EU verschärft Sanktionen gegen Iran
Außenminister beschließen Ausweitung der Handelsbeschränkungen. Kritik aus der Wirtschaft und von der Linken *
Die EU hat am Montag (26. Juli) die bislang schärfsten Sanktionen gegen
den Iran verhängt. Die Außenminister der Europäischen Union einigten
sich auf die neuen Strafmaßnahmen, die deutlich über die im Juni
verhängten UN-Sanktionen hinausgehen. Mit dem Außenministerbeschluß vom
Montag treten nun Handelsbeschränkungen für Güter in Kraft, die sowohl
zivil als auch militärisch verwendet werden können. Frachtflüge in die
EU sowie Investitionen in die Gas- und Ölindustrie des Iran werden
gestoppt, Bank-Überweisungen von mehr als 40000 Euro in die Islamische
Republik werden genehmigungspflichtig. Darüber hinaus werden
langfristige Exportkreditgarantien untersagt. Außerdem wird eine Liste
mit Funktionären und Organisationen der iranischen Revolutionsgarde,
deren Konten eingefroren sind und deren Reisefreiheit eingeschränkt ist,
noch einmal erweitert.
Der Iran habe das Recht auf eine zivile Nutzung der Atomkraft, sagte
Bundesaußenminister Guido Westerwelle in Brüssel. »Zugleich hat er die
Pflicht zu vollständiger Transparenz, weil eine nukleare Bewaffnung
nicht akzeptiert werden kann.« Die Sanktionen »werden nicht ohne Wirkung
bleiben«, versprach Westerwelle.
Außenstaatssekretär Werner Hoyer wies Einwände der deutschen Wirtschaft
zurück, die Maßnahmen seien zu scharf. »Das Kalibrieren ist immer
schwierig, aber wir haben das richtige Maß getroffen.« Kritik kam auch
von der Linken. »Die Sanktionen werden die iranische Wirtschaft, die
bereits in einer Krise steckt, und die iranische Bevölkerung treffen«,
sagte Bundestagsfraktionsmitglied Niema Movassat in Berlin. Einen
ersichtlichen Grund für die Sanktionen gebe es nicht. Denn wo der Iran
konkret gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen habe, sei bisher
nicht aufgezeigt worden.
Am Sonntag (25. Juli) sagte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu
in Istanbul, sein iranischer Kollege Manutschehr Mottaki halte ein
Treffen mit der EU-Chefdiplomatin nach Ende des Fastenmonats Ramadan
Anfang September für denkbar. (apn/jW)
* Aus: junge Welt, 27. Juli 2010
"Iran-Krieg unvermeidlich"
USA: Exgeheimdienstchef für Militärschläge gegen Teheran
Von Rainer Matthias **
Ein ehemaliger Geheimdienstchef der USA hat sich für Militärschläge
gegen Iran ausgesprochen. Da Teheran nicht bereit sei, unter dem Druck
von Sanktionen kleinbeizugeben, werde ein Krieg »unvermeidlich«, sagte
Michael Hayden am Wochenende in einem Gespräch mit dem US-Sender CNN.
Der Luftwaffengeneral war seit Mai 2006 unter Präsident George W. Bush
Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA und wurde von Barack Obama im
Februar 2009 entlassen.
In seiner Amtszeit habe ein Angriff auf den Iran »ziemlich weit unten
auf der Liste der Optionen« gestanden, sagte Hayden jetzt. Aber
inzwischen sei er persönlich zu der Überzeugung gelangt, daß ein Krieg
»nicht das schlechteste aller möglichen Ergebnisse« wäre. Die
Wahrscheinlichkeit US-amerikanischer Militärschläge wachse mit der
Weigerung Irans, sich Einschränkungen seines zivilen Atomprogramms zu
unterwerfen. Iran strebe die Kapazität zum Bau von Atomwaffen, die
sogenannte »Breakout«-Fähigkeit, an. Das sei »ebenso destabilisierend
für die Region als ob sie wirklich Atomwaffen hätten«. Tatsächlich haben
schon mehr als ein Dutzend Staaten die »Breakout«-Fähigkeit, ohne selbst
Atomwaffen zu besitzen. Unter ihnen befinden sich Deutschland und Japan.
