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Von Afghanistan über Irak nach Iran - Die Hegemonialpolitik der USA und der NATO und das Versagen Europas

Der amerikanische Philosoph und Linguist Noam Chomsky in einem großen Interview auf kontext-tv.de

Im März 2010 erhielt Noam Chomsky den renommierten Erich-Fromm-Preis in Stuttgart. Mit Noam Chomsky, Linguist und einer der bekanntesten Intellektuellen und politischen Autoren weltweit, sprachen Fabian Scheidler und David Goeßmann in Mainz am 24. März 2010. Das gesamte Interview (Dauer: 41 Minuten) ist auf der Website von www.kontext-tv.de/ erschienen. Wir dokumentieren im Folgenden das Transkript der Sendung. Das Interview ist in folgende Abschnitte gegliedert:

Krieg in Afghanistan, Scheitern der Klimaverhandlungen: Wo bleibt der "Change", den Obama versprach?

Fabian Scheidler: Präsident Obama erhielt 2009 den Friedensnobelpreis, während er gleichzeitig den Krieg in Afghanistan und Pakistan eskalierte. Ein paar Tage nach seiner Nobelpreisrede in Stockholm ging er nach Kopenhagen und bot nicht mehr an als eine Treibhausgas-Reduktion von vier Prozent bis 2020. Wissenschaftler sprechen von 40 Prozent, die nötig wären. Viele Analysten sagen, dass das schwache Angebot der USA der Hauptgrund war für das Scheitern der Klimaverhandlungen. Was ist aus Obamas versprochenem “Change” geworden? Und was sind die Gründe dafür, dass er die Erwartungen und Hoffnungen nicht erfüllt?

Noam Chomsky: Die Frage zielt weniger auf Obama als auf die Erwartungen. Sie basierten auf nichts. Ich bin einer der wenigen, die nicht desillusioniert sind, da ich keine Erwaruntungen hatte. Ich habe über seine bisherigen politischen Positionen und Erfolgsaussichten noch vor Beginn der Kampagne geschrieben. Ich schaute einfach auf seine Website. Es war ziemlich klar, dass er ein normaler, gemäßigter Demokrat ist im Stil von Bill Clinton. Er hat niemals vorgegeben, etwas anderes zu sein.

Sicher, es gab viel Rhetorik über Hoffnung und Wandel. Aber das funktionierte wie ein unbeschriebenes Blatt. Man konnte darauf schreiben, was man wollte. Obama ist jemand, der sehr persönlich wirkt, und die Menschen waren verzweifelt auf der Suche nach ein wenig Hoffnung. Daher griffen sie danach. Aber es gab keine Basis für irgendwelche Erwartungen.

Obama erhielt einen Preis der Werbeindustrie für die beste Marketing-Kampagne 2008. Er schlug damals die Kampagne von Apple. Die Leute von der Obama-Kampagne wußten, was sie taten. Es war eine sehr erfolgreiche Marketing-Kampagne. Aber wie alle Marketing-Kampagnen nimmt man sie nicht ernst. Wenn man sich die tatsächliche Substanz anschaut, dann hatte man keinen Grund für Erwarungen. Was dann politisch passierte von Seiten der Obama-Administration liegt so ziemlich auf einer Linie mit dem, was man vorhersagen konnte, sowohl in innenpolitischen als auch außenpolitischen Fragen.

USA und Israel bedrohen Iran, nuklearfreie Zonen in Afrika und dem Nahen Osten vom Westen missachtet

David Goeßmann: Die USA und europäische Länder üben seit einiger Zeit schon Druck auf den Iran aus. Sie sehen Iran als eine Hauptbedrohung für Stabilität aufgrund des iranischen Urananreicherungsprogamms. Demgegenüber werden Länder wie Indien, Pakistan und Israel nicht unter Druck gesetzt, obwohl sie bereits Atomwaffen besitzen und den Atomwaffensperrvertrag anders als der Iran nicht unterzeichnet haben. Wie beurteilen Sie die außenpolitische Strategie der Vereinigten Staaten und Europas in Bezug auf den Iran?

Noam Chomsky: Iran ist eine Bedrohung, weil es Befehlen nicht gehorcht. Militärisch ist diese Bedrohung so gut wie nicht gegeben. Anders als die Staaten, die sie genannt haben, Israel, Indien and Pakistan, hat Iran sich in hunderten von Jahren nicht aggressiv verhalten. Den einzigen aggressiven Akt, den Iran begangen hat, war in den 1970er Jahren unter dem Schah, unterstützt von den USA. Man besetzte damals zwei arabische Inseln.

Niemand will, dass Iran oder irgendein anderer Staat Nuklearwaffen bekommt. Das Land wird unbezweifelbar von einem scheußlichen Regime regiert. Aber wendet man die Standards von Staaten, die die Vereinigten Staaten unterstützen, an, stellt sich die Sache anders dar. Angesichts von Saudi Arabien und Ägypten kann man Iran in Sachen Menschenrechte kaum kritisieren. Israel ist mit Unterstützung der USA in den letzten dreißig Jahren fünf Mal in den Libanon einmarschiert, ohne glaubhaften Vorwand. Der Iran hat nichts dergleichen gemacht.

