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Kriegslegitimation

Gegen den Iran werden immer tollere Vorwürfe erhoben. Jetzt wird er für die Anschläge vom 11. September 2001 verantwortlich gemacht

Von Knut Mellenthin *

Ein Bezirksrichter in Manhattan hat Mitte Dezember entschieden, daß Iran mitschuldig an den Angriffen vom 11. September 2001 sei. Die iranische Führung sei nicht nur in die Pläne der Attentäter eingeweiht gewesen, sondern habe diese auch begünstigt. Darüber hinaus hält Richter George Daniels für erwiesen, daß Iran auch heute noch eng mit Al-Qaida zusammenarbeitet, sie materiell unterstützt und ihren Führern und Mitgliedern sicheres Quartier bietet.

Die vom Kongreß am 14. September 2001 beschlossene »Authorization for Use of Military Force Against Terrorists« ermächtigt den US-Präsidenten, »gegen jene Nationen, Organisationen oder Personen, von denen er der Meinung ist, daß sie die Terrorangriffe, die sich am 11. September 2001 ereigneten, planten, anordneten oder begingen, oder daß sie diese unterstützten oder daß sie solchen Organisationen oder Personen Unterschlupf gewähren«, »alle erforderlichen und geeigneten Gewaltmittel einzusetzen«.

Angebliches Abkommen

In einem anderen Verfahren hatte ein Bezirksgericht in Washington schon am 30. November geurteilt, daß Iran für die bisher nur Al-Qaida zugeschriebenen Bombenanschläge gegen die US-Botschaften in Nairobi (Kenia) und Daressalam (Tansania) vom 7. August 1998 direkt mitverantwortlich sei. Bei den Attentaten wurden mindestens 223 Menschen getötet, darunter zwölf US-Amerikaner.

Zu diesen Meldungen muß man auch die am 22. Dezember bekanntgegebene Entscheidung des US-Außenministeriums stellen, für Hinweise zur Ergreifung des angeblichen Al-Qaida-Geldbeschaffers Jasin Al-Suri eine Rekordsumme von zehn Millionen Dollar auszusetzen. Der Syrer hält sich nach Angaben des State Department im Iran auf. Er werde von der iranischen Regierung unterstützt und stelle »eine fortdauernde Gefahr für die Interessen der Vereinigten Staaten« dar, behauptete Ministeriumssprecher Robert Hartung gegenüber der Presse. Er arbeite »aufgrund eines Abkommens zwischen Al-Qaida und der iranischen Regierung«.

Schon seit dem 28. Juli steht Al-Suri auf einer vom US-Finanzministerium aufgestellten Liste der »besonders bezeichneten globalen Terroristen«. Mit ihm wurden damals auch fünf andere namentlich genannte Männer auf diese Liste gesetzt. Gemeinsam bilden sie angeblich unter Führung des Syrers ein »Netzwerk, das Geld und Personal aus den Golfstaaten über Iran nach Irak, Afghanistan und Pakistan schleust«. Auch damals war schon von einem – angeblich im Jahre 2005 geschlossenen – Abkommen zwischen Al-Qaida und Iran die Rede.

Märchenerzähler

Die Herstellung einer Verbindung zwischen beiden, vor allem in bezug auf den 11. September, ist vermutlich für breite Bevölkerungskreise der USA eine noch wirksamere Kriegslegitimation als die letztlich doch nur hypothetische Bedrohung durch eine iranische Atombombe. Daß die angeblichen Beweise auf äußerst schwachen Beinen stehen, muß dank der willigen Mithilfe der Mainstream-Medien nicht unbedingt auffallen.

Richter George Daniels zum Beispiel stützt sein möglicherweise folgenschweres Urteil über die Mitverantwortung Irans für den 11. September nur auf bloße Behauptungen früherer oder noch aktiver CIA-Leute sowie auf drei angebliche Überläufer des iranischen Geheimdienstes. Der einzige von diesen, dessen Name in den Prozeßakten genannt wird, ist ein alter Bekannter: Abolghasem Mesbahi. Er war 1997 Kronzeuge der deutschen Justiz im Mykonos-Prozeß und arbeitete bis mindestens 2000 eng mit dem BND zusammen.

Mesbahi »flüchtete« 1996 in den Westen. Nach eigenen Aussagen war er schon 1988 beim iranischen Geheimdienst »in Ungnade gefallen«. Man sollte demnach meinen, daß er als Zeuge zum 11. September 2001 nichts Wesentliches zu sagen hat. Das Bezirksgericht in Manhattan schenkte aber seiner Behauptung Glauben, daß er noch jahrelang intensive Insiderkontakte in den Iran pflegen konnte.

