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Israel: ElBaradei soll zurücktreten - Iran: Westen soll sich entschuldigen

Unterschiedliche Reaktionen auf den jüngsten Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO

Unterschiedlicher können die Reaktionen auf den jüngsten Bericht des IAEA-Generaldirektors Mohamed ElBaradei nicht sein: Während Israel den Rücktritt des Chefs der Wiener Atomenergiebehörde fordert und ihm eine "Vogel-Strauss-Politik" vorwirft, sieht der UN-Experte Pierre Simonitsch in einer Analyse für die "Frankfurter Rundschau" den Bericht "formal ausgewogen". Die junge Welt dagegen spricht von der Rehabilitierung Teherans.
Im Folgenden dokumentieren wir die unterschiedlichen Positionen. Dabei weisen wir darauf hin, dass die Aufforderung des UN-Sicherheitsrats an den Iran, die Urananreicherung auszusetzen, völkerrechtlich nicht haltbar ist. Denn das Statut der IAEO befürwortet ausdrücklich die Schließung des Brennstoffkreislaufes der Staaten, die dem IAEO-Regime und dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) beigetreten sind.
Die Dokumente in folgender Reihenfolge:

Iran rehabilitiert

ElBaradeis IAEA-Bericht bestätigt: Teherans Atomprogramm ist ausschließlich friedlich. Enttäuschung und Ärger bei westlichen Regierungen

Von Knut Mellenthin


Mit Enttäuschung und Ärger haben die Regierungen des Westens am Freitag (16. November) auf den jüngsten Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) über das iranische Atomprogramm reagiert. Israelische Politiker forderten sogar den Rücktritt von IAEA-Generaldirektor Mohamed ElBaradei. Im Iran hingegen wird der Bericht als neuerliche Bestätigung für den ausschließlich friedlichen Charakter des Atomprogramms gewertet.

Das von der IAEA offiziell noch nicht veröffentlichte, aber bereits im Internet zugängliche Dokument hat neun Seiten Umfang und beschäftigt sich mit zwei Themen: Im Hauptteil werden detailliert die Ergebnisse der seit August geführten Untersuchung über »ausstehende Fragen« der Entwicklungsgeschichte des iranischen Atomprogramms dargestellt. Im Anschluß daran wird über den aktuellen Stand der Arbeiten an der Urananreicherung und am Bau eines Schwerwasserreaktors in Arrak berichtet.

Angaben bestätigt

Im historischen Teil des Papiers wird zu wesentlichen, bisher nicht endgültig geklärten Fragen jetzt eindeutig festgestellt, daß die von iranischer Seite gemachten Angaben als bestätigt und bewiesen anzusehen seien. Einige noch offene Punkte sollen planmäßig »in wenigen Wochen« und »in nächster Zeit« abgeschlossen werden. ElBaradei hat dafür das Jahresende als Termin gesetzt. Daß immer noch nicht alle Fragen vollständig geklärt sind, ist –wie es im Bericht wörtlich heißt – begründet durch die »lange Geschichte und Komplexität des Programms«. Die IAEA hat vom Iran nicht nur eine vollständige Chronologie aller Ereignisse gefordert und erhalten, sondern hat sich auch die Teilnehmerlisten von bis zu 20 Jahren zurückliegenden Beratungen geben lassen, um anschließend Einzelgespräche mit den beteiligten Personen zu führen. Schwierige Fragen, wie beispielsweise die Gründe für die Schließung einer Uranmine im Jahr 1993, wurden genau erforscht. Umso beachtlicher sind die Ergebnisse, die die Iraner in allen bisher abgeschlossenen Punkten ohne Einschränkung rehabilitieren. Im Bericht wird überdies festgestellt, daß die iranische Seite der IAEA in zufriedenstellender Weise Zugang zu allen beteiligten Personen ermöglicht und alle Fragen in angemessener Zeit beantwortet hat.

Unter IAEA-Kontrolle

Die Klärung der Geschichte des iranischen Atomprogramms ist von allergrößter Bedeutung, weil die gegen Iran verhängten Sondermaßnahmen, wie etwa die Forderung nach Einstellung aller Arbeiten an der Urananreicherung, ausschließlich mit offenen Fragen aus der Vergangenheit begründet worden sind. Der Atomwaffensperrvertrag (NPT) bietet keine Handhabe, dem Iran die Urananreicherung oder auch den Bau eines Schwerwasserreaktors zu verbieten.