Iran stellt eine Bedrohung dar, weil es eine Abschreckung und ein Hindernis bedeutet. Iran ist ein unabhängiges Land, ein großes Land, ein reiches Land. Wenn man dort einen unabhängigen Weg verfolgt, dann untergräbt das Stabilität.

Aber Stabilität hat eine technische Bedeutung in internationalen Beziehungen. Es beinhaltet die Unterwerfung unter Befehle. Dieser Gebrauch ist so extrem, dass der Herausgeber von “Foreign Affairs”, einer der zentralen liberalen Intellektuellen und politischen Analysten, tatsächlich feststellte, dass die Vereinigten Staaten Chile unter Salvador Allende destabilisieren mußten, um Stabilität herzustellen. Und das war kein Widerspruch. Man mußte die Allende-Regierung stürzen, die destabilisierende Kraft, um Stabilität zu wahren, d.h. um sie wieder unter US-Befehlsgewalt stellen zu können.

Und es ist dasselbe in der Golfregion. Iran widersetzt sich Befehlen. Daher gefährdet es die Stabilität. Es ist interessant, dass die USA und Europa, wie Sie richtig sagen, weitere Sanktionen fordern und sich Sorgen über den Iran machen. Sie nennen sich manchmal die internationale Gemeinschaft oder die Welt. Aber das ist eine sehr seltsame Definition der Welt. Die meisten Länder der Erde sind blockfreie Staaten. Die meisten Länder, der größte Teil der Weltbevölkerung unterstützen energisch Irans Recht, Uran anzureichern, für friedliche Ziele. Die blockfreien Staaten haben das oft wiederholt. Aber sie sind nicht Teil der Welt. In einer Umfrage vor einigen Jahren zeigte sich: Die amerikanische Bevölkerung unterstützt ebenfalls klar und deutlich dieses Recht. Aber auch sie sind nicht Teil der Welt. Zur Welt gehört, wer Washingtons Befehlen folgt. Das beinhaltet der Begriff.

Die Vereinigten Staaten und Israel bedrohen Iran. Diese Bedrohung ist ernst zu nehmen. Das festzustellen bedeutet nicht, das Regime im Iran zu rechtfertigen. Es ist wie gesagt verrottet. Zwei Länder, die an den Iran direkt grenzen, sind militärisch besetzt von den Vereinigten Staaten. Das ist eine ziemlich ernsthafte Bedrohung. Israel hat im Moment hunderte von Atomwaffen und Trägersysteme. Tatsächlich sind die Trägersysteme, die am gefährlichsten sind, aus Deutschland. Deutschland lieferte atomwaffenfähige Dolphin-U-Boote nach Israel, die praktisch nicht ortbar sind. Sie können bestückt werden mit Raketen, die Nuklearsprengköpfe tragen. Und Israel setzt diese U-Boote auch im Golf tatsächlich ein. Dank der ägyptischen Diktatur konnte ein israelisches U-Boot den Suezkanal passieren und die USA unterstützt das natürlich. Das ist gegen den Iran gerichtet.

Ich weiß nicht, ob es hier in Deutschland berichtet wird, aber ein paar Wochen zuvor gaben die USA, die Navy, bekannt, dass sie eine Atomwaffenbasis auf der Insel Diego Garcia aufbauen werden. Diego Garcia ist eine Insel im Indischen Ozean. Sie ist eigentlich Teil von Afrika. Aber die USA und Großbritannien insistieren, dass sie nicht Teil Afrikas ist. Denn Afrika hat eine nuklearwaffenfreie Zone und die USA und Großbritannien wollen diese Insel behalten als eine Atomwaffenbasis. Und sie wird benutzt. Es ist eine der militärischen Hauptbasen, von der aus die Bombardierungen im Nahen Osten und Zentralasien unternommen wurden. Also die Insel wird kontinuierlich genutzt.

Vor ein paar Wochen gaben die Vereinigten Staaten bekannt, dass sie atomwaffenfähige U-Boote nach Diego Garcia schicken wollen. Vor ein paar Tagen wurde angekündigt, dass die Obama Administration sogenannte Bunkerknacker dorthin schicken werde, die größten Bomben im Waffenarsenal, 13 Tonnen schwere Bomben, die angeblich hunderte Meter dickes Panzerbeton durchbrechen können. Sie sind einzig für den Einsatz im Iran geplant, eine nicht zu unterschätzende Bedrohung. In den USA wird das nicht berichtet, aber es handelt sich um öffentliche Informationen.

