Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Die Bombe aus Teheran

Gero von Randow und Ulrich Ladurner analysieren das iranische Nuklearprogramm und zeigen Auswege aus der jetzigen Situation (Buchbesprechung)

Von Karl Grobe*

Dies vorweg: Der Titel Die iranische Bombe und der Untertitel Hintergründe einer globalen Gefahr versprechen etwas mehr, als die Autoren Gero von Randow und Ulrich Ladurner halten wollen. Sie räumen das selbst ein: "Wir wissen nicht, ob der Iran die Atombombe baut. Wir wissen aber, dass er es könnte, wenn er wollte". Ob er es will und wer das entscheidende Subjekt des Wollens ist, entzieht sich ihrer Kenntnis ebenso wie der aller anderen Sachkenner. Gerade deswegen ist dies ein wichtiges, aktuelles und auch gründliches Werk.

Die Autoren verfolgen zunächst die pakistanische Spur, die Transaktionen des Abdul Qadeer Khan. Der Ingenieur "hatte aller Welt gezeigt, dass das arme, muslimische Pakistan die hochmoderne Atomtechnologie beherrschen konnte", und hat sein Wissen und einiges mehr an Iran weitergegeben. Sowohl die Entwicklung der pakistanischen Bombe als auch die Weitergabe des Wissens und mancher Technik verstießen gegen alle einschlägigen internationalen Abkommen. Daheim ist er ein Held; er lebt gleichwohl unter Hausarrest. Wie weit das Militär und Präsident Pervez Musharraf - seinerzeit der höchstrangige aller Uniformierten - über seine Tätigkeiten informiert waren oder sie begünstigt und gefördert haben, untersuchen die Autoren nicht.

Wichtig ist ihnen, was sich in Bezug auf Iran aus der Entwicklung in Pakistan ableiten lässt. Sie geschah "unter dem Eindruck einer existenziellen Bedrohung", in diesem Fall durch Indien, "ganz gleich ob sie real ist oder nur eingebildet". Der Bombenbau ist Ausdruck der staatlichen Isolation. Die Bombe macht unangreifbar.

Dann wenden sich die Autoren denn technischen und industriellen Voraussetzungen zu, dankenswert ausführlich. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil die Befürworter eines präventiven "Militärschlags", also einer Kriegshandlung, absichtlich undifferenziert mit dem Begriff "Urananreicherung" umgehen. Die 3,5-Prozent-Anreicherung, die für Kernkraftwerke ausreicht, lässt sich nicht ohne weiteres so steigern, dass sie die für die "zuverlässige" Bombe erforderlichen 90 Prozent erreicht. Sie zu beherrschen bedeutet den entscheidenden wissenschaftlichen und technischen Durchbruch. Bis zur tatsächlichen Herstellung einsatzfähiger Kernwaffen braucht Iran noch fünf bis zehn Jahre, das ist eine begründete Schätzung.

Die Schwächen der IAEO

Mit der Tätigkeit und den Ergebnissen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) befassen sich die Autoren in einem weiteren Kapitel. Durchaus kritisch gegenüber der IAEO, ihren wichtigsten Figuren und ihren sich wandelnden Aufgaben referieren sie ihre Schwächen und Stärken und verweisen auf die drei bekannten Beispiele Israel, Pakistan und Indien - jene drei Staaten, die sich dem Atomwaffensperrvertrag nicht angeschlossen haben (und ihn daher nach ihrem eigenen Verständnis nicht verletzen konnten) sowie auf die nie eingehaltene Verpflichtung der anerkannten Atommächte zur Abrüstung.

Die Darstellung der iranischen Weltsicht und des Bildes, das sich offizielle Kreise und veröffentlichte Meinung in den USA von Iran machen, hat dann zuweilen feuilletonistische Züge. Die Intervention des USGeheimdienstes CIA gegen die Regierung Mossadek 1953 wird im US-Kapitel behandelt, nicht annähernd so pointiert und sachlich untermauert, wie es spätestens seit 1993 möglich ist - in jenem Jahr veröffentlichte die New York Times die Schlüsseldokumente eines auch in Details lange bekannten Vorgangs -, und die Autoren sparen die Erörterung des Hintergrund einigermaßen aus.

Es ging damals um zweierlei. Erstens sollte die Verstaatlichung der iranischen Erdölquellen rückgängig gemacht werden; am Ende gingen sie von ausschließlich britischem in vorwiegend nordamerikanischen Besitz über. Zweitens wurde durch den CIA-Putsch die gewählte bürgerlich-demokratische Zivilregierung Irans gestürzt und der Schah wieder installiert, was ihn zum Vasallen der Großmacht USA machte. Beides zusammen ist in Iran unvergessen, und es dürfte das Bewusstsein der (nachgeborenen) Verwalter und Usurpatoren der Revolution von 1979 doch stärker geprägt haben als der Rekurs auf die 2500 Jahre zurück liegende große Zeit des Persischen Reichs. Die einander widersprechenden Realitäten der iranischen Gegenwart, die Hoffnungen auf einen Reformpräsidenten und die mit ihm und durch ihn erlittenen Enttäuschungen arbeiten die Autoren ebenso deutlich heraus wie die terroristischen Aktivitäten einer - einflussreichen - Fraktion der Mullah-Herrschaft im Ausland. Dass der Nachfolger des "Revolutionsführers" Ayatollah Ruhollah Khomeini mehrfach "Chameini" statt Khamenei (meinetwegen, in der hier gewählten Transkription, Chamenei) wiedergegeben wird, mag ein Korrekturfehler sein. Er sollte aber nicht vorkommen.

Szenarien für eine friedliche Lösung

Das Washingtoner Iran-Bild wird affirmativer gezeichnet; ob "Amerika... die Islamische Republik Iran als existenzielle Bedrohung" empfindet oder dies eine gewollte polit-rhetorische Figur ist, ist nicht unwichtig.

Im Schlusskapitel plädieren die Autoren nach einer Analyse der europäischen Iran-Politik und der Darstellung mehrerer Szenarien für sieben Schritte: Militärische Eskalation vermeiden, aber auf sie vorbereitet sein; Zeit gewinnen; Bündnisse schmieden (mit Russland und China); eine abgestufte, kluge Sanktionspolitik; Angebote an Iran (darunter die Anerkennung als regionale Ordnungsmacht); Reformprozesse anstreben, vor allem zur Durchsetzung der Menschenrechte; durch die Konzedierung der friedlichen Kerntechnik das strittige Hauptproblem lösen. Denn "nicht die Tatsache, dass der Iran ein Atomprogramm hat, bereitet Sorge, sondern der Umstand, dass es sich um den Iran in seinem gegenwärtigen Zustand handelt". Womit der Ball wieder im Feld anderer Atomwaffenmächte liegt.

Das Buch:
Gero von Randow/Ulrich Ladurner: Die iranische Bombe. Hintergründe einer globalen Gefahr. Hoffmann und Campe, Hamburg 2006, 174 Seiten, 14,95 Euro.

* Aus: Frankfurter Rundschau, 10. Mai 2006


Zurück zur Iran-Seite

Zur Atomwaffen-Seite

Zurück zur Homepage