Daher ist es aus rechtlicher Sicht auch unerheblich, daß in ElBaradeis jüngstem Bericht erneut festgestellt wird, was vom Iran gar nicht bestritten wird und nach dem NPT nicht zu beanstanden ist: Die Arbeiten an der Urananreicherung gehen weiter. Iran hat zur Zeit 3000 Gaszentrifugen in Betrieb, wenn auch nicht mit voller Kapazität. Der Prozeß steht unter vollständiger, strikter Kontrolle der IAEA, ebenso wie das gesamte bisher produzierte angereicherte Uran. Der höchste von der IAEA gemessene Anreicherungsgrad ist vier Prozent. Für die Herstellung von waffenfähigem Uran wären 80 bis 90 Prozent erforderlich.

* Aus: junge Welt, 18. November 2007


Hier geht es zum IAEA-Report 2007 (pdf-Datei, englisch): Implementation of the NPT Safeguards Agreement and relevant provisions of Security Council resolutions 1737 (2006) and 1747 (2007) in the Islamic Republic of Iran


In der Frankfurter Rundschau kommentiert Pierre Simonitsch den IAEO-Bericht. Obwohl er zunächst einräumt, dass in dem Bericht "jeder finden (kann), was er sucht", fällt seine Interpretation so eindeutig aus wie der Titel seines Kommentars: "Teheran schwindelt". Hieraus ein Auszug:

(...)
Der Bericht des IAEO-Generaldirektors (...) ist formal ausgewogen. Konzentriert man sich aber auf den konkreten Inhalt, so stehen die Iraner als Schwindler am Pranger. Fünf der insgesamt neun Seiten des Berichts untersuchen die seit 1985 vom Iran getätigten Einkäufe auf dem nuklearen Schwarzmarkt, den der "Vater der pakistanischen Atombombe", Abdul Kadir Khan, aufgezogen hatte. Etliche diesbezügliche Fragen der IAEO hat der Iran nicht beantwortet. Teheran entschuldigt die heimlichen Geschäfte damit, dass kein Land, auch nicht China oder die Sowjetunion, den Mullahs Nukleartechnologie verkaufen wollte.

Unter den illegalen Lieferungen befand sich ein detaillierter Plan zum Bau einer Atombombe. Die Iraner haben diese Blaupause, deren Existenz den Inspektoren der IAEO seit zwei Jahren bekannt ist, erst vor einer Woche nach Wien geschickt. Sie geben an, nicht zu wissen, wie dieses Papier in ihren Einkaufskorb geriet. Es handelt sich dabei um eine 15 Seiten lange Anleitung, wie man aus hoch angereichertem Uran in Metallform zwei Halbkugeln formt, die zusammen die für eine Atomexplosion nötige kritische Masse ergeben. Bei einfachen Atombomben werden die beiden Halbkugeln erst kurz vor ihrem Abwurf zusammengesetzt, um die unbeabsichtigte Auslösung einer Kettenreaktion zu verhindern.

Im IAEO-Bericht heißt es auch, dass der Iran weiter schweres Wasser herstellt, obwohl der Weltsicherheitsrat die Schließung der Fabrik fordert. Schweres Wasser wird für den im Bau befindlichen "Forschungsreaktor" gebraucht, der waffenfähiges Plutonium absondern wird. Zu beiden Anlagen hat die IAEO keinen Zugang, sondern ist auf Satellitenfotos angewiesen.

Unter der Augen der internationalen Inspektoren weitet der Iran rasch die vom UN-Sicherheitsrat verbotene Uran-Anreicherung aus. Bisher wurden 2952 Gaszentrifugen installiert und 266 Tonnen des Ausgangsstoffes UF6 hergestellt. Die IAEO schließt nicht aus, dass es neben der Isotopentrennanlage von Natanz undeklarierte Atomlabors gibt. "Unser Wissen über das iranische Nuklearprogramm nimmt ständig ab", heißt es resignierend im Bericht.

Auszug aus: Teheran schwindelt, VON PIERRE SIMONITSCH; in: Frankfurter Rundschau, 17. November 2007

Internationale Reaktionen


Israel besorgt über IAEA-Bericht zum Iran

In Jerusalem zeigt man sich besorgt über den Bericht zum iranischen Atomprogramm, den die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) gestern veröffentlicht hat. Aufgrund seines schillernden Gesamteindrucks – so die Befürchtung – könnte der Bericht die Verhängung weiterer Sanktionen gegen den Iran verhindern.

Der Bericht lobt den Iran ausdrücklich dafür, die Kooperation bei Fragen zur Geschichte seines Atomprogramms verstärkt haben, bestätigt jedoch gleichzeitig, dass die Islamische Republik sich über die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft in Bezug auf die Einstellung der Urananreicherung hinweg setzt und letztere vielmehr in gesteigertem Maße fortführt. Die Urananreicherung ist die Voraussetzung zur Herstellung von Atomwaffen.

