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Krieg gegen Iran?

Hintergründe und Perspektiven

Von Clemens Ronnefeldt*

0. Einleitung

„USA gegen Iran: Der nächste Krieg?“ titelte „Der Spiegel“ (24.1.05) und druckte in deutscher Übersetzung jenen Artikel des US-Journalisten Seymour Hersh aus „The New Yorker“ ab, der mit seinen Enthüllungen über Planungen zu einem USMilitärschlag wie kaum ein anderer einzelner Beitrag zu diplomatischem Aufsehen weltweit geführt hat.

In einem weitaus weniger beachteten Interview gegenüber dem Radio- und Fernsehnetz „Democracy Now“ präzisierte Hersh seinen Artikel: Seine Gewährsleute sprächen davon, „drei bis vier Dutzend Ziele sollen im späten Frühling oder Sommer“ (Süddeutsche Zeitung, 21.1.2005) getroffen werden.

Im Streit um das iranische Atomprogramm geht es im Kern um die Frage eines regionalen Ungleichgewichtes: Während Israel, Pakistan, Indien und Russland in unmittelbarer Nachbarschaft des Iran über Atomwaffen verfügen, versuchen die USA deren Besitz der Regierung in Teheran zu verbieten. Der Druck aus Washington und Jerusalem nimmt auch in dem Maße zu, wie die Reformer im Iran immer mehr an Boden verlieren und die Macht der Mullahs wächst.

Teilweise verfolgen die EU und die USA ähnliche Ziele, so die Eindämmung des schiitischen Einflusses in der Region Libanon, Syrien, Irak und Iran sowie die Einbettung der Region in die wirtschaftliche Globalisierung, teilweise aber auch konträre, insbesondere im iranischen Atomkonflikt. Kriegskritische Stimmen innerhalb der Europäische Union, die UN, Russland, China, vor einem USMilitärschlag warnende Institutionen in den USA, der Druck der internationalen Friedensbewegung und die Bereitschaft der iranischen Regierung zu ernsthaften Verhandlungen können bewirken, dass trotz der weit fortgeschrittenen Eskalation ein Militärschlag oder neuer Krieg vermieden werden können, die die gesamte Region in Aufruhr setzen würden.

1. Zur Situation im Iran

Mit rund 66 Millionen EinwohnerInnen, davon ca. Zweidrittel unter 30 Jahren, spielt der Iran eine bedeutende Rolle als Regionalmacht. Die Opfer während der Revolution 1979, der nachfolgende Krieg mit Irak, dem rund eine Million Menschen allein auf iranischer Seite zum Opfer fielen, drei Erdbeben (1990, 2003, 2005) größten Ausmaßes sowie anhaltende US-Wirtschaftssanktionen haben in der iranischen Gesellschaft tiefe Depressionsspuren hinterlassen. Nach Angaben der iranischen Handelskammer leben rund 40 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, nach Aussagen ausländischer Diplomaten sogar über 60 Prozent. Derzeit beherbergt das Land rund 2,5 Millionen Flüchtlinge allein aus Afghanistan. In keinem Land der Erde bringen sich mehr Frauen um als im Iran, in keinem Land weltweit gibt es mehr Drogenabhängige.

Das politische Leben ist von Apathie und Enttäuschung gekennzeichnet. Im Vorfeld der Parlamentswahlen vom Februar 2004 verweigerte der konservative Wächterrat 80 Parlamentsmitgliedern die Aufstellung zu den Wahlen, weil sie die Trennung von Staat und Religion befürworteten. Das gesamte politische System krankt daran, dass jeder säkular-staatlichen Institution eine klerikale übergeordnet ist. Weil der von Konservativen dominierte Wächterrat jedes Gesetz des Parlamentes bestätigen muss, kann das Volk Reformer wählen so viel es will: Die Macht bleibt bei den Mullahs. „In der iranischen Demokratie wird keine Herrschaft akzeptiert außer jener, die von Gott auf den Führer übertragen wird. Die Macht des Revolutionsführers ist eine Gabe Gottes“, (1) erklärte unzweideutig der derzeitige Nachfolger Chomeinis, Revolutionsführer Ali Khamenei, Anfang 2004. Dem als gemäßigter Reformer geltenden Präsidenten Mohammed Chatami, seit 1997 Regierungschef, sind die Hände weitgehend gebunden. Selbst seine Fernsehansprachen werden nur zensiert gesendet.

