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Iran: Boykott gegen Boykotteure

Das Importembargo der EU soll mit Lieferstopp beantwortet werden

Von Ralf Streck, San Sebastián *

Iran will den Boykott der EU gegen sein Öl nicht tatenlos hinnehmen. Noch vor Inkrafttreten des Importstopps soll nun kein Öl mehr geliefert werden. Das trifft vor allem die südeuropäischen Mitgliedsländer der EU, zum Beispiel Spanien.

Teheran dreht den Spieß um und wartet nicht darauf, dass sich die Abnehmerländer aus der Europäischen Union bis Ende Juni Ersatzlieferanten gesucht haben, weil man Teheran bestrafen und ihm kein Öl mehr abkaufen will. Schon in den nächsten Tagen soll ein Gesetzentwurf ins iranische Parlament eingebracht werden, der einen sofortigen Stopp der Lieferungen nach Europa vorsieht. In einer offiziellen Erklärung des Außenministeriums heißt es, dieser Schritt werde »schwerwiegende Konsequenzen für die Europäer haben«, zitiert die Nachrichtenagentur Isna aus dem Schreiben.

Die Konsequenzen dürften vor allem die Staaten treffen, die schon in schwerem Fahrwasser sind: Krisenländer wie Griechenland, Italien und eben Spanien hängen viel stärker als etwa Deutschland von iranischem Öl ab. Gemeinsam hatten sie deshalb einen Aufschub des Boykotts von den EU-Gewaltigen für sich ausgehandelt. Spaniens wolle den Boykott danach mittragen. Damit gehöre es, so Außenminister José Manuel García-Margallo, »zu den Ländern, die sich besonders opfern«, um eine einhellige Haltung in der EU-Außenpolitik zu erreichen. Dies könnte nun durch Teherans Beschluss noch schmerzlicher werden.

Nach Angaben der spanischen Firma Cores, die für die Regierung die strategischen Ölreserven verwaltet, hat das Land 2011 rund 15 Prozent seines Öls aus Iran erhalten. Allein Russland liefert mit 16,3 Prozent mehr Öl. Auch Italien ist mit 13,3 Prozent stark abhängig von iranischem Öl. Da Italien wie Spanien gerade in die Rezession abrutschen, könnte sich ihre Wirtschaftskrise durch die steigenden Ölpreise weiter verschärfen. Griechenland importiert sogar fast 30 Prozent seines Erdölbedarfs aus Iran, und bisher hatte Teheran den Griechen wiederholt Zahlungen gestundet.

Für Erdöl wird nun eine deutliche Preiserhöhung erwartet. Am frühen Donnerstag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im März 110,73 Dollar. Das war fast ein Euro mehr als am Vortag.

Athen, Madrid und Rom müssen nun schnell neue Lieferanten finden und Verträge schließen. Es wird für sie in jedem Fall teurer. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte am Mittwoch davor gewarnt, dass sich der Preis für ein Barrel Öl um 20 bis 30 Prozent verteuern könnte, wenn der weltweit fünfgrößte Ölproduzent ausfällt.

Auf Vertragsverletzung kann sich die EU gegenüber Iran nicht berufen, wenn das Land sofort kein Öl mehr liefert. Nach Ansicht von Experten markiert das beschlossene Ölembargo einen Verstoß gegen das Freihandelsabkommen GATT und sei damit völkerrechtswidrig. Ob es wirksam sein kann, wird ohnehin bezweifelt, weil Iran weniger als 20 Prozent seines Öls nach Europa liefert.

* Aus: neues deutschland, 27. Januar 2012


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