Israels stellvertretender Außenminister Majalli Whbee hat in Reaktion darauf den Rücktritt des IAEA-Vorsitzenden Mohammed ElBaradei gefordert. „Der versöhnliche Bericht stellt ein weiteres Beispiel für die schwächliche Politik des Komitees und seines Vorsitzenden gegenüber dem Iran dar. Es handelt sich hier um eine sträfliche Nachlässigkeit, die den Weltfrieden gefährdet“, so Whbee.

Der frühere Verteidigungsminister Ephraim Sneh sagte, Israel müsse aufhören, sich beim Vorgehen gegen den Iran auf die Weltmächte zu verlassen, und sprach von einer „Vogel-Strauss-Politik“.

In Washington versicherte man, trotz des IAEA-Berichts weiter auf eine dritte Runde von Sanktionen hinarbeiten zu wollen. Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Dana Perino, betonte: „Wir sind der Ansicht, dass selektive Kooperation nicht genug ist.“

Quelle: Newsletter der Israelischen Botschaft in Berlin, 16. November 2007


Iranischer Botschafter knüpft Rückgabe von Irans Atomdossier an IAEO an bessere Kooperation

MOSKAU, 16. November (RIA Novosti). Die Rückgabe des iranischen Atomdossiers an die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) würde günstigere Bedingungen für die Zusammenarbeit Teherans mit der internationalen Gemeinschaft schaffen. Das sagte der iranische Botschafter in Russland, Gholamreza Ansari, bei einer Pressekonferenz in Moskau.

„Wenn das iranische Atomdossier an die IAEO zurückgegeben wird (diese Frage prüft gegenwärtig der UN-Sicherheitsrat), so werden bessere Bedingungen für die Entwicklung einer solchen Kooperation geschaffen“, äußerte der Diplomat. Ihm zufolge arbeiten Iran und die IAEO für eine Lösung des Konflikts um das umstrittene iranische Atomprogramm recht eng zusammen. „Bei einigen Bereichen kooperieren wir sogar mehr, als es der Atomwaffensperrvertrag und sein Zusatzprotokoll vorsehen“, betonte der Botschafter.

Teheran erfüllt freiwillig ein von der iranischen Regierung unterzeichnetes, aber vom Parlament in Teheran noch nicht ratifiziertes Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag. Experten der IAEO dürfen auch Atomobjekte in Iran inspizieren.
Ansari fügte hinzu, Teheran wolle die Kooperation mit Russland in allen Sphären ausbauen. Ihm zufolge entwickelt sich die Wirtschaftszusammenarbeit beider Länder sehr schnell.

Iran-Nuclear-SNSC

US was opposed to Iran-IAEA cooperation as this would marginalize Washington as is the case now after the release of the latest report by the UN nuclear watchdog about Iran's peaceful nuclear activities, a senior national security official said on Saturday night (17 nov)

Speaking in a televised program, Deputy Secretary of the Supreme National Security Council (SNSC) Javad Vaeedi said that US position towards Iran's peaceful nuclear activities "is completely political." He made the remarks commenting on reactions made by the US and its allies in the aftermath of the release on November 15 of a report by Director General of the International Atomic Energy Agency (IAEA) Mohamed ElBaradei about Iran's peaceful nuclear activities.

ElBaradei stressed in the report that the agency has been able to verify the "non-diversion of declared nuclear material in Iran." The 44-point report has also confirmed that Iran's explanations on its P1 and P2 centrifuges were the same as IAEA's information.

"The new report has made it clear that all accusations brought against Iran by certain countries were baseless," Vaeedi said.

He stressed that Iran would firmly continue its cooperation with the IAEA within the frameworks of the former's commitments as a member of the Non-Proliferation Treaty (NPT).

Iran-Nuclear-IAEA-Hosseini

Foreign Ministry spokesman Mohammad-Ali Hosseini here Sunday stressed that Iran's request for the return of its nuclear case from New York to Vienna is a "logical" request.

Addressing foreign and domestic reporters during his weekly press briefing, he reiterated, "Tehran will follow up the case through all legal channels." Commenting on the recent report issued by Director General of the International Atomic Energy Agency (IAEA) Mohamed ElBaradei, he said ElBaradei reiterated in his report that Tehran has answered to all questions raised by the agency in an appropriate manner and has had good cooperation with it.

On US insistence on its previous approach despite ElBaradei's positive report on Iran's peaceful nuclear program, Hosseini said such an insistence proves that "Washington is not willing to make the issue clear and transparent." "If the objective of their threat is to deprive the Iranian nation of its legitimate right, they will never achieve their goals," he added.