Die Macht der konservativen Mullahs stützt sich auch auf die Wirtschaft. Nach der Revolution 1979 übertrug Chomeini das Vermögen des Schahs an religiöse Stiftungen zur Verwaltung. Inoffizielle Schätzungen gehen davon aus, dass sich rund 80 Prozent der iranischen Wirtschaft in den Händen der konservativen Kleriker befinden. Um ihre Herrschaft abzusichern, werden kritische Zeitungen verboten, demokratische Aufbrüche von Schlägertrupps im Keim erstickt, Menschenrechte mit Füßen getreten.

Frauen, deren Hosen nur bis zu den Knöcheln reichen, laufen Gefahr, verurteilt und ausgepeitscht zu werden. Dennoch bewegt sich gerade in der Frauenfrage einiges in Iran. Ein Drittel aller Arbeitskräfte sind Frauen, ein Drittel aller Promotionen werden von Frauen geschrieben, 63% der Studierenden sind weiblich. 300 Verlagshäuser werden von Frauen geführt und von den rund 4000 iranischen Nichtregierungsorganisationen beschäftigen sich etwa 150 mit Frauenfragen.

Die „Reporter ohne Grenzen“ bezeichnen Iran als größtes Journalistengefängnis der Welt. Pro Jahr verlassen wegen der genannten Zustände rund 200 000 IranerInnen das Land. Als im November 2003 der UN-Bevollmächtigte Ambegy Ligabo Iran besuchte, stellten iranische Zeitungen offen die Frage, warum er nicht politische Gefangene treffen und mit iranischen Journalisten über Menschenrechtsfragen diskutieren wollte.

Dass solche Fragen überhaupt offen in Medien gestellt werden können, zeigt, dass es durchaus Anknüpfungspunkte für Regierungen wie auch Nichtregierungsorganisationen gibt, die Hoffnungsträger für mehr Demokratie im Iran zu unterstützen, von denen viele im Bereich des Journalismus und der Menschenrechtsarbeit tätig sind.
Im Mai 2002 hielt Jürgen Habermas in Teheran einen Vortrag, der vollständig in der konservativen Zeitung „Resalat“ abgedruckt wurde - was viele iranische wie auch ausländische Beobachter des Vorgangs angenehm überraschte.

Der offene Diskurs über grundlegende politische Fragen des iranischen Systems ist im Gange, wenn er auch immer wieder schwer behindert wird.

Nach dem US-Krieg im Irak 2003 gab es im iranischen Parlament Äußerungen, nicht die Atombombe, sondern einzig mehr Demokratie könne die territoriale Integrität Irans und das System der Republik retten.

Die iranische Gesellschaft befindet sich - trotz aller Resignation - derzeit in einem sehr langsamen und schwierigen Transformationsprozess. Die Wirklichkeit der Gesellschaft ist wesentlich komplexer, als sie gewöhnlich mit den im Westen häufig benutzten Klischee-Gegensatzpaaren „Kleriker - Reformer“ oder „Mullahs - Volk“ beschrieben wird (2).

2. Zum iranischen Atomprogramm

Iran verfügt neben seinen gewaltigen Ölvorkommen über die zweitgrößten Naturgasreserven der Erde, regenerative Energieträger wie Wind oder Sonne sind bereits heute bei Streichung von Subventionen für fossile Energien im Iran rentabel zu betreiben (3).

Dass es in der Frage des iranischen Atomprogramms nicht nur um die Energieversorgung des Landes geht - so die bisherige offizielle Begründung - gab Staatspräsident Chatami erstmals im Oktober 2004 in einer Pressekonferenz indirekt zu: „Noch verfügt Iran nicht über die Atomtechnologie und dennoch diese Aufregung. Gleichzeitig ist jedoch nicht die geringste Sorge darüber spürbar, dass andere Atomwaffen haben und sie auch herstellen“ (4).

Recht deutlich, worum es eigentlich geht, wurde der iranische Verteidigungsminister Shamkhani, der darauf hinwies, dass „wir uns nach der herrschenden Lehre ganz sicher bedroht fühlen und dass wir uns für den denkbar ungünstigsten Fall vorbereiten. (...) Ein Land, das sich darauf nicht einstellt, wird das Schicksal erleben wie Irak“ (5). Solange USTruppen im Nachbarland Irak gebunden und daher kaum in der Lage sind, einen neuen Krieg zu beginnen, scheint den konservativen Mullahs das Zeitfenster günstig, zur Atommacht aufzusteigen. Die USA versuchen Russland, das die beiden Atomreaktoren bei Bushir baut, unter Druck zu setzen, was bereits zu Bauverzögerungen geführt hat. Pakistanisches Know-how unterstützte über Jahre hinweg Iran beim Aufbau seines Uran- Anreicherungsprogramms.

