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Iran trotzt Embargo

US-Sanktionen nur teilweise wirksam: Einnahmen des Landes aus dem Ölgeschäft doppelt so hoch wie vor zehn Jahren

Von Knut Mellenthin *

Die US-Regierung hat in der vergangenen Woche elf Staaten von den Sanktionen befreit, mit denen sie die Abnehmer von iranischem Erdöl bedroht. Die Anfang 2012 in Kraft getretenen Strafmaßnahmen schließen die Großbanken solcher Länder vom Finanzmarkt der Vereinigten Staaten aus. Das bedeutet für die meisten von ihnen erhebliche Verluste, die weit über den Profiten liegen, die vielleicht aus Geschäften mit dem Iran gewonnen werden könnten.

Das Gesetz erlaubt der US-Regierung jedoch, Ausnahmen, sogenannte »Waivers«, zu gewähren. Bedingung ist, daß die betreffenden Länder zuvor »signifikante« Kürzungen ihrer Ölimporte aus dem Iran vorgenommen haben. Was das genau bedeutet, ist nicht festgelegt. Die Waivers müssen alle sechs Monate überprüft und verlängert werden, um ihre Gültigkeit zu behalten.

Dieses Verfahren wird für insgesamt zwanzig Länder praktiziert. Die elf Staaten, für die die Ausnahmegenehmigungen jetzt bereits zum dritten Mal erneuert wurden, sind neben Japan die EU-Mitglieder Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Polen, Italien, Griechenland, Tschechien, Belgien und die Niederlande. Wozu diese Länder überhaupt noch eine Befreiung von den Strafmaßnahmen der USA benötigen, ist nicht nachvollziehbar: Schließlich importieren sie, zumindest nach ihrer eigenen Beschlußlage, schon spätestens seit dem 1. Juli vorigen Jahres kein iranisches Öl mehr.

Drohkulisse

Die neun anderen Staaten, deren Ölimporte aus dem Iran nach diesem Gesetz regelmäßig von Washington überprüft werden, sind China, Indien, Südkorea, die Türkei, Sri Lanka, Südafrika, Malaysia, Singapur und Taiwan. Deren Waivers wurden Anfang Dezember 2012 zum zweiten Mal verlängert und sind erst wieder im Juni fällig. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes hat Washington noch keinem der betroffenen zwanzig Staaten die Ausnahmegenehmigung verweigert. Hauptgrund dafür ist vermutlich, daß die USA aus politischen ebenso wie aus wirtschaftlichen Gründen möglichst wenig Konflikte mit Drittländern haben wollen. Die heikle Frage, ob alle Betroffenen im zurückliegenden Halbjahr ihre Öleinfuhr aus dem Iran wirklich signifikant gesenkt haben, ist erstens nicht durch eine präzise Vorgabe im Gesetz geregelt und wäre zweitens auch gar nicht eindeutig zu beantworten: Es gibt erhebliche Schwankungen der Importmenge von Monat zu Monat, und diese ist außerdem nicht zuverlässig zu ermitteln; oft müssen Angaben nachträglich korrigiert werden.

Die US-Republikaner werfen der Regierung deshalb vor, sie handhabe die Ausnahmebestimmungen viel zu großzügig und ermögliche dem Iran dadurch Profite aus dem Ölgeschäft, »mit denen es seine nuklearen Ambitionen vorantreibt«. Die Abgeordnete Ileana Ros-Lehtinen, eine Wortführerin der Pro-Israel-Lobby, will erreichen, daß die Waivers nur noch bei einer Reduzierung der Einfuhr um mindestens 18 Prozent erteilt werden dürfen. Gemeint ist: Jeweils in den zurückliegenden sechs Monaten.

Zum Vergleich: China hat seine Ölimporte aus dem Iran nach offiziellen US-Angaben oder vielmehr Schätzungen zwischen Januar und Oktober 2012 um 22 Prozent gesenkt. In den Zeitraum fällt jedoch auch ein mehrmonatiges Tief am Jahresanfang, als harte Verhandlungen über den Preis und andere Konditionen geführt wurden. Außerdem mußten Schwierigkeiten mit dem Transport per Schiff und dessen Versicherung aus dem Weg geräumt werden. Diese waren durch den Boykott europäischer Firmen entstanden, die traditionell ein nahezu totales Monopol für Schiffsversicherungen haben. In den letzten Monaten hat China jedoch wieder mehr iranisches Öl abgenommen. Ähnliches gilt für Südkorea und Indien.