Answering a question on whether Tehran would discuss cessation or suspension of its enrichment with the IAEA in the future, he said such issues, which belong to the past, will not be discussed any more.

Tehran, Nov 18, IRNA

Ahmadinedschad fordert vom Westen Entschuldigungen für Atom-Vorwürfe

TEHERAN, 16. November (RIA Novosti). Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat die westlichen Staaten aufgefordert, sich für ihren Verdacht gegen das iranische Atomprogramm zu entschuldigen, nachdem die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in ihrem jüngsten Bericht den friedlichen Charakter des Programms bestätigt habe.
Der Bericht des IAEO-Chefs "ist realistisch und gewissermaßen frei vom Druck einiger Mächte", sagte Ahmadinedschad am Freitag (16. November) im iranischen Fernsehen. Nach seinen Worten setzten die USA seit Jahren die IAEO unter Druck und nutzten "Irans friedliche und legitime Atomaktivitäten als Vorwand für das Schüren von Spannungen in der Region" aus.
"In ihrem jüngsten Bericht hat die IAEO festgestellt, dass alle Vorwürfe gegen Iran wie auch Meldungen der amerikanischen und anderer feindlicher Informationsquellen erlogen sind", sagte Ahmadinedschad. Die Atomenergiebehörde habe bestätigt, dass das iranische Atomprogramm friedlich und transparent ist und dass Iran alle prinzipiellen Fragen beantwortet hat. Die kritische Reaktion der USA und einiger anderen europäischen Staaten auf den Bericht bezeichnete der iranische Präsident als "nicht adäquat".


Das Auswärtige Amt, Berlin

Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Jäger, erklärte am 16. November in der Bundespressekonferenz zum iranischen Atomprogramm:

FRAGE (zum iranischen Atomprogramm): Der jüngste Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde bescheinigt dem Iran Fortschritte bei der Zusammenarbeit. Was ist die Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Bericht?

JÄGER: Es ist richtig, der Bericht des Generaldirektors der Internationalen Atomenergiebehörde, Herrn el-Baradei, liegt vor. Wir haben uns diesen Bericht angeschaut und müssen ihn weiter sehr gründlich prüfen. Der Gouverneursrat der IAEO wird Ende der nächsten Woche in Wien zusammentreten und wird dann auch über dieses Thema beraten.

Der Bericht enthält Licht und Schatten. Insgesamt ist er aber nicht ermutigend. Der Bericht verdeutlicht, dass Iran bedauerlicherweise noch immer nicht seinen internationalen Verpflichtungen nachkommt, wie sie in den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen niedergelegt sind. Er stellt insbesondere fest, dass die Aktivitäten zur Anreicherung fortgeführt werden.

Es gibt einen weiteren Aspekt, die Beantwortung der sogenannten offenen Fragen. Das sind die Fragen, die mit dem geheimen Atomprogramm des Iran in den 80er- und 90er-Jahren in Verbindung stehen. Hier bestätigt die Internationale Atomenergiebehörde dem Iran, dass es einige Fortschritte gegeben hat. Insgesamt wird der Iran aber aufgefordert, eine aktivere Haltung einzunehmen. Wir teilen diese Einschätzung; durch Aussitzen lassen sich keine Probleme lösen.

Insgesamt lässt sich sagen: Wir brauchen nicht nur Kenntnis über die Vergangenheit des Atomprogramms, sondern es muss auch der Nachweis erbracht werden, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Wenn dies gelingen soll, muss Transparenz hergestellt werden. Auch mit Blick auf die Anreicherungen muss es Fortschritte geben. Die Erwartungen des Sicherheitsrates sind hier sehr klar formuliert. Wir würden uns auch sehr wünschen und erwarten vom Iran, dass das Zusatzprotokoll in vollem Umfang angewandt wird.

ZUSATZFRAGE: Bestätigen Sie die Berichte, denen zufolge die Bundesregierung eine Allianz mit Österreich, Frankreich und England eingeht, um weitere Sanktionen gegen den Iran durchzusetzen?

JÄGER: Wir befinden uns mit unseren E3+3-Partnern in einem Abstimmungsprozess. Sie kennen den Hintergrund: Am 28. September haben sich die sechs Außenminister in New York auf ein Prozedere geeinigt. Teil dieser Absprache ist es, den Bericht, der jetzt vorliegt, abzuwarten und zu bewerten. Daneben ‑ das ist die zweite Voraussetzung, die dort formuliert wurde ‑ wird auch Javier Solana, der Hohe Beauftragte der Europäischen Union, um seine Einschätzung gebeten werden. Auf dieser Grundlage wird man sich dann im Kreis der E3+3 über das weitere Vorgehen verständigen. Dort geht es dann insbesondere um die Frage, ob wir erneut in den Sicherheitsrat gehen, um dort eine dritte Resolution zur Abstimmung zu bringen.

