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Isolationsfront bröckelt

Iranische Gaspipeline nach Pakistan und Indien immer wahrscheinlicher

Von Nico Sandfuchs *

Die Verhandlungen zum Bau einer 2775 Kilometer langen Erdgaspipeline aus dem Iran über Pakistan nach Indien stehen vor dem Abschluß. Im Vorfeld der Stippvisite des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad in Neu-Delhi verdichteten sich am Dienstag die Hinweise darauf, daß auch Indien entschlossen ist, die seit 1994 mit Unterbrechung geführten Verhandlungen über das Projekt entscheidend voranzutreiben. Zuvor hatten sich Ahmadinedschad und sein pakistanischer Amtskollege Pervez Musharraf am Montag bei einem Treffen in Islamabad grundsätzlich auf den Bau der rund 7,5 Milliarden Dollar teuren Pipeline geeinigt. Ein formaler Vertrag soll »in naher Zukunft« unterzeichnet werden, bestätigte der pakistanische Außenminister Shah Mahmood Qureshi.

Spannungen zwischen Pakistan und Indien sowie US-amerikanische Bedenken hatten einen Abschluß bislang immer wieder verhindert. Zuletzt waren die Gespräche im vergangenen Jahr ins Stocken geraten, weil sich Neu-Delhi und Islamabad offiziellen Verlautbarungen zufolge nicht auf Transitgebühren und Sicherheitsmodalitäten einigen konnten.

Um die Pipeline doch noch zu verhindern, übt Washington weiterhin erheblichen Druck aus. So warnte der Sprecher des State Departments, Sean McCormack, am Montag, es sei »jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um mit dem Iran einen Deal abzuschließen«. Das indische Außenministerium hat sich allerdings bereits in der vergangenen Woche gegen »Ratschläge« der USA für die Politik gegenüber Iran verwahrt.

In Neu-Delhi ist man unter Zugzwang geraten, seitdem Islamabad und Teheran kürzlich damit drohten, das für Indien bestimmte Erdgas notfalls nach China umzuleiten, falls eine Einigung weiter verzögert würde. Bei einem geschätzten Anstieg des indischen Bedarfs von derzeit 90 Millionen Kubikmeter täglich auf bis zu 400 Millionen Kubikmeter im Jahre 2025 dürfte ein Verzicht auf die iranischen Lieferungen schwerfallen. Auch der von den USA favorisierte Plan, statt dessen Gas aus Turkmenistan nach Indien zu schaffen, stelle keine Alternative dar, meinen Experten.

Wird die Pipeline, die 60 Millionen Kubikmeter Gas täglich transportieren soll, tatsächlich gebaut, wären Teheran nicht nur Mehreinnahmen von mindestens vier Milliarden Dollar jährlich sicher – sondern auch ein veritabler Schlag gegen die US-Isolierungsbemühungen gelungen.

* Aus: junge Welt, 30. April 2008


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