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Bushs Iran-Problem

Britische Sonntagszeitung: USA planen "chirurgische Schläge" gegen Teheran

Von Knut Mellenthin *

Die US-Streitkräfte arbeiten an Plänen für einen »chirurgischen Schlag« gegen ein Ausbildungslager für irakische Milizen im Iran. Das berichtete am gestrigen Sonntag die Sunday Times unter Berufung auf anonyme, nicht näher bezeichnete Quellen. Das neokonservativ ausgerichtete Blatt hatte in der Vergangenheit schon mehrfach Gerüchte über bevorstehende Militäroperationen gegen Iran in die Welt gesetzt.

Vor dem Hintergrund eines propagandistischen Trommelfeuers maßgeblicher US-amerikanischer Militärs und Politiker gegen die angebliche Einmischung Irans im Irak erscheint die Meldung der Londoner Sonntagszeitung aber nicht ganz unwahrscheinlich. Präsident George W. Bush sei entschlossen, schreibt das Blatt, das »Iran-Problem« nicht an seinen Nachfolger zu übergeben, ohne eine militärische Konfrontation auf den Weg gebracht zu haben.

Am Freitag (2. Mai) hatten sich die Außenminister der sogenannten 5+1 bei einem Treffen in London auf ein neues »Angebot« an Iran geeinigt. Die Gruppe besteht aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats (China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und USA) sowie Deutschland. Auf dieses Vorgehen hatten sich die 5+1 im Prinzip schon im Zusammenhang mit der dritten Sanktionsresolution des Sicherheitsrats, die am 3. März verabschiedet wurde, geeinigt. Aber während Rußland und China ein »neues Herangehen« gefordert hatten, um Bewegung in den seit August 2005 festgefahrenen Streit um das iranische Atomprogramm zu bringen, blockierten vor allem die USA.

Der Inhalt des jetzt beschlossenen »diplomatischen Vorstoßes« wurde bisher nicht bekanntgegeben. Die Vorschläge sollen zunächst dem Iran zugestellt werden. Aus der knappen Erklärung, die am Freitag abend vom britischen Außenminister David Miliband im Namen der 5+1 verlesen wurde, geht hervor, daß das »neue Angebot« offenbar weitgehend mit dem Paket identisch ist, das die Gruppe dem Iran im Juni 2006 zukommen ließ und das damals von der iranischen Seite als »völlig unzureichend« zurückgewiesen wurde.

Milibands Statement zufolge wurden die alten Vorschläge jetzt lediglich »überprüft und aktualisiert«. Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner gebrauchte die Worte »präziser und detaillierter«. Das läßt wenig »neues Herangehen« erwarten und deutet darauf hin, daß das auffrisierte alte Angebot nur als Alibi dienen soll, um nach der erwarteten Ablehnung durch Iran wieder gemeinsam an der Eskalationsschraube drehen zu können.

Wenig vertrauenerweckend ist auch Milibands Aussage, die 5+1 seien »vereint in unserem Glauben, daß die Bedrohung, die dieses Anreicherungsprogramm darstellt, sehr ernst ist«. Das widerspricht der bisher von Rußland und China eingenommenen Haltung: Zwar fordern sie den Iran als »vertrauensbildende Maßnahme« zu einer Unterbrechung der Anreicherung für die Dauer von Verhandlungen auf, haben aber mehrfach der Behauptung widersprochen, das iranische Atomprogramm stelle eine Bedrohung dar und sei auf die Produktion von Nuklearwaffen gerichtet.

Die am 3. März verabschiedete Resolution des UN-Sicherheitsrats räumt Iran eine Frist von 90 Tagen ein, um sämtlichen Forderungen, darunter die Einstellung aller Arbeiten an der Urananreicherung (einschließlich Forschung und Entwicklung) und des Baus eines Schwerwasser-Reaktors, nachzukommen.

* Aus: junge Welt, 5. Mai 2008


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