Nach der Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zum internationalen Atomwaffensperrvertrag im Dezember 2003 durch die Regierung in Teheran forderte Hasan Rohani, iranischer Chefunterhändler für Atomfragen, den Gouverneursrat der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) auf, die Iran-Akte zu schließen.

Die Wiener Atombehörde widersetzte sich, weil sie zuvor noch Auskunft über die Herkunft angereicherten Urans verlangte, das IAEOInspekteure in iranischen Anlagen gefunden hatten. Auch die Auskunft über die Herkunft von Gaszentrifugen, mit denen spaltbares Material sowohl für friedliche Zwecke als auch für Atombomben hergestellt werden kann, blieb bisher von Seiten der iranischen Regierung offen. Die IAEO legte 2004 den UN-Sicherheitsratsmitgliedern einen vertraulichen Bericht über das iranische Atomprogramm vor, demzufolge die Regierung in Teheran eine große Menge Uran zur Anreicherung vorbereitet. Im August 2004 bestätigte der iranische Außenminister Kharrazi, „dass sein Land den Bau von hoch angereichertem Uran wieder aufgenommen habe“ (6).

Die Taktik Irans besteht offensichtlich darin, einerseits Fakten zu schaffen, d.h. alle Bausteine für die angestrebte atomare Bewaffnung zu sammeln und andererseits auf dem Weg zu diesem Ziel jeweils gerade so viel mit der IAEO zu kooperieren, dass die USA oder Israel keine ausreichende Legitimation für einen Militärschlag oder UNSanktionen bekommen. Wie lange dieser Spagat aufrecht erhalten werden kann, ist völlig offen. Westliche Geheimdienste vermuten, dass es noch mindestens drei bis fünf Jahre dauern wird, bis Iran in der Lage ist, eine Atombombe zu bauen. “Irans Radiostationen erklären den Hörern haargenau den Unterschied zwischen Schwer- und Leichtwasserreaktoren. Die Atomtechnik wird zum Symbol des Nationalstolzes erhoben“, beschrieb „Die Zeit“ am 16.12.2004 eine weitere Facette des derzeitigen Konfliktes.

3. Zum Verhältnis Iran-USA

Der Sturz des demokratisch gewählten iranischen Ministerpräsidenten Mossadeqh, der die Ölindustrie verstaatlichen wollte, durch die CIA 1953, die Repression des US-gestützten Schahregimes, die Geiselnahme in der US-Botschaft 1979 und die missglückte US-Geiselbefreiungsaktion, die Unterstützung der US-Regierung für Saddam Hussein während des iranisch-irakischen Krieges 1980-88 sowie die anhaltenden US-Sanktionen gegenüber Iran werfen bis heute lange Schatten auf das amerikanisch-iranische Verhältnis. Im Januar 2005 forderte die Washingtoner Regierung alle Unternehmen mit amerikanischem Kapital auf, sich innerhalb eines Monats aus Iran zurückzuziehen, auch dann, wenn ihre Geschäfte nicht gegen die US-Sanktionen verstoßen.
Einer der Hauptvorwürfe von Präsident George W. Bush an das Regime in Teheran besteht darin, nicht gewählt zu sein. Dass Iran seit einiger Zeit Erdölexporte nicht mehr in US-Dollar, sondern in Euro abrechnet - ähnlich wie einige andere „Schurkenstaaten“ - missfällt der US-Regierung, ebenso eine geplante iranisch-indische Erdgas- Pipeline über Pakistan, die Washington zu verhindern sucht.