Der führende israelische Militärhistoriker Martin Levi van Creveld, ein ziemlich konservativer Historiker, veröffentlichte einen Artikel direkt nach der Invasion des Irak. Er sagte darin, nach dieser Invasion wäre der Iran verrückt, keine Atomwaffen zu entwickeln. Wie anders wolle man eine amerikanische Invasion verhindern? Als ein Mitglied der Achse des Bösen, marschierten die USA in den Irak ein. Nicht in Nordkorea. Die haben nämlich ein Abschreckungsinstrument. Das ist offensichtlich. Aber die Chancen – noch einmal: niemand will, dass Iran Nuklearwaffen hat – dass der Iran Atomwaffen tatsächlich benutzen würde, wenn sie welche hätten, sind winzig. Man kann das bei US-Geheimdienstanalysten nachlesen. Bestückte der Iran eine Rakete mit Waffen, würde das Land möglicherweise ausgelöscht. Wie schlimm auch immer die herrschenden islamischen Geistlichen im Iran sind, sie haben bisher keine suizidalen Impulse gezeigt. Sie wollen keinen Selbstmord begehen und das ganze Land zerstört sehen, eingeschlossen der Reichtümer der persischen Kultur, wie in Teheran, Isfahan und so weiter. Doch das wäre der unmittelbare Effekt, wenn sie irgendetwas unternehmen würden. Daher bewerten US-Geheimdienst-Spezialisten die militärische Bedrohung des Iran ungefähr auf ein Prozent. Zu klein, um ernsthaft darüber zu reden. Aber Europa und die USA mögen die Pläne des Iran nicht, weil es ihre eigenen Aktionen behindern könnte. Deutschland ist beteiligt an diesen direkten Bedrohungen gegen den Iran. Im Westen scheint das alles gut und richtig, aber für die potentiellen Opfer ist das nicht so.

Im übrigen, ein paar Tage, nachdem Obama den Friedensnobelpreis erhielt, gab das Pentagon bekannt, dass sie die Entwicklung der Bunkerknacker beschleunigen werden. Das Programm begann unter Bush. Es dümpelte dann so vor sich hin. Obama, sobald er im Amt war, beschleunigte das Programm. Die Entwicklung dieser Bomben ist schlicht eine Drohung gegen den Iran. Und gleich nach dem Nobelpreis hieß es, dass diese Bomben innerhalb der nächsten drei Jahre nicht eingesetzt würden. Jetzt schicken sie die Bomben nach Diego Garcia, wo die Britten die Ur-Einwohner brutal verjagten, da die USA dort einen Marinestützpunkt einrichten wollten.

Die militärische Nutzung von Diego Garcia unterminiert die nuklearfreie Zone Afrikas. Wenn man wirklich daran interessiert ist, die Bedrohung durch Atomwaffen zu reduzieren, sollte eine zentrale Priorität der Politik sein, solche nuklearfreien Zonen aufzubauen. Nun, da ist eine in Afrika. Aber die USA blockiert sie, weil sie Atomwaffen auf Diego Garcia behalten wollen. Es gibt eine Südpazifik-Zone. Aber die USA blockiert sie, zuvor waren es die Franzosen, weil sie dort Atomtests durchführen wollten. Dann beendeten die Franzosen die Tests. Nun sind es die USA, die es blockieren, weil sie die pazifischen Inseln haben wollen, um dort Nuklearwaffen zu stationieren. Also ist diese nuklearfreie Zone passé.

Und die wichtigste atomwaffenfreie Zone wird erst gar nicht diskutiert. Das ist der Nahe Osten. Wenn man sich dafür einsetzen würde, das würde die Bedrohungen durch mögliche iranische und reale israelische Atomwaffen schwächen, möglicherweise beenden.

Auch die US-Truppen, die im Nahen Osten stationiert sind, dürften keine Atomwaffen haben. Das wäre sehr bedeutsam. Auch wenn es wenig diskutiert wird, die USA und Großbritannien sind einer nuklearfreien Zone Naher Osten stark verpflichtet. Sie sagen das nicht, aber sie sind es.

Der Grund ist simpel. Als die USA und Großbritannien in den Irak Anfang der 1990er Jahre einmarschierten, versuchten sie einen juristischen Vorwand zu konstruieren. Den Vorwand, den sie benutzten, war eine Resolution des UN-Sicherheitsrates 687. Das war 1991. Die Resolution forderte den Irak auf, seine Massenvernichtungswaffen zu vernichten. Die USA und Großbritannien sagten, der Irak hätte es nicht getan. Es stellte sich nachher heraus, dass das falsch war, aber man behauptet es einfach. Damit habe man das Recht einzumarschieren.

Wenn man einen Blick auf Artikel 14 der Resolution wirft, dann steht da, dass die Unterzeichner dazu verpflichtet sind, eine nuklearfreie Zone im Nahen Osten aufzubauen. Das betrifft vor allem die USA und Großbritannien. Die amerikanische Bevölkerung ist mit großer Mehrheit für diese Zone, Iran will sie, aber wir erfahren davon nichts.

Wenn wir nur ein wenig in diese Richtung gehen würden, könnte man die Spannungen in der Region reduzieren. Aber es ist nicht das Ziel der USA, die Spannungen abzubauen. Das Ziel ist, ein sich widersetzendes Regime zu bedrohen.

