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Künstliche Aufregung

IAEA-Bericht über iranisches Atomprogramm beinhaltet wenig Neues

Von Knut Mellenthin *

Am Donnerstag wurde der neue Report der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) über den Stand des iranischen Atomprogramms bekannt. Diese detaillierten Berichte werden alle drei Monate zur Diskussion bei den Vorstandssitzungen der Behörde vorgelegt. Nach den Regeln sollten sie eigentlich vertraulich sein. Seit Jahren ist jedoch üblich, daß die Berichte den Medien sofort zugespielt werden, wenn sie fertig sind. Sie werden dann oft so präsentiert, als handele es sich um die Enthüllung von Geheimnissen und Skandalen. In Wirklichkeit beruhen alle Zahlenangaben auf präzisen Beobachtungen und Kontrollen, die die IAEA in Zusammenarbeit mit dem Iran in allen Objekten durchführt, in denen mit radioaktiven Stoffen gearbeitet wird. Derzeit erfassen die Kontrollen der Behörde 16 iranische Nuklearanlagen und neun Krankenhäuser.

In den Pressemeldungen über den aktuellen Bericht wird meist die Installation eines neuen Zentrifugentyps in den Vordergrund gestellt. Der Vorgang ist jedoch schon seit mehreren Wochen bekannt. Iran betreibt die Anreicherung von Uran auf fünf und auf 20 Prozent in Natanz und Fordo bisher ausschließlich mit Uraltzentrifugen, die einem pakistanischen Modell aus den 1970er Jahren nachgebaut sind. Diese Geräte sind wenig effektiv, außerdem hochgradig störanfällig. Verschiedene modernere Zentrifugen, alle im Iran selbst produziert, waren bisher nur in einer Versuchsanlage gelaufen.

Am 23. Januar hatte Iran die IAEA darüber informiert, daß die Installation von neueren Zentrifugen des Typs IR-2m in Natanz geplant sei. Angeblich sind diese Geräte drei-, vier- oder nach manchen Behauptungen sogar fünfmal so effektiv wie das alte Modell. Halbwegs gesicherte Erkenntnisse gibt es darüber jedoch bisher nicht. Am 6. Februar stellte die Behörde fest, daß mit der Installation von zunächst 180 IR-2m begonnen worden war. Die neuen Geräte müssen nach Abschluß der Aufstellung voraussichtlich noch mehrere Monate lang getestet werden, bevor sie wirklich in Betrieb genommen werden können.

Im Bericht der IAEA wird außerdem registriert, daß Iran einen erheblichen Teil seines auf 20 Prozent angereicherten Urans sofort in die Weiterverarbeitung zu Brennplatten nimmt. Benötigt werden diese für einen Reaktor in Teheran, in dem Isotope für medizinische Zwecke, insbesondere zur Behandlung von Krebspatienten, produziert werden. Praktisch bedeutet das, daß Irans Vorrat an zwanzigprozentigem Uran, das hypothetisch zum Bau einer Atomwaffe weiterverarbeitet werden könnte, nur ganz langsam wächst. Um mehr als sinnlose Hypothesen handelt es sich dabei ohnehin nicht: Waffenfähiges Uran entsteht erst bei einem Anreicherungsgrad von über 90 Prozent. Das würde Arbeitsprozesse voraussetzen, die von der IAEA sofort entdeckt würden.

Westliche Politiker gaben sich aufgrund des neuen Berichts der Atombehörde empört. Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Victoria Nuland, bezeichnete die Installation neuer Zentrifugen als »einen weiteren provokativen Schritt«. Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, drohte Iran mit »noch mehr Druck und Isolierung«. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu ließ erklären, der IAEA-Report beweise, »daß Iran sich weiter rasch auf die rote Linie zubewegt«, von der er im vergangenen Jahr vor der UNO gesprochen hatte.

Der Bericht steht auf der Tagesordnung der nächsten IAEA-Vorstandssitzung, die vom 4. bis 8. März am Sitz der Behörde in Wien stattfinden wird. Zuvor wollen sich die Vertreter der Staatengruppe fünf plus eins (USA, Rußland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland) am kommenden Dienstag in Almaty, der alten Hauptstadt Kasachstans, mit Vertretern Irans zu Verhandlungen treffen. Die letzte Begegnung dieser Art hatte im Juni 2012 in Moskau stattgefunden.

* Aus: junge Welt, Samstag, 23. Februar 2013


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