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Diplomaten desertieren

Drei iranische Botschaftsangehörige haben politisches Asyl in Skandinavien beantragt

Von Karin Leukefeld *

Die iranische Regierung hat am Sonntag (19. Sep.) eine zuvor von Agenturen gemeldete Festnahme von sieben US-Soldaten an der Grenze zu Pakistan dementiert. Wie der Fernsehsender Press-TV unter Berufung auf die Revolutionsgarden berichtete, sei »kein amerikanischer Soldat« festgenommen worden. Eine iranische Internetseite hatte zuvor gemeldet, »vor kurzem« seien im Grenzgebiet zu Pakistan sieben US-Soldaten festgenommen worden, die versucht hätten, in den Iran einzudringen.

Unterdessen haben seit Jahresanfang drei hochrangige Mitarbeiter iranischer Botschaften in Europa ihrer Regierung den Rücken gekehrt. Zuletzt floh am vergangenen Dienstag (14. Sep.) Farzad Farhangian, der bisherige Presseattaché der iranischen Botschaft in Brüssel, mit seiner Familie nach Oslo und beantragte dort politisches Asyl. Gegenüber der Presse sagte er, sein Leben sei in Gefahr gewesen, er wolle sich der Oppositionsbewegung anschließen.

Als Erster hatte im Januar ein Mitarbeiter des iranischen Konsulats in Norwegen, Mohammed Reza Haydari, um politisches Asyl in Norwegen gebeten, das ihm mittlerweile gewährt wurde. Als Zweiter folgte Mitte September der stellvertretende Botschafter in Finnland, Hossein Alizadeh. Er könne die Politik gegen die Oppositionsbewegung in seiner Heimat nicht mehr mittragen und habe für sich und seine Familie in Finnland politisches Asyl beantragt. »Ich kann den Wahlbetrug nicht akzeptieren«, sagte Alizadeh vor Reportern in Helsinki. »Die Situation wird immer schlimmer.« Seit 2008 war Alizadeh stellvertretender Botschafter in Finnland gewesen. Die iranische Regierung bestätigte zwar, daß Alizadeh nicht mehr im Amt sei, erklärte jedoch, der Diplomat habe darum gebeten, in Finnland bleiben zu dürfen, damit seine Kinder in ihrer gewohnten Umgebung die Schule beenden können.

Bei seiner Pressekonferenz sprach Alizadeh hingegen von einem Netzwerk »grüner Botschaften«, die Kontakt zu den Mitgliedern der Opposition hielten. »Viele Diplomaten sind für die grüne Bewegung«, sagte er. Die »grüne« iranische Oppositionsbewegung war nach den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr entstanden. Grün war die Farbe, die Oppositionsführer Mir-Hossein Mussawi für seinen Wahlkampf gewählt hatte. Die iranische Regierung vermutet, daß die Oppositionsbewegung insbesondere von den USA und Europa unterstützt wird. Tatsächlich gibt es vor allem bei den »Volksmudschahidin« Hinweise auf eine sehr enge Kooperation mit dem US-Geheimdienst CIA. Auch US-Außenministerin Hillary Clinton drückte gegenüber dem US-Fernsehsender ABC unverblümt ihre Hoffnung auf einen Putsch im Iran aus. Sie hoffe, »daß es Anstrengungen von verantwortlichen zivilen und religiösen Führern im Iran gibt, den Staatsapparat zu übernehmen«, sagte sie in dem Interview, das am Sonntag in den USA verbreitet wurde.

* Aus: junge Welt, 20. September 2010


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