumane Manipulation der Geschichte.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Abg. Petra Pau [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Dieses Schüren von Hass und Unfrieden hätten Sie benennen sollen und müssen. Warum sagen Sie nicht, dass der Iran in den vergangenen 18 Jahren gegen die Regeln des Atomwaffensperrvertrages verstoßen hat? Warum erwähnen Sie nicht, dass der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde, al-Baradei - aus meiner Sicht ein besonnener und unparteilicher Diplomat -, immer noch nicht ausschließen kann, dass der Iran ein militärisches Atomprogramm betreibt?

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Mützenich.

Dr. Rolf Mützenich (SPD):

Sofort. - Warum verschweigen Sie, dass der Iran in der Regel den Inspekteuren nur das zeigt oder berichtet, was bereits bekannt ist? Warum übergehen Sie die Tatsache, dass Trägersysteme entwickelt werden, die bis Europa reichen? Warum berichten Sie nicht, dass der Iran das europäische Angebot ohne genaue Prüfung zurückgewiesen hat? Wenn Sie schon über die iranische Atomkrise debattieren wollen, dann müssen Sie auch etwas über den Kern des Konflikts sagen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Mützenich, möchten Sie jetzt die Zwischenfrage von Frau Pau zulassen?

Dr. Rolf Mützenich (SPD):

Wenn es nicht zulasten meiner Redezeit geht.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Natürlich nicht. - Bitte schön.

(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Vor allen Dingen muss man mal zuhören!)

Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Ich habe die ganze Zeit zugehört!

(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Das muss wohl in einem anderen Saal gewesen sein!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Haben Sie sich jetzt darauf geeinigt, dass Frau Pau die Zwischenfrage stellt, Herr Lafontaine, oder wollen Sie das gerne übernehmen? - Bitte schön, Frau Pau.

Petra Pau (DIE LINKE):
Wir könnten den eindrucksvollen Katalog sowohl der Bewertungen als auch der Vorwürfe gegenüber dem Präsidenten des Irans sicherlich noch fortsetzen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Fragen! - Zuruf des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD])

- Sie sind völlig richtig. Deswegen stellt sich für mich die Frage, warum sie in dem vorliegenden Antrag noch einmal aufgezählt werden sollen. Denn wir haben vor Weihnachten der gemeinsamen Resolution des Deutschen Bundestages zur Verurteilung der Äußerungen des iranischen Präsidenten, der abscheulichen Leugnung des Holocaust und der falschen Politik zugestimmt. Waren Sie an dieser Resolution beteiligt und haben Sie ihr - so wie die gesamte Fraktion der Linken - zugestimmt? Etwas wird doch nicht dadurch besser, dass man es immer wiederholt.

Dr. Rolf Mützenich (SPD):

Der Punkt ist doch: Sie äußern sich zu der iranischen Atomkrise und den militärischen Mitteln, die dort möglicherweise eingesetzt werden. Seit dem Einbringen des Antrags sind aber täglich neue Vorwürfe gegenüber Israel erhoben worden. Warum nehmen Sie das nicht in den Antrag mit auf, wenn er ohnehin auf Wiedervorlage liegt? Das gehört doch alles mit in diese Debatte hinein.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege Mützenich.

Dr. Rolf Mützenich (SPD):

Die rot-grüne Bundesregierung hat zusammen mit den europäischen Partnern vor mehr als zwei Jahren das Richtige getan. Sie hat mit zivilen diplomatischen Mitteln versucht, die Atomkrise zu entschärfen und zu lösen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Mützenich, es gibt noch eine zweite Zwischenfrage, und zwar von der Kollegin Monika Knoche.

(Zuruf von der SPD: Rolf, lass es jetzt nicht mehr zu!)

Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Bitte schön.

Monika Knoche (DIE LINKE):
Herr Kollege, Sie kaprizieren sich im Moment sehr darauf, der linken Fraktion zu unterstellen, ihr mangele es an Sensibilität hinsichtlich der Bedrohung Israels durch die Äußerungen des iranischen Präsidenten.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Dabei beziehen Sie sich auf unseren Antrag.

(Zurufe von der CDU/CSU: Ihre Frage!)

Darf ich Sie bitten, zu kommentieren, wie Sie zu Ihrem Urteil kommen? Wir haben in den dritten Absatz unseres Antrags Folgendes aufgenommen: Der Deutsche Bundestag appelliert an den Iran, die Drohungen gegenüber Israel unverzüglich einzustellen, sich an seine Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen zu halten und alles zu unterlassen, was zu einer Eskalation des Konflikts um sein Atomprogramm beitragen könnte.
Sind Sie bereit, dies zur Kenntnis zu nehmen und Ihre vorhergehenden Äußerungen über die Haltung der Linken zum Existenzrecht Israels zurückzunehmen?