Staatliche Reserven

Nach den Erkenntnissen der Internationalen Energiebehörde (IEA), die aber nicht ohne weiteres als gesicherte Tatsachen genommen werden dürfen, hat der Iran im Dezember vergangenen Jahres 1,4 Millionen Barrel (Faß; je 159 Liter) Rohöl pro Tag (bpd) exportiert. Das läge deutlich über dem Tiefpunkt mit 900000 bpd im September 2012, aber andererseits deutlich unter der Vergleichszahl vom Dezember 2011 mit 2,2 Millionen bpd. Im Januar des laufenden Jahres wurden nach IEA-Angaben 1,13 Millionen bpd ausgeführt und im Februar 1,28 Millionen bpd. Den Monatsdurchschnitt im demnächst beginnenden iranischen Steuerjahr prognostiziert die Behörde auf 1,38 Millionen bpd. 2011, vor dem Einsetzen des EU-Embargos, hatte diese Zahl bei 2,5 Millionen bpd gelegen.

Der mengenmäßige Rückgang der Ausfuhren ist also offensichtlich. Indessen dürften Teherans Einnahmen aus diesem Geschäft im vergangenen Jahr immer noch bei umgerechnet knapp 60 Milliarden US-Dollar gelegen haben. Das ist mehr als doppelt so viel wie zu Beginn des Streits um das iranische Atomprogramm im Jahre 2003. Die Erlöse erreichten damals eine Höhe von 27 Milliarden, und das war immer noch mehr als in allen früheren Jahren.

Steigende Ölpreise haben die iranischen Devisenreserven auf über 100 Milliarden Dollar ansteigen lassen. In Teheran gibt man sich zuversichtlich, in nicht ferner Zukunft überhaupt kein Rohöl mehr verkaufen zu müssen, sondern nur noch weiterverarbeitete Produkte zu exportieren.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 19. März 2013

Dokumentiert: Botschaft des US-Präsidenten an das iranische Volk

So versöhnlich die folgende Botschaft von US-Präsident Obama an das iranische Volk klingt, so unversöhnlich ist die Haltung der US-Administration gegenüber dem iranischen Staat. Wir dokumentieren die Ansprache Obamas anlässlich des iranischen Frühlingsfestes und überlassen es unseren Leserinnen und Lesern, sich einen Reim darauf zu machen.

Botschaft zum Nouruzfest

Erklärung des Präsidenten

Nachfolgend veröffentlichen wir die Erklärung von Präsident Obama anlässlich des Nouruzfestes vom 18. März 2013. Die Übersetzung besorgte der Amerika Dienst.

Dorood. Während Sie und Ihre Familien zusammenkommen, um Nouruz zu feiern, übermittle ich meine besten Wünschen zum Frühling und zum neuen Jahr. Auf der ganzen Welt und auch in den Vereinigten Staaten kommen die Menschen am Nouruztisch zusammen, um für ihre Familien zu danken, sich auf die guten Dinge im Leben zu besinnen und die neue Jahreszeit zu begrüßen.

Wie jedes Jahr seit ich Präsident bin, möchte ich diese Gelegenheit ergreifen, um mich direkt an die Bevölkerung und die politische Führung Irans zu richten. Seit meinem Amtsantritt biete ich der iranischen Regierung eine Möglichkeit neuer Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern, wenn sie ihren internationalen Verbindungen nachkommt. Iran könnte dann seinen rechtmäßigen Platz in der Staatengemeinschaft wieder einnehmen.

Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass es schwierig sein wird, die Jahrzehnte des Misstrauens zu überwinden. Es wird ernsthafte und nachhaltige Bemühungen erfordern, die vielen Differenzen zwischen Iran und den Vereinigten Staaten auszuräumen. Dazu gehören die ernsthaften und zunehmenden weltweiten Bedenken über das iranische Atomprogramm, das Frieden und Sicherheit in der Region und darüber hinaus gefährdet.