Der Augenschein spricht indessen dafür, daß Mesbahi ein professioneller, wenn nicht sogar ein pathologischer Märchenerzähler ist. Unter anderem beschuldigte er schon 1997, kurz nach dem Mykonos-Prozeß, den Iran, auch für das Lockerbie-Attentat von 1988 verantwortlich zu sein, das von allen westlichen Regierungen bis heute dem libyschen Geheimdienst zugeschrieben wird. Den Schweizer Behörden wirft Mesbahi vor, sie hätten stillschweigend geduldet und sogar gefördert, daß der iranische Geheimdienst Genf als »Terrorzentrale« für Anschläge in ganz Europa nutzen konnte. Darüber hinaus behauptet er, daß der BND und die deutsche Polizei vor dem 11. September 2011 seine dringlichen Hinweise auf die bevorstehenden Anschläge ignoriert hätten.

* Aus: junge Welt, 31. Dezember 2011


Muskelspiel am Persischen Golf

Iran will Langstreckenraketen im Krisengebiet testen **

Säbelrasseln am Golf: Während die US-Marine ihre »robuste Präsenz« betont, will Iran zeigen, dass das Land nicht wehrlos ist. Jetzt will man Raketen erproben, die auch US-Militärstützpunkte treffen könnten.

Nach der Drohung, Öltransporte im Persischen Golf zu blockieren, hat Iran nun Manöver mit »Langstreckenraketen« in dem strategisch wichtigen Seegebiet angekündigt. »Samstagmorgen wird die iranische Marine einige ihrer Langstreckenraketen im Persischen Golf testen«, sagte der stellvertretende Befehlshaber der Marine, Admiral Mahmud Mussavi, der Nachrichtenagentur Fars.

Iran spricht von Langstreckenraketen, obwohl deren Reichweite 2000 Kilometer nicht überschreiten soll. Die Raketen können allerdings die US-amerikanischen Stützpunkte in der Golfregion und in Afghanistan bedrohen.

Die Raketentests gehören zu einem Großmanöver der iranischen Streitkräfte, das am vergangenen Wochenende begonnen hatte. Die bis zum 2. Januar laufenden Übungen in dem Seegebiet sollen nach Mussavis Worten nun in ihre wichtigste Phase treten. Ziel sei es, die iranische Marine auf eine kriegsähnliche Situation vorzubereiten.

Drohgebärden aus Teheran und Washington begleiten das Manöver. Trotz Warnungen aus den USA, eine Behinderung des freien Seeverkehrs werde nicht toleriert, brachte Iran eine Blockade der Straße von Hormus ins Spiel. Vizepräsident Mohammed Resa Rahimi hatte erklärt, kein Tropfen Öl werde mehr durch die Meerenge gelassen, falls der Westen die wegen des Atomstreits verhängten Sanktionen ausweite.

Der Vizechef der iranischen Revolutionsgarden, General Hossein Salami, hatte gesagt: »Wann immer die vitalen iranischen Interessen auf dem Spiel stehen, werden wir entschlossen antworten.« Die USA seien nicht in der Position, dem Land Vorschriften zu machen.

Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat im verbalen Machtkampf bisher geschwiegen. Auch das iranische Außen- und das Verteidigungsministerium hielten sich zurück. Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast hatte in der vergangenen Woche die Absicht einer Blockade der Straße von Hormus bestritten. So etwas werde gegenwärtig nicht in Betracht gezogen.

Durch das Nadelöhr befördern Tanker nach unterschiedlichen Quellen bis zu 40 Prozent des weltweit auf Schiffen transportierten Öls – unter anderem nach Westeuropa und in die USA. Auf dem Ölmarkt wird die Entwicklung deshalb aufmerksam beobachtet. Eine unmittelbare Gefahr sehen die Ölexperten aber nicht; die Ölpreise sind bisher nur mäßig gestiegen.

Die USA, Frankreich und Großbritannien unterhalten am Persischen Golf Militärstützpunkte. Die US-Marine verweist auf ihre »robuste Präsenz« in der Region und erklärt, sie werde eine Behinderung des freien Seeverkehrs nicht zulassen. Die mit den USA verbündeten arabischen Golfstaaten rüsten derweil auf. Saudi-Arabien vereinbarte mit den USA die Lieferung von 84 Kampfflugzeugen des Typs F-15 und die Modernisierung von 70 weiteren Kampfjets.

Nach der Drohung Teherans mit der Blockade hatte Washington der iranischen Regierung »irrationales Verhalten« vorgeworfen. Offenbar würden die internationalen Sanktionen gegen Iran Wirkung zeigen, sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums Victoria Nuland am Donnerstag (29. Dez.).

** Aus: neues deutschland, 31. Dezember 2011


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