Und Iran ist nicht der einzige Fall. Nehmen wir Kuba. Warum halten die USA an ihrer weitreichenden ökonomischen Kriegsführungen gegen Kuba fest? Die Antwort ist den freigegebenen Dokumenten für die Kennedy-Jahre zu entnehmen. Die Kennedy-Leute warfen Kuba “erfolgreichen Trotz” gegen die US-Politik vor, wie sie die Monroe-Doktrin festschrieb. Es ging also nicht um die Russen, sondern schlicht darum, dass Kuba den US-Befehlen nicht gehorchte.

Die amerikanische Bevölkerung ist vehement für das Ende des Embargos, bereits seit drei Jahrzehnten. Die Welt ist in großer Mehrheit für ein Ende. Nimmt man die Abstimmungen der Vereinten Nationen, dann sind die USA, Israel und einige pazifischen Inseln die einzigen in der Welt, die einem Ende des Embargos widersprechen.

Das Land stellt keinerlei Gefahr für irgendjemanden dar. Doch Kuba muss aus der Sicht der USA bestraft werden wegen seines “erfolgreichen Trotzes”. Die Mafia-Doktrin ist eines der wenigen geltenden Prinzipien in internationalen Angelegenheiten. Der Pate akzeptiert keinen Ungehorsam. Das ist zu gefährlich.

Wenn ein kleiner Ladenbesitzer sein Schutzgeld nicht bezahlt, dann geht es nicht eigentlich um das verlorene Geld, sondern ums Beispiel. Das System von Dominanz und Kontrolle könnte erodieren. Daher muss man den Abtrünnigen bestrafen. Daher schickt man auch seine Schläger hin, um den Schuldner zu Brei zu schlagen. Das ist die Mafia-Doktrin. Das ist eines der zentralen Prinzipien internationaler Beziehungen.

Wenn man auf die Geschichte des Kalten Krieges schaut, sieht man, dass die regelmäßigen Invasionen und Interventionen meistens auf dieser Grundlage stattfanden, einschließlich Vietnam, einem großer Krieg, aber das gleiche gilt auch für Guatemala, Iran und andere Interventionen.

Oder nehmen wir den Sturz der parlamentarischen Ordnung 1953 im Iran und die Einsetzung des Schahs: Die Herausgeber der New York Times waren damals für den US-gestützten Coup. Sie sagten, dass werde ein Lehrbeispiel für andere Länder, die fanatischem Nationalismus anhängen und versuchen, Kontrolle über ihre eigenen Rohstoffe zu erlangen. Man könne so etwas nicht akzeptieren. Also stürzen wir die Regierung und installieren einen Tyrannen.

Die Iraner sehen diese US-Intervention nicht als vergangene Geschichte. Sie sorgen sich daher.

USA - China: Machtzunahme von transnationalen Konzernen und Banken

Fabian Scheidler: In militärischer Hinsicht sind die USA weiter die Superpower. Doch in 2008 ist die US-Ökonomie fast zusammengebrochen, Billionen wurden zur Stützung von Wall Street ausgegeben. Ohne das Geld aus China wären die USA möglicherweise in den Bankrott gestürzt worden.

Noam Chomsky: Man spricht viel über das Geld von China. Tatsächlich wird der größte Teil der US-Schulden von Japan gehalten, was zeigt, dass die Schulden kaum als Waffe eingesetzt werden können. Japan kann nichts mit den Schulden ausüben, das gleiche gilt für China. Es wird viel über das Handeldefizit mit China gesprochen. Es stimmt, es ist groß. Auf der anderen Seite ist der deutsche Leistungsbilanzüberschuss zwar nicht absolut, aber doch per Einwohner weit größer als Chinas. Das ist allerdings kein Thema für Schlagzeilen.

Das Handeldefizit mit China ist beträchtlich. Aber worüber weniger gesprochen wird ist, dass das Handelsdefizit mit Japan, Taiwan und anderen Staaten in der Region stark zurückgegegangen ist. Der Grund dafür ist die Art, wie die regionalen Produktionssysteme dort funktionieren.

China ist im Prinzip ein Montagewerk. Die Länder in der Region sind demgegenüber technologisch weit stärker fortgeschritten und liefern Teile, Komponenten und High Tech. China benutzt schließlich billige Arbeit und sein Land, um sie zusammen zu setzen. Von dort werden sie überwiegend in die Vereinigten Staaten gebracht. US-Produzenten tun dasselbe. Sie schicken Teile und Komponenten nach China. Dort werden sie montiert und kommen dann zurück.

Also ja, da ist ein Handelsdefizit mit China und ein zurückgehendes Defizit mit den anderen Ländern, weil die ihre Teile nach China schicken. Es ist eine Art globales System der Produktion.