Es mag weitere Diskussionen auf informeller Basis geben. Sie wissen, dass selbstverständlich auch bei der Europäischen Union über diese Fragen diskutiert wird, zum Beispiel am nächsten Montag bei der Ratssitzung in Brüssel. Diese Diskussionen dauern an. Aber der Handlungsstrang, der im Augenblick vorrangig verfolgt wird, liegt ganz eindeutig bei den E3+3. Darauf werden wir in den nächsten Tagen und Wochen unser Augenmerk zu richten haben.

FRAGE NEHLS: Herr Jäger, ich habe vergessen, ob ‑ und wenn ja, warum ‑ die Erwartungen, wie Sie sagen, des Sicherheitsrates eigentlich das im Atomwaffensperrvertrag Erlaubte überlagern oder dominieren. Nach dem Vertrag ist die Anreicherung zu zivilen Zwecken nach wie vor erlaubt ‑ der Sicherheitsrat möchte das nicht. Was ist da bedeutungsvoller?

JÄGER: Sie haben es richtig formuliert. Dem Iran wird ausdrücklich das vertraglich begründete Recht zugestanden, Atomenergie zivil zu nutzen. Nun hat es aber ‑ auch das haben wir hier schon vielfach diskutiert ‑ in der Vergangenheit ein geheimes Atomprogramm gegeben, dessen Natur niemals offengelegt worden ist. Das hat das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft in die Atompolitik und das Atomprogramm des Iran zutiefst erschüttert. Daraufhin hat die internationale Gemeinschaft, um dem Iran Gelegenheit zu geben, dieses Vertrauen wiederherzustellen, bestimmte Erwartungen an den Iran formuliert, die letztlich unter anderem in zwei für den Iran verbindlichen Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen formuliert wurden. Dort wird eben klipp und klar statuiert, dass vom Iran erwartet wird, dass er die Suspendierung seines Atomprogramms leistet ‑ und zwar Suspendierung des Atomprogramms in dem Sinne, dass die Anreicherung suspendiert wird.

FRAGE BANNAS: Ich habe eine Frage zu den Sanktionen: Bekanntermaßen haben die Vereinigten Staaten schon Sanktionen verhängt, beispielsweise für den Verkehr von Banken. Bedeutet denn das, was Sie zu den Verhandlungen der E3+3 sagten, in Wirklichkeit, dass die Bundesregierung eigene Sanktionen nicht verhängt?

JÄGER: Wir müssen unterscheiden. Es gibt in der Tat, und zwar seit 1979, bilaterale amerikanische Sanktionen gegenüber dem Iran. Es gibt daneben Maßnahmen des Sicherheitsrats, niedergelegt in zwei Resolutionen, die auf Kapitel 7 der VN-Charta gründen, die sich allerdings streng auf proliferationskritische Aspekte und auf das iranische Raketenträgerprogramm beziehen.

Diese Spur wird verfolgt. Es gab in der Vergangenheit ‑ das ist insofern richtig beschrieben ‑ eine Debatte darüber, was geschehen würde ‑ abweichend von der sonstigen Übung diskutieren wir jetzt einmal eine hypothetische Frage ‑, wenn es nicht zu einer dritten Resolution des Sicherheitsrats käme. Der Bundesaußenminister hat bei seinem Besuch in Israel sehr deutlich gemacht: Wenn dies der Fall sein sollte, werden wir uns im europäischen Rahmen dieser Frage zuwenden und gemeinsam darüber nachdenken, welche Schritte dann gegebenenfalls von europäischer Seite zu ergreifen wären.

ZUSATZFRAGE BANNAS: Das wären dann Schritte im Rahmen der Europäischen Union, aber nicht einseitige Maßnahmen der Bundesregierung?

JÄGER: Das ist völlig offen. Wir würden diese Diskussion dann auf uns zukommen lassen. Allein um der Effektivität einer solchen Maßnahme willen würde es schon Sinn machen, das europäisch und nicht national aufzuhängen. Wir sind im Gespräch. Bitte sehen Sie es mir gerade mit Respekt und Blick auf den E3+3-Prozess nach, dass wir diesen Aspekt hier nicht vertiefen.

Quelle: Website des Auswärtigen Amtes; https://www.diplo.de

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