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Nervenkrieg gegen Iran angeheizt

Teheran stoppt Öllieferung nach Frankreich und Großbritannien

Von René Heilig *

Iran hat seine Öllieferungen an britische und französische Unternehmen eingestellt, teilte ein Sprecher des iranischen Ölministeriums am Sonntag (19. Feb.) mit. Derweil geht der Nervenkrieg im sogenannte Atomstreit weiter.

Die EU hatte im Januar vollmundig ein Ölembargo beschlossen - obwohl die wichtigsten westeuropäischen Volkswirtschaften rund drei Monate brauchen, um sich auf die Situation einzustellen. Der Preisauftrieb auch an deutschen Tankstellen ist ein erster Hinweis darauf, dass dies nicht so einfach ist, wie man sich das in den EU-Außenämtern vorgestellt hat. Nun hat Teheran seinerseits einen Ausfuhrstopp beschlossen. Lachender Dritter könnte die ölhungrige chinesische Wirtschaft sein. Vorausgesetzt, die maritimen Lieferwege bleiben frei.

Iran plane, so hieß es in der vergangenen Woche, seine Uran-Anreicherung in einer tief verbunkerten Anlage erheblich auszubauen. Insbesondere das atomar bewaffnete Israel forciere deshalb Vorbereitungen zu einem Luftschlag.

»Ein nuklear bewaffneter Iran ist nicht nur eine Bedrohung für Israel, sondern für die ganze Welt«, sagte Israels Verteidigungsminister Ehud Barak am Samstag (18. Feb.) in Tokio. Sollte Teheran erst einmal im Besitz einer Atombombe seien, würden auch andere Staaten der Region - Saudi-Arabien, Ägypten oder die Türkei - Nuklearwaffen wollen. Ein solches Wettrüsten müsse verhindert werden.

Vor diesem Hintergrund ist Tom Donilon, US-Berater für Nationale Sicherheit, am Samstagabend in Israel eingetroffen. Präsident Obamas nationaler Geheimdienstdirektor General James Clapper will im Verlauf dieser Woche ebenfalls zu dringenden Gesprächen nach Israel reisen. Die beiden Abgesandten wollen Israel dazu bewegen, den Sanktionen gegen Teheran eine Chance zu geben.

Parallel dazu überbieten sich westliche Medien bei der »Analyse« iranischer Militärpotenz. Während die USA ihre Flugzeugträger-Gruppe um die »Abraham Lincoln« mangels Gefahr aus dem Persischen Golf ins Arabische Meer zurück verlegten, sorgt die Fahrt eines iranischen »Flottenverbandes« durch den Suezkanal ins syrische Tartus für Aufregung. Dabei handelt es sich nur um einen Marineversorger und eine leichte Fregatte, die zum Zerstörer hochstilisiert wird. Die Reise ist vermutlich weniger eine Machtdemonstration Teherans als vielmehr ein solidarischer Akt mit dem syrischen Regime.

* Aus: neues deutschland, 20. Februar 2012


Nur eine Drohung?

Von René Heilig **

Die machen nichts, die wollen nur drohen, sagen die einen. Andere glauben nicht an einen puren Nervenkrieg gegen Iran und verweisen darauf, dass Israel schon mehrmals per Jagdbomber klar gemacht, dass es neben sich keine Atomwaffenmächte duldet. Und die Zeit ist günstig, die Region im Umbruch. Nachbar Syrien ist mit sich selbst beschäftigt, Russland und China sind wegen ihrer Veto-Demonstrationen im UN-Sicherheitsrat moralisch in die Ecke gestellt. Der »Verrückte« von Teheran muss bei der erreichten Stufe der Eskalation nicht mehr allzu viel staatliche Selbstbestimmung erkennen lassen, um Angriffsbereiten einen Angriffsgrund zu liefern. Schon die Tatsache, dass Iran zwei müde Marineschiffe ins Mittelmeer schickt, wird zur »Provokation«.

Die Sache mit Iran ist brandgefährlich. Das sieht man offenbar auch in Washington so und hat Teheran Mäßigung signalisiert, indem man die Navy aus dem Persischen Golf zurückgezogen hat. Zugleich schickte Obama zwei Geheimdienstchefs aus, um Israels Ambitionen als Regionalmacht im Zaume zu halten. Und was macht die EU? Die Gemeinschaft diskreditiert sich mal wieder selbst als Kraft der Vernunft und schneidet sich im Embargowahn selbst von der Ölzufuhr ab.

** Aus: neues deutschland, 20. Februar 2012 (Kommentar)


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