Da wird viel über eine Machtverschiebung in der Welt spekuliert. Wird China die USA ablösen? Das ist größtenteils ideologischer Extremismus. Staaten sind nicht die Akteure im Weltgeschehen. Zu einem gewissen Grad sind sie es. Aber nicht restlos. Die Akteure sind die, die die Staaten beherrschen, die Wirtschaft, die Konzerne. Adam Smith verwies darauf. Es ist keine radikale Einsicht.

Wenn man auf die Leute schaut, die die Welt besitzen und die Politik bestimmen, ja, da ist eine globale Machtverschiebung hin zu ihnen und weg von der globalen Arbeiternehmerschaft. China ist das extremste Beispiel. Und es gibt Interaktionen zwischen den transnationalen Konzernen, Finanzinstituten und Staaten, soweit sie denen dienen. Und das ist eine wirkliche Machtverschiebung.

Aber es ist nicht die, die in den Schlagzeilen steht. Man kann darüber in der Wirtschaftspresse lesen. Zum Beispiel in der Financial Times. Sie beschreiben es dort. Aber es sind nicht die großen Angst-Geschichten mit Schlagzeilencharakter.

Lateinamerikanische Staaten machen sich unabhängig, USA rüstet auf

Fabian Scheidler: Die zunehmende Unabhängigkeit von lateinamerikanischen Staaten, die sich losmachen von den Vereinigten Staaten: Beinhaltet das Ihrer Meinung nach eine Machtverschiebung?

Noam Chomsky: Das ist sehr wichtig. In den letzten zehn Jahren bewegt sich Lateinamerika zum ersten Mal seit der europäischen Eroberung in Richtung auf eine Art Unabhängigkeit. Die Länder befreien sich. Sie waren bisher immer abhängig von europäischen oder US-Machtinteressen. Nun schließen sie sich mehr und mehr zusammen.

Der Fluch von Lateinamerika war es lange, eine reiche Region zu sein, der es eigentlich besser gehen sollte als Ostasien, aber die geplagt wurde von einer sozialen Struktur, in der ein winziger Sektor des Wohlstands größtenteils europäisiert ist oder sich in den Händen von Europäern befindet, zum Beispiel wohlhabenden Deutschen in Haiti.

Bis heute gibt es eine europäisierte weiße Elite in Lateinamerika, die kontrolliert und die die Resourcen dominiert. Und dann gibt es ein Meer von Elend. Die Wohlhabenden übernehmen keinerlei Verantwortung für die jeweiligen Länder.

Die Entwicklung geht aber seit einiger Zeit in eine andere Richtung. Die USA mögen das keineswegs. Sie haben ihre Militärbasen in Lateinamerika verloren. Doch es findet gleichzeitig eine Re-Militarisierung auch unter Obama statt.

Bush fing damit an und etablierte eine neue Militärbasis in Kolumbien, das einzige Land, das noch unter US-Dominanz steht. Der Coup in Honduras stellt für die USA möglicherweise eine Chance dar. Man besitzt dort eine wichtige Militärbasis, von der aus man schon Nicaragua bombardierte. Die Obama-Administration unterstützte die Wahlen unter dem Micheletti-Militärregime in Honduras, anders als die anderen lateinamerikanischen Staaten und selbst Europa.

Die USA bekamen gerade zwei neue Marinestützpunkte in Panama. Die sogenannte vierte Flotte wurde reaktiviert, die lateinamerikanische und karibische Gewässer abdeckt. Sie wurde 1950 abgewickelt, weil es keine Verwendung mehr dafür gab nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie wurde 2008 wieder eingesetzt und wird seitdem weiter entwickelt.

Von einer der US-Militärstützpunke in Kolumbien soll die ganze Hemisphäre überwacht werden. Und man hofft, dass dieses Überwachungsprogramm verbunden werden kann mit einem globalen Beobachtungssystem.

Die USA sind militärisch, sowohl bei den Ausgaben, als auch technologisch weit an der Spitze und haben ein System für globale Kontrolle aufgebaut. Die Vereinigten Staaten besitzen ungefähr 800 Militärbasen, einschließlich eines globalen militärischen Überwachungssystems.

Die US-Militärprojekte, die jetzt entwickelt werden, sind sehr erschreckend. Es gibt Pläne für Weltraum gestützte Waffen, Pläne, um offensive Waffensysteme in sehr präzise arbeitende Beobachtungssysteme einzubinden. Mit diesem Instrumentarium kann man erfahren, ob jemand in der Türkei oder anderswo gerade über die Straße geht.

Man arbeitet an Drohnen, die es erlauben, Krieg ohne Soldaten zu führen. Es sind gezielte Tötungen möglich. Die neue Generation von Drohnen, die jetzt geplant werden, nutzen Nanotechnologie, so dass die Drohnen in Zukunft miniaturisiert werden können. Damit kann man in Wohnzimmer von jemanden eindringen und Anschläge verüben.

Das wird in aller Öffentlichkeit geplant. Es wird auf eine Art geheim gehalten, weil die Medien nicht darüber berichten. Die Informationen sind aber öffentlich zugängliche.