Seit dem Frühjahr drängen vor allem US-amerikanische Neokonservative
immer lauter und aggressiver auf eine Entscheidung zum Krieg. Viele von
ihnen vertreten die Ansicht, daß Israel mit einem »Präventivschlag«
vorangehen müsse, da von Obama kein Angriffsbefehl zu erwarten sei. Es
wird damit gerechnet, daß die Kriegspropaganda der US-Rechten im Vorfeld
der Halbzeit-Wahlen weiter gesteigert wird. Am 2. November wird über
alle 435 Abgeordnetenmandate und über 36 der 100 Senatssitze entschieden.
Indessen gaben sich iranische Militärs und Politiker am Wochenende Mühe,
angesichts der zunehmenden Kriegsdrohungen unbeeindruckt zu erscheinen.
Die Nachrichtenagentur IRNA zitierte den Kommandeur der
Revolutionsgarden, Mohammad-Ali Ja'fari, mit der Bemerkung, die USA
würden es nicht wagen, Iran anzugreifen, da sie sich der iranischen
Verteidigungskraft und der Entschiedenheit der ganzen Nation bewußt
seien. Verteidigungsminister Ahmad Vahidi bezeichnete Militärschläge der
USA oder Israels als »unwahrscheinlich«. Es gehe in Wirklichkeit um eine
»Propagandakampagne«.
** Aus: junge Welt, 27. Juli 2010
Israel begrüßt neue Iran-Sanktionen der EU
Israel begrüßt die Entscheidung der EU-Außenminister, zusätzliche und
signifikante Sanktionen gegen den Iran zu verhängen, die sich auf den
Energiesektor, das Bankwesen, Handel und Verkehr sowie die Islamischen
Revolutionswächter konzentrieren.
Diese Maßnahme der Europäischen Union übermittelt dem Iran die klare
Botschaft, dass er den Forderungen der internationalen Gemeinschaft
Folge leisten sollte. Sie zeigt den Preis an, den der Iran für die
Fortsetzung seines gegenwärtigen Verhaltens zahlen muss, und
signalisiert, dass die internationale Gemeinschaft sich mit Teherans
systematischer Missachtung internationaler Normen nicht abfinden wird.
Die EU hat einen bedeutenden Schritt vollzogen, dem ein ähnliches
Vorgehen anderen Staaten hin zu einer Ausweitung der Sanktionen gegen
den Iran folgen sollte.
Die signifikanten und weit reichenden Sanktionen müssen voll umgesetzt
werden, um dem iranischen Regime eine entschlossene Botschaft zu
übermitteln.
Außenministerium des Staates Israel, 26.07.10;
Quelle: Newsletter der Israelischen Botschaft in Berlin, 27. Juli 2010
Fragwürdige Sanktionen
Von Roland Etzel ***
Beifall für die EU, verbunden mit der Aufforderung »Weiter so!«, gab es
von US-Außenministerin Clinton, die jetzt in den USA in Sachen
Iran-Politik eindeutig den Ton vorgibt, und nicht unerwartet aus Israel.
Beide trommeln seit langem für eine möglichst totale Konfrontation mit
Iran und lassen die bange Frage von dritter Seite, ob dies nicht
irgendwann zu militärischer Konfrontation führen müsse, absichtsvoll offen.
Letzteres weist die EU bislang entschieden zurück. Nur Naivität? Noch
immer geben Brüsseler Diplomaten an, auch mit der jüngsten Verschärfung
der Handels- und Verkehrssanktionen gegen Iran verfolge man kein anderes
Ziel, als Teheran zurück an den Verhandlungstisch - im Klartext: zur
Aufgabe eines eigenständigen Nuklearprogramms - zu zwingen. Nach den
UN-Sicherheitsratsbeschlüssen ist dieses Herangehen völkerrechtlich
nicht zu beanstanden. Dass es auch im Sinne der verkündeten Absicht
besonders zielführend wäre, darf aber bezweifelt werden.
Wäre man in Westeuropa ernsthaft auf der Suche nach einer
einvernehmlichen Lösung, dürften Brasilien und die Türkei mit ihren
Vermittlungsbemühungen nicht so demonstrativ ignoriert werden, wie es
der Westen tut. Begreift man hier nicht den Ernst der Lage? Vermutlich.
Man lese nur, was Westerwelle an den Iran-Beschlüssen der EU stört:
Sanktionen, so der Bundesaußenminister, seien für Exportnationen nie gut
... Allein mit Inkompetenz ist derlei Haltung nicht ausreichend beschrieben.
*** Aus: Neues Deutschland, 28. Juli 2010 (Kommentar)
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