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EU macht Front am Golf

Ölembargo gegen Iran - Europäer schließen sich Forderung der USA an

Von Roland Etzel *

Die USA haben die Ankündigung eines Ölembargos der EU gegen Iran - wegen dessen angeblicher Atomrüstung - als »sehr gute Neuigkeit« bezeichnet. Dieser Schritt sei das Ergebnis von Konsultationen zwischen Washington und seinen europäischen Partnern. Während die deutsche Regierung dazu erwartungsgemäß wenig bis nichts sagt, hat sich auch aus dem Oppositionslager einzig die LINKE deutlich erklärt - gegen ein Ölembargo.

Lobende Worte aus Washington für die Europäische Union waren zuletzt recht rar geworden. Ob Afghanistan-Krieg, Finanzkrise oder Militärbudgets - die westliche Führungsmacht hatte stets stärkere Gefolgschaft für ihre weltpolitischen Ordnungsvorstellungen verlangt als erhalten und entsprechend gereizt reagiert. Am Mittwochabend aber gab es großen Zuspruch aus dem US-Außenministerium für die Verbündeten in Westeuropa. Das Lob galt deren Absicht, Ende es Monats ein Erdölembargo gegen Iran zu beschließen.

Da könne kaum noch etwas schiefgehen, hatte Frankreichs Außenminister Alain Juppé eilfertig schon am Mittwoch im Pariser »Figaro« versichert. Im Buhlen der EU-Schwergewichte um die größte politische Nähe zum Weißen Haus liegt der Elysée-Palast jetzt deutlich vor Downing Street Nr. 10. Die Verhandlungen der EU-Partner mit dem Ziel, am 30. Januar ein Ölembargo gegen Teheran zu beschließen, freut sich Juppé, seien auf »gutem Wege«. Das US-Außenamt von Hillary Clinton erklärte dazu umgehend, dies sei eine »sehr gute Neuigkeit«.

Was könnte das im einzelnen sein, worauf sich Juppé und Clinton so freuen? Iran, das vom Öl lebt, könnte keines mehr in den EU-Raum verkaufen. Für fast alle westlichen Staaten änderte sich damit wenig, nicht allerdings für Griechenland und Italien, die jeweils zwischen 13 und 15 Prozent ihres Ölverbrauchs aus iranischen Quellen speisen. Ihnen versicherte man, Irans Erzfeind Saudi-Arabien sei bereit, sofort als Lieferant in die Bresche zu springen. Doch zu welchem Preis? Ein Wink mit dem Euro-Rettungsschirm soll die notleidenden Regierungen in Athen und Rom offenbar gefügig machen.

Da verwundert es umgekehrt nicht, dass jene Staaten am lautesten nach Sanktionen gegen Iran schreien, die kaum davon berührt sein werden. Das sind die USA, die nach dem Sturz des mit ihnen verbündeten Schahs 1979 alle Wirtschaftsbeziehungen zu Teheran abgebrochen haben, und Frankreich, das gedenkt, sich auf dem von konkurrierenden Interessen freigebombten libyschen Ölmarkt schadlos zu halten.

Iranische und auch russische Verständigungssignale werden da als sehr störend empfunden. Nicht allein deshalb bezeichnet der LINKE-Bundestagsabgeordnete Jan van Aken ein Embargo als falsch. Der frühere UN-Waffeninspekteur hält den Verweis der EU auf den Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde für »verlogen«, denn er enthalte keinen einzigen stichhaltigen Beleg für ein iranisches militärisches Atomprogramm in den Jahren seit 2003. »Die fortdauernde Ausweitung von Sanktionen zeigt hingegen den fehlenden Willen der EU, konstruktive diplomatische Lösungen zu suchen und sorgt nur für eine weitere Verhärtung der Positionen.«

* Aus: neues deutschland, 6. Januar 2012


Variante Krieg?