Lateinamerika ist dabei besonders im Fokus, weil es sich unabhängig macht. Dort findet man auch das vielleicht beste Beispiel für Demokratie in der Welt: Bolivien. Es ist das ärmste Land in Südamerika. Die indigene Bevölkerung, lange Zeit sehr stark unterdrückt, hat dort die politische Arena betreten. Sie wählten jemanden aus ihrer Mitte.

Die Politik des Präsidenten Evo Morales wird von den Bedürfnissen und Interessen der Menschen bestimmt, nicht umgekehrt. Die Wahl Morales war dabei nur ein kurzer Ausschnitt in einem langen Kampf um drängende Probleme und politische Fragen: die Kontrolle von Resourcen, Probleme der Gerechtigkeit und so weiter. Ich kenne kein westliches Land, das sich in Sachen Demokratie mit Bolivien vergleichen ließe.

Die USA mögen das natürlich nicht. Es gibt es in Lateinamerika jetzt eine Sezessionsbewegung von der alten europäisierten Elite, mit Unterstützung der USA. Aber die südamerikanischen Länder stehen an der Seite Boliviens.

Einige Bauern wurden in einer Gegend in Bolivien getötet, die traditionell von den Eliten kontrolliert wird. Es fand daraufhin ein Treffen der neuen Vereinigung von südamerikanischen Nationen statt. Diese Vereinigung unterstützte Morales, verurteilte die Gewalt der Sezessionsbewegung.

Morales wies darauf hin, dass Südamerika zum ersten Mal seit vielen Jahrhunderten unabhängig von der Kontrolle westlicher Mächte, insbesondere der USA handele. Aufgrund diese Unabhängigkeitsbestrebungen entwickeln die USA weitere Militärprogramme, um das zu stoppen.

NATO-Expansion entgegen Versprechungen, Europa und Deutschland sollten für friedliche Lösungen eintreten

David Goeßmann: Auf der einen Seite werden die EU und Deutschland angesehen als friedenorientierter und moderater. Auf der anderen Seite ist zum Beispiel Deutschland der drittgrößte Waffenexporteur der Welt, liefert militärische Ausrüstung nach Israel und in andere Spannungsgebiete. Welche Rolle sollte die europäische Union, insbesondere Deutschland, in internationalen Beziehungen spielen?

Noam Chomsky: Europa könnte eine größere Rolle spielen, um Frieden international voran zu bringen. Im Fall Iran könnte Europa die Kriegsgefahr abschwächen helfen. Bei den drei Nicht-Unterzeichnern des Atomwaffensperrvertrags, Indien, Pakistan und Israel, die alle ihre Atomwaffensysteme mit Unterstützung durch die USA erlangten, könnte Europa Druck ausüben, so dass diese Staaten den Vertrag unterschreiben müßten und sich in Richtung auf eine nuklearwaffenfreie Zone bewegten.

Letzten Oktober, als man sich empörte über den Iran, weil er sich seinen Verpflichtungen entziehe, verabschiedete die internationale Atomenergiebehörde eine Resolution, die Israel aufforderte, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten und seine Atomwaffensysteme internationaler Beobachtung zugänglich zu machen. Europa trat dem entgegen und versuchte das zu blockieren. Die USA versuchten es natürlich auch zu verhindern. Die Resolution wurde verabschiedet auch gegen die europäischen Beschwerden und Einsprüchen. Obama informierte sofort Israel, dass man dem keine Aufmerksamkeit schenken müsse.

Dasselbe passierte mit Indien. Letzten September gab es eine Sicherheitsratsresolution, die alle Staaten aufforderte, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten. Obama informierte Indien, dass das nicht für sie gelte.

Ok, Europa könnte eine Rolle in diesen Angelegenheiten spielen und eine unabhängige Position vertreten, um die Gefahr, die von Kriegen und Atomwaffen ausgeht, zu verringern.

Es ist interessant, was mit Europa passiert ist. Gehen wir zum Ende des Kalten Krieges zurück. Der Fall der Berliner Mauer. Wenn irgend jemand der Propaganda der vorangegangenen fünfzig Jahre geglaubt hatte, hätte man erwarten können, dass die Nato sich nun auflöst. Die Nato wurde ja eingerichtet, um Europa vor den russischen Horden zu schützen.

Also es gab nun keine russischen Horden mehr. Also ok, dann laß uns die Nato auflösen. Tatsächlich passierte aber das Gegenteil. Die Nato expandierte in Verletzung von Versprechungen, die Gorbatschow gemacht wurden.

Die USA sind sehr vorsichtig und fixieren solche Dinge niemals schriftlich. Gorbatschow war naiv genug zu glauben, was ihm von Präsident Bush, US-Außenminister James Baker und Kanzler Helmut Kohl und anderen versprochen wurde. Sie sagtem ihm unmißverständlich, dass sich die Nato nicht einen Millimeter Richtung Osten, nach Ostdeutschland oder anderswo hin ausweiten werde. Es ist nicht verschriftlich worden, die Akteure behaupten also, sie hätten es nie versprochen. Aber es war sehr eindeutig und explizit.

