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Hacker abgewehrt

Iran meldet nach Angriff auf Computernetzwerk seiner Ölindustrie nur unbedeutende Schäden. Spiegel online sieht trotzdem Beweis für "Verwundbarkeit des Regimes"

Von Knut Mellenthin *

Das iranische Ölministerium hat am Sonntag eine Attacke auf sein Computersystem abgewehrt. Nach Aussagen offizieller Sprecher entstand nur geringfügiger Schaden an einigen allgemeinen Daten. Die Internetseiten des Ministeriums und der Nationalen Iranischen Ölgesellschaft NIOC waren einige Stunden lang nicht erreichbar. Zu dem offenbar von Hackern angegriffenen Netzwerk gehören auch die Verbindungen des Exportterminals auf der Insel Kharg im Persischen Golf, über den bis zu 80 Prozent der Rohölausfuhr des Landes verschifft werden.

»Der Cyberangriff hat die Hauptdaten des Ölministeriums und der NIOC nicht beschädigt, da die allgemeinen Server von den Hauptservern getrennt sind«, sagte Ministeriumssprecher Ali-Reza Niksad am Montag gegenüber der iranischen Nachrichtenagentur Fars. »Nicht einmal ihre Leitungen sind miteinander verbunden, und es besteht keine Verbindung zum Internet.« Außerdem gebe es Backupkopien von allen erst- und zweitrangigen Daten, so daß keine Probleme entstanden seien.

Iran hat aufgrund früherer Attacken, hinter denen feindliche Geheimdienste vermutet werden, schon vor Monaten umfassende Sicherungsmaßnahmen für seine Computernetzwerke vorgenommen. Im März wurde ein speziell mit diesem Problemkreis befaßter Ausschuß auf höchster Ebene gebildet, an dessen Spitze Präsident Mahmud Ahmadinedschad steht. Dem Gremium gehören unter anderem der einflußreiche Parlamentssprecher Ali Laridschani, der Leiter des staatlichen Rundfunks, der Chef des Justizwesens und mehrere Minister an.

Die Onlineausgabe des Spiegel berichtete am Montag zunächst sachlich über den jüngsten Hacker-Angriff und zeigte dessen Begrenztheit auf. Autor Matthias Kremp konstatierte nüchtern, daß die Aktion »keine Ähnlichkeiten« mit früheren Attacken gegen den Iran, wie etwa dem berüchtigten Stuxnet-Wurm im Jahre 2010, aufweise, sondern »weit weniger aufwendig geplant und durchgeführt worden« sei. Kurz darauf wurde dieser Artikel weit nach unten verschoben und durch einen rein spekulativen Text von Ulrike Putz (Korrespondentin in Beirut) und Christoph Sydow ersetzt, der schon mit dem Titel »Nadelstich gegen ein angeschlagenes Regime« die politische Absicht signalisierte. Dort hieß es nun plötzlich, daß die Attacke die zunehmende Verwundbarkeit des Regimes in Teheran deutlich mache. Allein die jetzt aufgezeigte Möglichkeit, daß ein Cyberangriff auf die Schaltzentralen des Rohstoffsektors den iranischen Ölexport mehrere Tage lang lahmlegen könne, drohe potentielle neue Kunden zu vergraulen. Sollte diese Wirkung tatsächlich eintreten, wäre sie gleichsam ein Verstärker der Sanktionen und würde Irans Wirtschaft schmerzlich treffen. Nicht fehlen durfte in dem Beitrag der Standardhinweis, daß die gegen das Land verhängten Sanktionen »Wirkung zeigen« und daß dies auch »die plötzliche Gesprächsbereitschaft Teherans« erkläre, das sich nun »sogar genötigt« sehe, »Trippelschritte in Richtung eines Kompromisses zu tun«.

Im Iran sieht man die Dinge jedoch völlig anders: Politiker, Militärs und Medien feiern dort das Treffen mit der Sechsergruppe – China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, USA und Rußland –, das am 14. und 15. April in Istanbul stattfand, als großen politischen Erfolg. Irans Entschlossenheit und Stärke, so heißt es, habe die Gegenseite veranlaßt, das uneingeschränkte Recht des Landes auf friedliche Nutzung der Atomkraft anzuerkennen. Jetzt sei es als vertrauensbildende Maßnahme Zeit für die Aufhebung aller Sanktionen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 25. April 2012


Israel: Iran will "Millionen Juden vernichten"

Ministerpräsident Netanjahu: Teheran muss Atomkurs ändern - sonst gibt es Krieg **

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat Iran im Atomstreit vorgeworfen, wie Nazi-Deutschland »Millionen Juden vernichten« zu wollen.

Nur die Motivation des Vernichtungswillens sei bei Iran und Hitlerdeutschland unterschiedlich, sagte Netanjahu in einem am Dienstag gesendeten Interview mit Radio Israel. »Es ist richtig, dass sie (die iranische Führung) es nicht im Namen einer Herrenrasse tun will, sondern eher im Namen einer (...) Herren-Religion«, erklärte Netanjahu. »Wenn es etwas gibt, das wir aus der jüdischen Geschichte gelernt haben, dann, dass man es ernst nehmen sollte, wenn einem jemand mit Vernichtung droht«, betonte der Regierungschef.

Er hoffe dennoch, dass Iran angesichts der internationalen Sanktionen seinen Atomkurs ändern werde. Andernfalls blieben nur militärische Mittel. Der Unterschied zwischen der Zeit der Nazi-Diktatur in Deutschland mit dem Holocaust und der Gegenwart sei, dass die Juden jetzt einen wehrhaften Staat hätten. »Wir haben die Fähigkeit, uns politisch und - noch wichtiger - militärisch zu verteidigen«, so Netanjahu.

Unterdessen sendet Iran knapp einen Monat vor der nächsten Runde der Atomgespräche positive Signale an die Weltmächte. Die Regierung in Teheran sei zu einer engeren Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA bereit, teilte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Ramin Mehmanparast, am Dienstag mit. »Wir wollen alle Unklarheiten über unser friedliches Atomprogramm beseitigen.«

So sei Iran gewillt, IAEA-Inspekteuren Zugang zu der umstrittenen Militäranlage Parchin südöstlich von Teheran zu gewähren. Die internationale Gemeinschaft hatte die Atomgespräche mit Iran am 14. April in Istanbul wieder aufgenommen. Nach dem als positiv bezeichneten Neustart ist am 23. Mai ein weiteres Treffen in Iraks Hauptstadt Bagdad geplant.

Zugleich warnte die iranische Regierung vor einer Belastung der Verhandlungen durch neue Sanktionsbeschlüsse. Wenige Stunden nach der Bekanntgabe neuer Strafmaßnahmen durch US-Präsident Barack Obama sagte Außenamtssprecher Mehmanparast am Dienstag, »jede Art von Sanktionen« weise »in die falsche Richtung«. Die Atmosphäre könne dadurch »belastet« werden.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 25. April 2012


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