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Rolf Mützenich (SPD):

Nein. Wenn Sie zugehört hätten, liebe Kollegin, dann wüssten Sie, dass ich aus Ihrem Antrag zitiert habe. Ich habe aber auch das aufgezählt, was Sie unterlassen.
Ich darf Sie an unsere Diskussion im Auswärtigen Ausschuss über das Thema erinnern - Sie waren dabei -, als der Kollege Paech sich dazu in keiner Weise geäußert hat.

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Tun Sie also nicht so, als hätten Sie eine Position vertreten! Beschreiben Sie Ihre Position und diskutieren Sie sie mit uns! Das wäre viel besser.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)

Der Ansatz, den die damalige rot-grüne Bundesregierung gewählt hat, hat weiterhin eine Chance. Die Unterstützung der Bundesregierung besteht auch fort. Am Montag beispielsweise wird in Moskau mit Vertretern Russlands und des Irans zu klären sein, ob auf russischem Boden eine Urananreicherung möglich ist.
Der russische Vorschlag bedeutet zweierlei: Angesichts der zahlreichen, langjährigen und bisher nicht aufgeklärten Verstöße des Irans gegen die Regeln des Atomwaffensperrvertrags soll das Land den Brennstoffkreislauf nicht schließen. Die Anreicherung und Abzweigung von Uran für militärische Zwecke wäre demnach ausgeschlossen. Damit wäre die Atomkrise zwar noch nicht gelöst, aber mithilfe dieser vertrauensbildenden Maßnahme könnten weitere Fragen in Ruhe angegangen werden. Deswegen verstehe ich nicht, Kollege Lafontaine, warum Sie beispielsweise diesen Vorschlag, den die Russen eingebracht haben und den die Chinesen und die Brasilianer unterstützen, nicht in Ihrem Antrag und in Ihrer Rede aufgegriffen haben. Dieser Vorschlag zeigt doch, dass diplomatische Lösungen möglich sind. Darauf müssen wir bauen und daran müssen wir arbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Iran sollte im eigenen Interesse diesen Vorschlag aufgreifen. Das würde neues Vertrauen bilden. Danach könnten weitere sicherheitsfördernde Schritte folgen. Unverzichtbar ist dabei die politische Mitwirkung der USA.
Des Weiteren brauchen wir - darüber haben wir schon vor zwei Wochen im Rahmen einer Aktuellen Stunde diskutiert; es herrschte damals großes Einvernehmen im Haus; wahrscheinlich haben Sie, Herr Lafontaine, nicht teilgenommen - regionale und weltweite Initiativen für Rüstungskontrolle und Abrüstung. Wir müssen über die atomare Rüstung, die Rolle und die Verbreitung von Kernwaffen, sprechen. Solange Atomwaffen ein Bestandteil der militärischen Ausrüstung und Planung in wenigen, in der Regel mächtigen Ländern sind, werden sich Fälle wie die des Irans oder Nordkoreas wiederholen. Deshalb müssen Rüstungskontrolle und Abrüstung die Bemühungen um die Lösung der iranischen Atomkrise flankieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Matthias Platzeck, hat dies erst vor wenigen Tagen wiederholt; darin unterstützen wir ihn.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir brauchen eine weitere internationale Debatte. Einzelne Staaten, vor allem die Atomwaffenstaaten, reklamieren für sich das Recht, allein zu entscheiden, ob militärische Gewalt ein legitimes und angemessenes Mittel sein kann, wenn nationale Interessen gefährdet zu sein scheinen. Damit wird ein Prinzip ausgehöhlt, welches nach dem Ende des Ost-West-Konflikts eigentlich hätte wieder belebt werden müssen: das Gewaltverbot. Dieses Verbot zum Gegenstand der internationalen Politik zu machen, ist auch Aufgabe dieser Bundesregierung. Darin unterstützen wir, die sozialdemokratische Fraktion, sie. Es geht nämlich auch um die Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung nach der UN-Charta. Das alles ist in die Bemühungen um eine friedliche Beilegung des Konflikts mit dem Iran einbezogen. Es wäre gut, wenn der Deutsche Bundestag diesen Weg gegenüber der Bundesregierung unterstützte.