Die Führung Irans sagt, das Atomprogramm diene der medizinischen Forschung und Stromgewinnung. Bisher konnte sie die internationale Gemeinschaft allerdings nicht davon überzeugen, dass ihre nuklearen Aktivitäten rein friedlichen Zwecken dienen. Daher ist die Welt in der Entschlossenheit geeint, dieses Thema anzugehen, und aus diesem Grund wird der Iran derzeit isoliert. Die Bevölkerung Irans zahlt einen hohen und unnötigen Preis für den Unwillen ihrer politischen Führung, dieses Thema anzugehen.

Ich habe immer wieder gesagt, dass die Vereinigten Staaten es vorziehen, dieses Thema friedlich und diplomatisch zu lösen. Wenn – wie die iranische Führung sagt – mit dem Atomprogramm friedliche Zwecke verfolgt werden, gibt es eine Grundlage für eine praktische Lösung. Diese Lösung würde dem Iran Zugang zu friedlich nutzbarer Kernenergie geben, während die ernsten Fragen endgültig beantwortet werden können, die die Welt zur wahren Natur des iranischen Atomprogramms hat.

Die Vereinigten Staaten sind wie die übrige internationale Gemeinschaft bereit, eine solche Lösung zu finden. Jetzt ist es Zeit für unmittelbare maßgebliche Schritte der iranischen Regierung, um die Spannungen abzubauen und in Richtung einer dauerhaften und langfristigen Beilegung der nuklearen Fragen zu arbeiten.

Es wird nicht einfach sein, eine Lösung zu finden. Aber wenn wir es schaffen, wird die iranische Bevölkerung die Vorteile von mehr Handel und besseren Beziehungen zu anderen Ländern, auch den Vereinigten Staaten, erleben. Wenn die iranische Regierung aber ihren bisherigen Weg weiterverfolgt, wird sie nur weiter zur Isolierung Irans beitragen. Die iranische Führung steht nun vor dieser Entscheidung.

Ich hoffe, dass sie einen besseren Weg wählt – für das iranische Volk und den Rest der Welt. Es gibt keinen Grund, warum den Iranern nicht dieselben Chancen wie Menschen in anderen Ländern offenstehen sollten, genauso wie die Iraner dieselben Rechte und Freiheiten verdienen wie andere Menschen.

Die Isolierung Irans ist auch für den Rest der Welt nicht gut. Genauso wie Ihre Vorfahren im Laufe der Geschichte die bildenden Künste und die Wissenschaft bereichert haben, würden alle Länder von den Begabungen und der Kreativität der iranischen Bevölkerung profitieren, besonders von den Kenntnissen der jungen Menschen. Jeder Tag, den Sie von uns abgeschnitten sind, ist ein Tag, an dem wir nicht zusammenarbeiten, nichts gemeinsam aufbauen, nicht gemeinsam innovativ sind – und die Zukunft des Friedens und des Wohlstands gestalten, um die es an diesem Feiertag geht.

Während Sie alle mit Ihren Freuden und Familien zu Nouruz zusammenkommen, denken viele von Ihnen sicherlich an den Dichter Hafis, der geschrieben hat: „Pflanze nur den Baum der Freundschaft: Seine Frucht beglückt das Herz; doch zerbrich den Zweig der Feindschaft, denn er bringt unzähligen Schmerz.“

Während also ein der Frühling beginnt, hege ich weiterhin die Hoffnung, dass unsere beiden Länder diese Spannungen hinter sich lassen können. Ich werde weiter an einer neuen Zukunft für unsere Nationen arbeiten, die die Frucht der Freundschaft und des Friedens trägt.

Vielen Dank, und Eid-eh Shoma Mobarak **.

Originaltext: Statement by President Obama on Nowruz;
Herausgeber: US-Botschaft Berlin, Abteilung für öffentliche Angelegenheiten; http://blogs.usembassy.gov/amerikadienst/


** Die besten Wünsche zum neuen Jahr"




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