Von Roland Etzel **

Bereits die Kraftmeierei an der Meerenge von Hormuz vergangene Woche hatte einen weiteren Golfkrieg in bedrohliche Nähe rücken lassen. Die Führung in Teheran ließ wie erwartet die Drohung des Westens mit weiteren Boykottmaßnahmen gegen Iran nicht ohne Gegenprovokation verstreichen. Eine tatsächliche Abriegelung der Meerenge hätte unweigerlich zum Krieg geführt.

Dem von Washington herbeigesehnten? Das ist schwer vorstellbar nach all dem, was US-Regierungen mit ihrer Politik in jüngerer Zeit in der Region verursachten: zwei von ihnen 1991 und 2003 geführte Kriege mit Hunderttausenden Toten während der Kampfhandlungen und noch mehr danach, zerbombte Städte und ein aufgrund der Kriege dem finanziellen Kollaps entgegen taumelnder US-Staatshaushalt.

Dennoch - die Obama-Regierung verhält sich genauso, als könne sie den nächsten »Wüstensturm« kaum noch erwarten. Zwar schwingt im Tonfall Obamas auch jetzt nicht jene schnoddrig-überhebliche Aggressivität der Bush-Administration mit. Doch abgesehen von seiner Außenministerin, die wohl lieber heute als morgen an Israels Seite in einen Krieg gegen Iran ziehen würde - auch die Äußerungen des Präsidenten zu Iran werden immer düsterer. Man gewinnt den Eindruck, der selbst für US-Verhältnisse ungewohnt aggressive Wahlkampf seiner republikanischen Gegner drängt ihn immer mehr in Richtung der amerikanischsten Variante eines präsidentialen »Befreiungsschlages«.

** Aus: neues deutschland, 6. Januar 2012 (Kommentar)


Südkorea sieht US-Sanktionen skeptisch

Seoul auf Öllieferungen aus Iran angewiesen ***

Südkorea will nach Angaben eines Regierungsbeamten in Seoul von den neuen Strafmaßnahmen der USA zur weiteren Einschränkung iranischer Ölexporte ausgenommen werden.

Der ranghohe südkoreanische Beamte, der nicht namentlich genannt werden wollte, sagte der Nachrichtenagentur AFP am Freitag, für Südkorea seien die neuen Sanktionen eine ernsthafte Angelegenheit. »Wir können es uns nicht leisten, diese wichtige Ölquelle zu verlieren, und wir brauchen eine Ausnahmeregelung bei der Durchsetzung der Sanktionen«, fügte er hinzu.

Die neuen US-Sanktionen richten sich gegen die iranische Zentralbank und betreffen mit dem Ölexport das Haupteinkommen des Landes. Damit will Washington die iranische Führung zum Abbruch ihres Atomprogramm zwingen. Südkorea, ein enger Vertrauter der USA, hat in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres nach amtlichen Angaben 8,16 Millionen Barrel Rohöl aus Iran eingeführt. Das entspricht 9,6 Prozent seiner gesamten Rohölimporte.

Die israelische Armee kündigte unterdessen gemeinsame Militärmanöver mit den USA an. Bei der Übung mit dem Namen »Ernste Herausforderung 12« handele es sich um ein seit längerer Zeit geplantes Manöver, teilte die Armee in einer schriftlichen Antwort auf eine AFP-Anfrage mit. Es gehe um eine Routine-Übung, die Teil einer »seit Langem bestehenden strategischen Partnerschaft« sei. Über den Zeitpunkt des Manövers machte die Armee keine Angaben.

Auch die EU hat ein mögliches Ölembargo gegen Iran angekündigt. Die EU-Außenminister könnten die Strafmaßnahme nach Angaben des französischen Außenministers Alain Juppé bei ihrem Treffen am 30. Januar beschließen. Die Spannungen zwischen Iran und dem Westen hatten zuletzt zugenommen, weil Teheran angekündigt hatte, bei Sanktionen gegen seine Ölexporte die Meerenge von Hormuz zu sperren.

*** Aus: neues deutschland, 7. Januar 2012


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