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Auf der Druck-Schiene

USA und EU wollen die Sanktionen gegen Iran verschärfen

Von Knut Mellenthin *

USA und EU drohen dem Iran mit einer Verschärfung der Sanktionen. Bei einem Besuch in Paris erklärte der amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates am Montag: »Der einzige Weg, der uns an diesem Punkt bleibt, scheint die Druck-Schiene zu sein. Aber dazu ist erforderlich, daß die gesamte internationale Gemeinschaft zusammenarbeitet.« Noch deutlicher drückte sich der französische Außenminister Bernard Kouchner aus: »Das einzige, was wir machen können, ist die Verhängung von neuen Sanktionen, da Verhandlungen unmöglich sind.«

Viele Medien suggerierten am Dienstag, daß sich in dieser Frage auch Rußland schon »im Boot« befinde. Sie beriefen sich dabei jedoch lediglich auf den Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses der Duma, Konstantin Kosachjow. Die russische Nachrichtenagentur Interfax hatte ihn am Montag mit einer persönlichen Stellungnahme zitiert, in der es hieß: »Die Welt sollte ganz schnell reagieren und Teheran eine Botschaft senden, die mögliche ernsthafte Maßnahmen, einschließlich strengerer Sanktionen, beinhaltet. Diese Botschaft muß deutlich und gewichtig sein.«

Kosachjow ist für seine Nähe zu westlichen Positionen seit Jahren bekannt. Allerdings hat das Parlament keine große Bedeutung für die Festlegung der Außenpolitik. Die russische Regierung hat auf die Verschärfung des Streits um das iranische Atomprogramm bisher auffallend zurückhaltend reagiert. Außenminister Sergej Lawrow mahnte am Wochenende während der Sicherheitskonferenz in München den Westen, daß Irans Sicherheitsinteressen berücksichtigt werden müßten, wenn man wirklich eine Verhandlungslösung anstrebt.

Der größte Widerstand gegen eine neue Sanktionsresolution des UN-Sicherheitsrates kommt derzeit von China. Ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums sprach sich am Dienstag für diplomatische Gespräche aus und warnte vor neuen Strafmaßnahmen. Einer aktuellen Meldung der Financial Times zufolge hat China schon im Jahre 2008 die EU als bisher größten Handelspartner Irans abgelöst. Seither sind unter dem zunehmenden Druck der USA und Israels weitere europäische Unternehmen aus dem Iran-Geschäft ausgestiegen oder haben wichtige Verträge platzen lassen.

Unterdessen hat Iran der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) am Montag offiziell seine Absicht mitgeteilt, sofort mit der Anreicherung von Uran auf annähernd 20 Prozent zu beginnen. Die vorbereitenden Arbeiten in der Anreicherungsanlage in Natanz sollten schon am Dienstag starten. Sie werden, wie es der Atomwaffensperrvertrag vorsieht, von Inspekteuren und Überwachungskameras der IAEA kontrolliert werden, so daß eine Zweckentfremdung ausgeschlossen ist.

Iran benötigt Brennplatten aus zwanzigprozentigem Uran für den Betrieb eines Reaktors in Teheran, den das Land 1969 von den USA als Geschenk erhalten hatte. Dort werden medizinische Isotope für die Behandlung von Krebspatienten hergestellt. Der Brennstoff für die Anlage, den Iran in den 1990er Jahren von Argentinien gekauft hatte, geht in diesem Jahr zu Ende.

Iran hätte es vorgezogen, die benötigten Brennplatten zu importieren. Sicherheitsbedenken gegen ein solches Geschäft gibt es nicht. Die Regierungen von USA und EU machten dennoch den Handel von diktierten Bedingungen abhängig, denen sich Iran nicht unterwerfen will. Ob das Land aber in absehbarer Zeit fähig ist, nicht nur Uran auf 20 Prozent anzureichern, sondern daraus anschließend Brennplatten zu produzieren, wird von Experten bezweifelt.

* Aus: junge Welt, 10. Februar 2010


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