Während in der Israel-Palästina-Frage Washington und Teheran konträre Ziele verfolgen, haben beide Interesse an einem stabilen Irak: Iran, weil das Land Sicherheit an der Westgrenze braucht und einen Zerfall des Nachbarn fürchtet, der insbesondere für die Kurden im Iran erhebliche Konsequenzen hätte, Washington, weil die US-Regierung die eigenen Truppenverluste reduzieren und die finanziellen Kosten der Besatzung verringern möchte. Deswegen unterstützte die iranische Regierung die jüngsten irakischen Wahlen nach Kräften - natürlich auch im eigenen Interesse an einer bald von den USA unabhängigen schiitischen Regierung. Die engen iranisch-irakischen Verbindungen tragen für die Regierung in Teheran bereits jetzt dazu bei, die Gefahr eines US-Angriffs auf die eigenen atomaren Anlagen zu reduzieren. Der im irakischen Nadschaf äußerst einflussreiche Goßajatollah Ali al Sistani ist gebürtiger Iraner, der Chef der iranischen Justiz, Schahrudi, gebürtiger Iraker. Wegen der vielfältigen familiären Bindungen über die Landesgrenzen Iran-Irak hinweg und dem enormen Einfluss Teherans auf die schiitische Bevölkerungsmehrheit im Irak könnte bei einem US-Angriff auf Iran die Regierung in Teheran die „irakische Karte“ spielen: Würde Teheran sich nicht wie bisher relativ moderat gegenüber der US-Besatzung verhalten, sondern die Kämpfer gegen die US-Besatzung im Irak zum verstärkten Widerstand auffordern und unterstützen, würde die Zahl der toten US-Soldaten vermutlich neue Rekordhöhen erreichen.

Immer wieder gab es in der jüngeren Vergangenheit Ansatzpunkte für eine Entspannung in den usiranischen Beziehungen, die sogar zwischenzeitlich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Aufhebung der US-Sanktionen in greifbare Nähe zu rücken schienen.
In einem TV-Interview 1998 lobte Staatspräsident Chatami die „großartige amerikanische Zivilisation“ und entschuldigte sich indirekt für die Geiselnahme 1979 in der US-Botschaft.
Nach den Anschlägen vom 11.9.2001 gab es in Teheran spontane proamerikanische Demonstrationen. Washington und Teheran eint der Kampf gegen die Taliban und das Netzwerk al Qaida. Mehrere hochrangige Mitglieder des Terrornetzwerkes stehen im Iran unter Hausarrest. Für die Bombardierung von Qaida-Stellungen in Afghanistan lieferte die Regierung in Teheran logistische Unterstützung.
Im Oktober 2002 befürworteten 70 Prozent der iranischen Bevölkerung die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit den USA. Die Regierung in Teheran hatte die Umfrage in Auftrag gegeben, bei der auch herauskam, dass 40 Prozent der Befragten die seinerzeitige Politik der USA gegenüber Iran sogar nachvollziehen konnten. Die Mullahs reagierten äußerst verärgert auf diese Ergebnisse und ließen die Direktoren der beteiligten Meinungsforschungsinstitute verhaften. Unter den Festgenommenen war auch mit Abbas Abdi, der die Besetzung der US-Botschaft 1979 geleitet hatte, ein prominentes Mitglied der derzeitigen Reformbewegung. Im Frühjahr 2003 traf sich Abbas Abdi mit einer ehemaligen US-Geisel in Paris und reichte ihr vor laufender Kamera die Hand zur Versöhnung (7). Iran erkannte 2003 - zum Wohlgefallen Washingtons - sehr schnell die Übergangsregierung im Irak an. Seit langem gibt es informelle Kontakte zwischen Teheran und Washington. Nach dem Erdbeben von Bam 2003 mit mehreren zehntausend Toten leisteten die USA humanitäre Hilfe - und Teheran ließ dies zu.

Für eine Deeskalation des derzeitigen Konfliktes oder gar eine Beendigung der Eiszeit gäbe es genügend Anknüpfungspunkte.

4. Zur Rolle Israels

Meir Dagan, Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, erklärte das iranische Atomprogramm zur „größten Bedrohung für die Existenz des Staates Israel seit seiner Gründung“ (8). Noch kurz vor dem Irak-Krieg 2003 bezeichnete der israelische Generalstab Iran als Hauptfeind. In Jane´s Defense Weekly war schon im Juni 2002 zu lesen, dass Israel Pläne für einen Präventivschlag ausgearbeitet habe und nur noch auf die Zustimmung Washingtons warte. Die entsprechende Spezialmunition, 5000 „intelligente Bomben“ für tief verbunkerte Ziele, wurden Israel von der US-Regierung zugesagt, die Reichweite der israelischen Luftwaffe durch Zusatztanks für Hin- und Rückflüge bis an die Ostgrenze Irans erweitert.

Der israelische Außenminister Silwan Schalom bringt es auf den Punkt: „Israel kann mit einer Atommacht Iran nicht leben“ (zit. nach: Der Spiegel, 24.1.05). Die israelische Regierung möchte die iranische Unterstützung der Hisbollah im Libanon sowie für Hamas und Dschihad-Kämpfer in den besetzten palästinensischen Gebieten durch einen Sturz der Regierung in Teheran lieber heute als morgen beenden.