(Beifall bei der SPD)

Es ist wichtig, dass die iranische Atomkrise mit friedlichen Mitteln gelöst wird. Das wäre nicht nur ein unschätzbarer Vorteil für die Region und ein Beispiel für eine gemeinsame europäische Außenpolitik, sondern auch stilbildend für die Lösung anderer internationaler Krisen. Wir wollen daran mitwirken.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
So weit sind wir noch gar nicht, Herr Mützenich.
Das Wort für Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Jürgen Trittin.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Oxford-Friedensforscher Paul Rogers hat dieser Tage einen Aufsatz bzw. eine Studie veröffentlicht, in der er sich mit der Frage nach den Folgen eines solchen von einigen angedachten Militärschlags beschäftigt hat. Er kommt zu einem ganz einfachen Ergebnis: Eine Militäroperation gegen den Iran wäre keine kurzfristige Angelegenheit, sondern würde ein Zusammenspiel komplexer und lang anhaltender Konfrontationen auslösen. Daraus folgt, dass militärische Aktionen strikt ausgeschlossen und alternative Strategien entwickelt werden sollten. Genau das ist der springende Punkt. Auch wir sind der Meinung, dass militärische Lösungen ein unkalkulierbares Eskalationsrisiko haben. Ich sage Ihnen: Diejenigen, die als erstes die Zeche dafür zahlen müssten, wären Israel und die Menschen im gesamten Nahen Osten. Deswegen sind wir gegen eine militärische Lösung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man aber Alternativen entwickeln will, dann darf man zwei Fehler nicht machen. Auf der einen Seite darf man sich die Situation nicht schöner reden, als sie ist. Auf der anderen Seite darf man die eigenen Überlegungen nicht schlechter reden, als sie sind. Das Erste haben Sie gemacht, Herr Lafontaine. Dem Iran ist doch die Einrichtung einer massenvernichtungsfreien Zone angeboten worden. Das war Bestandteil des Vorschlags der EU 3. Ich bin völlig dagegen, dass dieser Vorschlag geändert wird. Es ist falsch, zu behaupten, der Iran habe sich völkerrechtskonform verhalten. Tatsächlich befindet er sich im Zustand von Non-Compliance gegenüber dem Atomwaffensperrvertrag. Das hat eine übergroße Mehrheit der Mitglieder der Staatengemeinschaft festgestellt. Wenn man Multilateralismus und Völkerrecht hochhält, dann muss man die Ergebnisse von Multilateralismus und Völkerrecht an bestimmten Stellen auch einmal akzeptieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Außerdem - es fällt mir als Atomkraftgegner schwer, das zu sagen - haben wir den Iran nicht einmal aufgefordert, er solle nicht anreichern. Wir beziehen uns ausdrücklich darauf, dass die Anreicherung ausgesetzt wird, aber unter internationaler Aufsicht in Russland stattfinden soll. Wir unterstützen das, gerade weil wir nicht der Logik folgen wollen, einem Land willkürlich die Rechte abzusprechen, die andere Länder selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen, auch wenn das Ökologen und Atomkraftgegnern an dieser Stelle schwer fällt.
Ich bin ein Befürworter der Klarheit. Klarheit heißt auch, den Charakter des iranischen Regimes klar zu benennen und klar zu machen, dass der Iran mehr als ein verbrecherisches Regime ist, dass er vielmehr ein Land mit einer vielfältigen Zivilgesellschaft ist. Wenn man über alternative Strategien spricht, dann ist es unsere Aufgabe, diese Vielfalt der Zivilgesellschaft zu stützen und zu stärken. Das ist der Kern unseres Antrags, den wir hier vorgelegt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht um mehr Meinungsfreiheit und Unterstützung dieser Kräfte. Lieber Herr Kollege Hörster, Sie haben zu Recht einige Stellen unseres Antrages zitiert. Wie Sie nach der Lektüre dieses Antrags dazu kommen können, unsere Forderung nach einer zivilen Lösung des Konfliktes mit dem Wort "Appeasement" zu belegen, ist unverständlich. Es ist genau der andere Fehler, die eigenen Instrumentarien schlecht zu reden. Wir waren uns bis zum Gebrauch des Wortes "Appeasement" darin einig, dass wir versuchen müssen, den Griff des iranischen Regimes nach der Bombe mit zivilen, mit diplomatischen Mitteln zu unterbinden. Das ist kein Appeasement. Wenn Sie den Antrag zu Ende gelesen hätten, wäre Ihnen vielleicht auch die Ziffer II. 4 aufgefallen. Darin steht - ich lese Ihnen das gerne vor -:
4. Gemeinsam mit den Partnern der EU und den internationalen Partnern einen abgestuften Katalog realistischer nichtmilitärischer Sanktionsmaßnahmen zu entwickeln.
Wer das zu Appeasement erklärt, lieber Herr Hörster, der steht in der Tat im Verdacht, dass er eine offene Flanke hat und zu der Lösung tendiert, die ich am Anfang genannt habe. Deswegen glaube ich, dass unser Antrag mehr als nötig gewesen ist.
Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Damit ist die Aussprache geschlossen.
Es ist verabredet worden, die Vorlagen auf den Drucksachen 16/452 und 16/651 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. - Damit sind Sie offensichtlich einverstanden. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Quelle: Protokoll des Deutschen Bundestags; www.bundestag.de


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