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Keine Klarheit

Barack Obama vermeidet in seiner UNO-Rede eindeutige Worte zur Iran-Politik. Diplomat sagt Krieg im nächsten Jahr voraus

Von Knut Mellenthin *

Von wem ist der Satz »A man’s gotta do what a man’s gotta do« – Ein Mann muß tun, was ein Mann tun muß? John Wayne soll ihn gesagt haben in »Hondo« (1954). Vielleicht aber auch schon in »Stagecoach« (1939). Andere schreiben den Satz Fred MacMurray in »The Rains of Ranchipur« (1955) zu. Allgemeine Einigkeit besteht jedoch, daß es sich um den dämlichsten Spruch der Filmgeschichte handelt. Nun ist er wohl auch, leicht abgewandelt, aber immer noch eindeutig erkennbar, der dümmste geworden, den man je in der Vollversammlung der Vereinten Nationen zu hören bekam. »Die Vereinigten Staaten werden tun, was wir tun müssen, um Iran am Erwerb einer Atomwaffe zu hindern«, sagte Barack Obama am Dienstag in seiner Ansprache vor den Vertretern der 193 Mitgliedstaaten. Auch wenn der US-Präsident diesen Teil der Rede mit seiner Lieblingsfloskel »Let me be clear« einleitete, ist jetzt vermutlich niemand schlauer als vorher.

Eindeutig ist lediglich, daß der Wunsch des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu und der Pro-Israel-Lobby, Obama möge sich endlich auf eine »rote Linie« und damit letztlich auf einen konkreten Kriegstermin festlegen, diesmal noch unerfüllt blieb. Zuvor hatte der Präsident, auch nicht wirklich aufklärend, am Sonntag in einem Fernsehinterview gesagt, in Fragen der nationalen Sicherheit lasse er sich nur davon leiten, »was richtig für das amerikanische Volk ist«. Bemerkenswert war lediglich der folgende Satz, daß er dabei »Störgeräusche von draußen« einfach abschalte, was Netanjahu wohl auf sich beziehen kann.

Genaueres behauptet Martin Indyk zu ahnen. Er war zwar zweimal Washingtons Botschafter in Israel, arbeitete aber auch viele Jahre lang für die Israel-Lobby in Washington. Bei ihm ist grundsätzlich niemals sicher, welches der beiden Länder er im Moment gerade zu repräsentieren versucht. In einem CBS-Interview sagte der Diplomat am Sonntag vor einer Woche, er gehe von einer militärischen Konfrontation zwischen den USA und Iran im nächsten Jahr aus. Obamas Rede vor der UNO enthielt nichts, das dieser Prognose widersprechen könnte. Seit Sonnabend ist der Präsident zudem mit einer zwar nicht verpflichtenden, aber dennoch politisch sehr wirkungsvollen Senatsresolution konfrontiert. In dieser wird er aufgefordert, nicht nur eine iranische Atombombe, sondern sogar schon die »Fähigkeit« (capability) zu einer solchen mit allen Mitteln zu verhindern – angenommen mit 90 gegen eine einzige Stimme.

Trotz der negativen Signale aus Washington betonte Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der sich zur Zeit in New York aufhält, Anfang der Woche in mehreren Gesprächen mit US-amerikanischen Journalisten das Interesse seines Landes an einem direkten Dialog mit den USA. In einem Interview mit David Ignatius von der Washington Post sagte er aber auch, daß erfahrungsgemäß während eines Präsidentschaftswahlkampfs nicht mit diplomatischen Schritten zu rechnen sei. »Habe ich recht?« Ignatius: »You are correct.«

Tatsächlich hat sich die Sechsergruppe – bestehend aus den USA, Rußland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland – schon seit Juni nicht mehr mit der iranischen Seite getroffen. Seither wird der Kontakt nur noch durch den iranischen Chefunterhändler Dschalili und die EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton aufrechterhalten. Die beiden kamen zuletzt am 18. September in Istanbul zu einem mehrstündigen Gespräch zusammen, das wie üblich als »nützlich und konstruktiv« bezeichnet wurde, ohne daß etwas über den Inhalt bekannt wurde. Lady Ashton soll es übernommen haben, die Außenminister der Sechsergruppe in dieser Woche am Rande der UN-Vollversammlung über ihr Treffen mit Dschalili zu unterrichten und mit ihnen über die nächsten Schritte zu sprechen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 27. September 2012


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