Im Mai 2003 reiste Präsident Chatami in den Libanon, um - so die Vermutung des Iran-Experten Johannes Reissner - die Hizbollah zur Mäßigung anzuhalten. In einem Spiegel-Interview erklärte der iranische Außenminister, dass seine Regierung mit einer Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt leben könnte und diese nicht blockieren würde.

5. Zum Verhältnis Iran-EU

Die europäisch-iranischen Beziehungen sind weitaus intensiver als die us-iranischen. Bis 1997 betrieben die europäischen Staaten den sogenannten „kritischen Dialog“ mit Iran. Im Gegensatz zu etlichen Stimmen der US-Politik geht die EU-Politik nicht von einer baldigen zweiten Revolution oder einer Implosion des politischen Systems im Irak aus, sondern setzt auf einen Transformationsprozess.
1997 endete der „kritische Dialog“, als das Berliner Landgericht feststellte, dass höchste politische Regierungskreise für die Ermordung kurdischer Oppositioneller im Berliner Restaurant Mykonos im Herbst 1992 mitverantwortlich waren.
Die von US-Präsident Clinton 1996 verhängten Wirtschaftssanktionen stießen in Europa auf heftigen Widerspruch und verstärkten eine zunehmend eigenständigere EU-Politik gegenüber Iran.
Die Regierungen von Frankreich, Großbritannien und Deutschland starteten im Frühjahr 1998 als EUTroika wieder direkte Gespräche mit Iran, diesmal unter der Überschrift „konstruktiver Dialog“. Dabei standen und stehen nach wie vor sicherheitspolitische Themen und Menschenrechtsfragen im Mittelpunkt.
Der Handel zwischen den EU-Staaten und Iran stieg von 1999 bis 2001 von 8,6 auf 13,2 Milliarden Euro.

Am 12.12.2002 nahmen Iran und die EU Verhandlungen über ein Handels- und Kooperationsabkommen auf, die formal im Juli 2003 vom EU-Rat beschlossen wurden.

Bei einer Umfrage im Iran im September 2002 sprachen sich 80,9 Prozent der Bevölkerung für eine Intensivierung der europäisch-iranischen Beziehungen aus, 71,4 Prozent lehnten die von der EU geforderte Anerkennung Israels durch Iran ab, 14,4 Prozent akzeptierten diese Bedingung, 44,6 Prozent waren nicht bereit, der EU-Forderung nach einem Verzicht auf Massenvernichtungswaffen Folge zu leisten, 41,8 Prozent stimmten für diesen Verzicht (9).
Meinungsumfragen im Iran haben eine nicht unerhebliche Bedeutung, weil auch die Kleriker wissen, dass sie nicht auf Dauer gegen den Willen der Bevölkerung sich an der Macht halten können.

Am 21.10.2002 beschloss der EU-Rat, ohne Vorbedingungen einen Menschenrechtsdialog mit Iran zu führen. Der bereits erwähnte iranische Justizchef, Ajatollah Schahrudi, sagte EUKommissar Chris Pattens bei dessen Besuch im Februar 2003 im Iran zu, die Todesstrafe durch Steinigung für Ehebrecherinnen abzuschaffen. Im Vorfeld des Pattens-Besuches wurden politische Gefangene als Geste guten Willens von der iranischen Führung freigelassen. Einer UNOMenschenrechtsdelegation erlaubte das iranische Regime, vor Ort zu recherchieren und damit konkrete Foltervorwürfe und willkürliche Verhaftungen zu überprüfen.
Die genannten Vorgänge wurden innerhalb der EU als Erfolg des Dialoges bewertet.

Beim EU-Rat in Thessaloniki im Juni 2003 forderten die Europäer Iran auf, mit der IAEO zusammenzuarbeiten. Auf dieser Sitzung wurde auch beschlossen, zur Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen „als letztes Mittel Zwangsmaßnahmen im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen zu ergreifen“.
Besuche von Präsident Chatami in Italien, Frankreich und Deutschland (Juli 2000) sowie in Österreich und Griechenland (beide im März 2002) zeigen ebenso wie Gegenbesuche europäischer Staats- und Regierungschefs in Teheran das Interesse an einem lebhaften gegenseitigen Austausch.

