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"Ich hoffe, Sie werden sich dafür entscheiden, den wirklichen Interessen der Menschen, der Gerechtigkeit und dem Recht zu folgen" / "I hope you will choose to honor the real interests of people and justice and equity"

Dokumentiert: Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad schreibt dem designierten US-Präsidenten Barack Obam einen Brief (deutsch und englisch)

Der Vorgang, den wir im Folgenden dokumentieren, ist außergewöhnlich: Seit 1979, dem Datum der iranischen Revolution, hat sich noch kein Präsident der islamischen Republik mit derartigen Glückwünschen und Ankündigungen an einen neu gewählten US-Präsidenten gewandt. Mahmud Ahmadinedschad schrieb am 6. November 2008 einen Brief an Barack Obama nach dessen Wahlsieg (4. November). Er drückt darin nicht nur die Erwartung auf eine Änderung der amerikanischen Auspenpolitik aus, sondern lässt seinerseits auch anklingen, dass der Iran an einer Verbesserung der bilateralen Beziehungen interessiert ist.
Die "Washington Post" hat den Brief ins Englische übersetzt und am 7. November 2008 publiziert. Knut Mellenthin fertigte davon eine deutsche Übersetzung an, die am 8. November in der "jungen Welt" veröffentlicht wurde.



Pfad der Rechtschaffenheit

Im Namen Gottes, des Gnädigen und Barmherzigen. Herr Obama,
gewählter Präsident der Vereinigten Staaten.

Ich gratuliere Ihnen zum Gewinn der Wahl. Wie Sie wissen gehen die Chancen, die Gott seinen Geschöpfen gibt, schnell vorbei. Sie können für die Vervollkommnung der Menschheit und zum Wohl der Nationen genutzt werden oder, Gott behüte, zum Schaden der Nationen.

Ich hoffe, Sie werden sich dafür entscheiden, den wirklichen Interessen der Menschen, der Gerechtigkeit und dem Recht zu folgen, statt der unersättlichen Gier einer selbstsüchtigen Minderheit.

Die Menschen erwarten eine unmittelbare und klare Antwort auf ihre Forderung nach grundlegenden Veränderungen der amerikanischen Regierungspolitik, sowohl nach Innen wie nach Außen. Das ist der Wunsch aller Nationen der Welt, einschließlich der amerikanischen, und es sollte Ziel und Grundlage Ihres gesamten künftigen Regierungsprogramms und Ihrer Handlungen sein.

Zum einen erwartet die amerikanische Nation mit ihren spirituellen Neigungen, daß Ihre Regierung ihre Energie und ihren Willen darauf konzentriert, dem Volke zu dienen. Das betrifft den Umgang mit der aktuellen Wirtschaftskrise; die Wiederherstellung des Ansehens, der Moral und der Hoffnung Ihres Landes; Beseitigung von Armut und Diskriminierung; Erneuerung des Respekts vor den Individuen, ihrer Sicherheit und ihren Rechten. Die amerikanische Nation erwartet zugleich eine Politik, die die Grundlagen der Familie stärkt, wie es zu den Lehren der heiligen Propheten gehört, die auch in Amerika verehrt werden.

Auf der anderen Seite erwarten die Nationen der Welt die Beendigung einer Politik, die auf Kriegstreiberei, Invasion, Einschüchterung und Schikanen, Täuschung und Betrug, auf der Demütigung anderer Länder durch das Aufzwingen voreingenommener und unfairer Forderungen beruht, auf einem diplomatischen Stil, der Haß gegen Amerika genährt und die Achtung vor dem amerikanischen Volk untergraben hat. Die Nationen der Welt wollen Handlungen sehen, die auf Gerechtigkeit, auf der Achtung der Rechte von Menschen und Staaten, auf Freundschaft und auf Nichteingreifen in die Angelegenheiten Anderer beruhen. Sie wollen, daß die amerikanische Regierung ihre Interventionen auf die Grenzen ihres Landes beschränkt.

In der empfindlichen Region des Nahen und Mittleren Ostens ist die Erwartung ganz besonders, daß die ungerechten Handlungen der letzten 60 Jahre einer Politik weichen, die die vollen Rechte aller Nationen ermutigt, besonders der unterdrückten Nationen Palästinas, Iraks und Afghanistans.

Die große zivilisationsbauende und gerechtigkeitssuchende Nation des Iran würde umfassende, faire und reale Veränderungen der Politik und der Handlungen, vor allem in dieser Region, begrüßen.

Wenn Schritte auf dem Pfad der Gerechtigkeit, im Sinne der Lehren der heiligen Propheten, unternommen werden, besteht Hoffnung, daß der allmächtige Gott helfen wird und daß der ungeheure Schaden, der in der Vergangenheit angerichtet wurde, etwas verringert werden kann.

Ich bitte Gott, der gesamten Menschheit und allen Nationen Gesundheit und Glück, Ehre und Gedeihen zu gewähren. Möge er den Herrschern und Amtsträgern die Fähigkeit schenken, aus der Vergangenheit zu lernen und jede Chance zu nutzen, zu dienen, Liebe und Güte zu verbreiten, Unterdrückung zu beseitigen, Gerechtigkeit zu tun und den heiligen Richtlinien zu folgen.

Mahmud Ahmadinedschad

Übersetzung: Knut Mellenthin


Ahmadinejad's Letter

Path of righteousness

In the name of God, the Compassionate, the Merciful

Mr. Barack Obama
President-elect of the United States of America.

I congratulate you on having gained the majority of the votes of those who took part in the election. As you know, the chances that God gives to his subjects pass swiftly. They can be used for the perfection of humanity and to the benefit of nations or, God forbid, to the detriment of nations.

I hope you will choose to honor the real interests of people and justice and equity over the insatiable appetites of the selfish minority. Use this chance to serve to the extent you can. And leave a good name behind for yourself.

People expect an immediate and clear response to the pressure for fundamental change in the American government's policies, both foreign and domestic. This is the desire of all the world's nations and of the American nation as well, and it should be the objective and basis of all your future government's programs and actions.

On the one hand, the American nation, which has spiritual inclinations, expects your government to focus its energy and will on serving the people; dealing with the current economic crisis; restoring the country's standing, morale and hope; eradicating poverty and discrimination; and renewing respect for individuals, their safety and their rights. It also expects policies that will strengthen the foundations of the family -- part of the teachings of the holy prophets, who are also revered in America.

On the other hand, the nations of the world expect an end to policies based on warmongering, invasion, bullying, trickery, the humiliation of other countries by the imposition of biased and unfair requirements, and a diplomatic approach that has bred hatred for America's leaders and undermined respect for its people. They want to see actions based on justice, respect for the rights of human beings and nations, friendship and non-intervention in the affairs of others. They want the American government to keep its interventions within its own country's borders.

In the sensitive Middle East region, in particular, the expectation is that the unjust actions of the past 60 years will give way to a policy encouraging full rights for all nations, especially the oppressed nations of Palestine, Iraq and Afghanistan.

The great civilization-building and justice-seeking nation of Iran would welcome major, fair and real changes, in policies and actions, especially in this region.

If steps are taken in the path of righteousness, toward the goal of carrying out the teachings of the holy prophets, it is hoped that almighty God will help and that the enormous damage done in the past will be somewhat diminished.

I ask the high God to grant all of humanity and all nations health and happiness, honor and prosperity, and to grant rulers and officials the ability to learn from the past and to use every chance to serve, to spread love and kindness, to eradicate oppression, to do justice and to follow the holy guidelines.

Mahmoud Ahmadiniejad


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