Gorbatschow nahm an, dass ein Staatsmann, wenn er etwas sagt, es auch meint. Nicht sehr klug. Sofort begannen die USA mit der Expansion Richtung Osten. Jetzt ist die Nato noch darüber hinaus ausgeweitet worden.

Tatsächlich ist die derzeitige Strategie der Nato ausdrücklich, Kontrolle über das globale Energiesystems, über Pipelines und Schiffahrts- und Handelsrouten zu erlangen. Das ist die offizielle Rolle der Nato. Sie ist heute eine von den USA betriebene globale Interventionsmacht. Europa muss das nicht akzeptieren.

Wenn man auf die Ursprünge der Nato schaut, sieht man, dass Kontrolle über Europa einer der Gründe für die Gründung der Nato war, um sicher zu gehen, dass Europa nicht einen unabhängigen Weg einschlagen würde: Ein Europa etwa wie bei de Gaulle vom Atlantik bis zum Ural ohne die USA oder wie in Willy Brandts Ostpolitik, eine Politik, die die USA nicht mochten.

Europa ist eine Macht auf gleicher Augenhöhe mit den Vereinigten Staaten. Europa mußte sich natürlich vom Zweiten Weltkrieg erholen und alles neu aufbauen. Aber nach dem Wiederaufbau ist es heute eine größere Ökonomie als die USA, mit besser ausgebildeter Bevölkerung und guten Wohlfahrtsstandards und so weiter.

Europa könnte eine unabhängige Kraft sein. Die Nato ist dafür da, diese Unabhängigkeit Europas zu verhindern. Ein Weg, auf dem Deutschland eine große Rolle spielen könnte im Weltgeschehen wäre, sich zu weigern, Teil einer von Amerika betriebenen Interventionsmacht zu sein.

Es wird immer wieder gesagt, dass die USA Europa kritisieren, weil man zu friedensorientiert sei. Das ist aber keine Kritik.

Über Jahrhunderte war Europa eine der blutigsten Gegenden in der Welt. Die liebste Beschäftigung der Europäer war, sich gegenseitig abzuschlachten. Im dreißigjährigen Krieg wurde ein Drittel der europäischen Bevölkerung ausgelöscht. Das ist die Art, in der Europa die Welt erobert hat, indem man dort eine Kultur der Grausamkeit entwickelte.

Das war so extrem, dass, wenn Europa die Welt konfrontierte, niemand in anderen Gegenden bisher derartige Kriege erfahren hatte. Europa war ein grausamer Ort. Ab 1945 änderte sich das. Nicht weil die Gene sich änderten. Die Europäer kapierten es schließlich, dass beim nächsten Mal, wenn sie ihr Lieblingsspiel spielen würden, sich gegenseitig abzuschlachten, sie alles auslöschen würden. Die technologischen Vernichtungsmöglichkeiten hatten einen Punkt erreicht, ab dem man dieses Spiel nicht mehr spielen kann. Also ja, Europa wurde friedlich.

Schaut man auf die politische Wissenschaft, dann findet man dort lange Diskussionen, dass es die Demokratie gewesen sei, die die Europäer friedlich gemacht habe. Ich denke Demokratie hatte wenig damit zu tun. Was sie friedlich machte ist die Einsicht, dass man so etwas nicht mehr machen kann, weil es Selbstmord bedeuten würde.

Heute könnte Europa für friedliche Lösungen eintreten, eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten fordern. Es könnte die Afrikanische Union unterstützen oder südpazifische Anstrengungen. Es könnte viele Dinge tun, welche aktiv eingreifen ins Weltgeschehen, aber nicht aggressiv, sondern für wirklichen Frieden.

Über Howard Zinn und die zentrale Bedeutung der Gegenkultur

David Goeßmann: Ihr Freund, Dissident und Aktivist Howard Zinn, der vor kurzem gestorben ist, schreibt in seinem berühmten Buch “A People's History of the United States”, Zitat: “Ja, wir haben in diesem Land, das von unternehmerischem Reichtum, einer Militärmacht und zwei veralteten politischen Parteien dominiert wird, eine, wie es ein ängstlicher Konservativer einmal ausdrückte “permanente gegnerische Kultur”, die die Gegenwart in Frage stellt und eine neue Zukunft einfordert.” Ich denke, nicht viele Leute hier in Europa, wahrscheinlich auch nicht in den USA, sind vertraut mit dieser Gegenkultur, dieser Welt von Dissidenten und Aktivisten. Welche Bedeutung haben die progressiven sozialen und politischen Bewegungen Ihrer Ansicht nach in den Vereinigten Staaten, insbesondere mit Blick auf die Gegenwart?

Noam Chomsky: Sie sind sehr wichtig. Nehmen Sie zum Beispiel den Irakkrieg und vergleichen Sie ihn mit dem Vietnam-Krieg. Im Vietnam-Krieg konnte man ohne jegliche Einschränkungen bomben. Es gab lange keinerlei gegnerische Kultur.

Ich begann 1963 Reden zu halten über den Vietnam-Krieg. Ich sprach zu vier Leuten in einer Kirche oder in einem Wohnzimmer, das jemand zur Verfügung gestellt hatte. Im Oktober 1965, also ziemlich spät im Krieg, als bereits einige hunderttausend US-Soldaten dort kämpften und Südvietnam praktisch zerstört war, versuchten wir in Boston unser erstes öffentliches Treffen gegen den Krieg zu organisieren.

Boston ist eine liberale Stadt. Wir trafen uns im Boston Common, einem Park, der traditionell für solche öffentlichen Veranstaltungen genommen wird, ähnlich dem Hyde Park. Ich sollte einer der Redner sein, doch das ganze wurde gewaltsam abgebrochen. Durch Studenten. Die liberale Zeitung “Boston Globe” denunzierte die Demonstranten. Der einzige Grund, warum wir nicht umgebracht wurden, war, dass einige hundert Polizisten da waren.

Das war im Oktober 1965, drei Jahre, nachdem der Krieg begonnen worden war. Erst jetzt fanden die ersten Proteste statt, also nach vielen Jahren, in denen die USA Vietnam zerstörten.

Man muss nur die führenden Militärhistoriker lesen, um das zu erfahren. Der respektierteste unter ihnen ist der Vietnam-Spezialist Bernard Fall. Er hatte 1967 Zweifel, ob Vietnam angesichts der Angriffe der größten Militärmaschine, die jemals auf ein Land dieser Größe losgelassen wurde, überleben würde.

Schließlich gab es genug Proteste, so dass die US-Regierung ihre Aktionen drosseln mußte.

Der Fall des Irak ist da anders gelagert. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass es massive Proteste gab, bevor ein Krieg überhaupt begonnen wurde. Das hat ganz gewiß die Kriegshandlungen eingeschränkt.

Die USA konnten nicht das tun, was sie in Vietnam taten. Es fanden zum Beispiel keine Flächenbombardements von B-52 Bombern statt.

Sicher, auch im Irak wurden viele Verbrechen von den USA begangen, das Land ist praktisch zerstört. Man kann das etwa mit den mongolischen Invasionen vergleichen. Aber es hätte viel schlimmer sein können.

Doch es gab Gegenkräfte, die das verhinderten. Aggressionen und Kriege werden heute begrenzt, weil sie sich mit einer gegnerischen Kultur, einer Gegenkultur, auseinandersetzen müssen. Das zeigt sich auch auf anderen Gebieten.

Zum Beispiel beim europäischen Wohlfahrtssystem. Die sozialen Absicherungen wurden den Bürgern nicht einfach von oben geschenkt. Eine gegnerische Kultur hat sich die Rechte erkämpft. Es waren soziale Bewegungen, die stärker wurden, um schließlich die notwendigen Veränderungen einfordern zu können. Hier liegt die Bedeutung der gegnerischen Kultur.

Überigens, das, was mein langjähriger Freund Howard Zinn da schrieb, wurde angesehen als etwas sehr Radikales und Extremes. Das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” oder andere sagten, dass Zinn eine Art extremistischer Verrückter ist oder so was. Doch Zinn zitierte im Prinzip Adam Smith. Fast buchstäblich. Adam Smith in “Wealth of the Nations” verwies darauf, dass in England die Kaufleute und Fabrikanten, in deren Händen die Macht damals lag, ihre eigenen Interessen penibel absicherten, unabhängig davon, wie schlimm und abscheulich die Konsequenzen für die Bevölkerung waren. Smith verurteilte die blutige Ungerechtigkeit der Europäer, insbesondere die Engländer in Indien.

Adam Smith ist ein altmodischer, konservativer Traditionalist. Doch er hatte ein moralisches Gewissen. Er war rational. Er konnte erkennen, wie Politik betrieben wird. Heute würde seine Position als extremistisch angesehen: Ein Anzeichen für den Rückgang westlicher Kultur in den letzten Jahrhunderten.

Adam Smith, zwar als Held angebetet, aber nicht gelesen, konnte damals Sachen ausdrücken, die eigentlich Binsenweisheiten sind. Das Gegenstück zu ihm, Howard Zinn, wird hier heute als antiamerikanisch, extremistisch und so weiter denunziert. Das sagt viel über westliche Kultur.

Aber die Beobachtungen von Adam Smith sind korrekt. So ungefähr läuft das Weltgeschehen ab. Und eine gegnerische Kultur kann das bekämpfen und hat das auch über Jahrhunderte getan. Das ist die Art, wie Fortschritt stattfindet.

Quelle: Transkript des Interviews mit Noam Chomsky vom 24. März 2010; www.kontext-tv.de/

Das vollständige Interview mit Chomsky in Ton und Bild gibt es bei kontext-tv: www.kontext-tv.de/



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