Im Oktober 2003 gelang es den Außenministern Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands auf einer gemeinsamen Reise nach Teheran, die iranische Regierung zur Unterzeichnung eines Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag - erfolgt am 18.12.2003 -, zur vollen Kooperation mit der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEO) und zur freiwilligen Suspendierung seiner Urananreicherungs- und Wiederaufarbeitungsakti- vitäten zu bewegen. In der Resolution des IAEOGouverneursrates vom 13.3.2004 wurde Iran zu umfassenderer Kooperation aufgefordert. Nach den Besuchen des IAEO-Chefs Baradei am 6.4.2004 und einer Delegation von Inspekteuren sowie weiteren Inspektionen beschäftigt sich die IAEO weiterhin mit dem iranischen Nuklearprogramm.

6. Zum Verhältnis Iran-Deutschland

Nach der Urteilsverkündung im so genannten Mykonos-Prozess im April 1997 herrschte erst einmal Eiszeit zwischen Berlin und Teheran. Im Jahre 2000 verbesserten sich die Beziehungen wieder durch den Besuch von Präsident Chatami in Deutschland. 2003 reisten der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages, der Auswärtige Ausschuss und Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker nach Teheran. Bei Besuchen von Bundesaußenminister Fischer in Teheran im Oktober 2003 und des iranischen Außenministers Kharrazi in Berlin im Mai 2004 wurden offene Punkte bezüglich des iranischen Nuklearprogramms und die Lage in der Region Mittlerer Osten besprochen.

Im wirtschaftlichen Bereich nimmt Deutschland sowohl innerhalb der EU als auch weltweit eine Sonderrolle ein, was die Handelsbeziehungen mit Iran angeht.
Seit Jahren schon exportiert Iran in kein Land der Erde so viele Nichterdöl-Produkte wie nach Deutschland (rund 10 Prozent der Gesamtausfuhren). Die Exporte aus Iran nach Deutschland lagen 2001 bei 1,9 Mrd. Euro, 2002 bei 2,2 Mrd. Euro und 2003 bei 2,6 Mrd. Euro.
Die Exporte aus Deutschland in den Iran stiegen im Jahre 2003 von ca. 2,7 Mrd. Euro auf ca. 3,0 Mrd. Euro im Jahre 2004.

Mit ihren Hermesbürgschaften gegenüber Iran in Höhe von ca. 1 Milliarde Euro liegt die Bundesregierung weltweit an erster Stelle, was die Absicherung von Handelsgeschäften mit Iran betrifft. Aus deutscher Sicht belegt Iran auf der weltweiten Länderliste deutscher Beziehungen die zweite Stelle bei der Neudeckung von Hermesbürgschaften. Rund 5000 deutsche Unternehmen unterhalten Geschäftsbeziehungen mit Iran, davon ca. 2000 mit eigenen Büros im Iran.
Wegen eines großen Aktienpakets im Besitz des Iran drohte ThyssenKrupp auf die „Schwarze Liste“ des Pentagon zu kommen. Um drohenden Handelsbeschränkungen zu entgehen, kaufte der Düsseldorfer Konzern im Mai 2003 für mehr als 400 Millionen Euro Aktien zurück - zum Dreifachen des damaligen Kurswertes.

Auch im kulturellen Bereich nimmt Deutschland eine Sonderrolle innerhalb der EU ein, was Intensität und Vielfalt der Kontakte betrifft. In Teheran gibt es das Deutsche Archäologische Institut, die Deutsche Botschaftsschule Teheran und das Deutsche Sprachinstitut. Im Herbst 2003 wurde eine Lektorin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) eingestellt. Die evangelische Kirchengemeinde in Teheran wird von einem deutschen Pfarrer geleitet.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes liegt ein Schwerpunkt der iranisch-deutschen Beziehungen im Wissenschaftsaustausch.
Seit Jahrzehnten werden iranische WissenschaftlerInnen an deutschen Hochschulen ausgebildet. Ein wichtiger Meilenstein war 2003 die Unterzeichnung eines Partnerschaftsvertrages zwischen der FH Aachen-Jülich und der Sharif-Universität Teheran zur Einrichtung eines Studienganges der FH in Teheran. Im September 2003 fand das erste Symposium des Deutsch-Iranischen Alumninetzwerkes auf Initiative der Universitäten Kassel, Marburg und Göttingen, unterstützt durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und durch den DAAD, in Teheran statt, ein Folgetreffen im April 2004 in Esfahan.

Ein deutsch-iranischer Mediendialog, an dem sowohl Vertreter der Regierungen und staatlicher Medieninstitutionen als auch Vertreter der Medien selbst teilnehmen, wurde mit einem Treffen in Teheran 2002 begonnen und im Dezember 2003 in Berlin fortgesetzt.

Am Fadjr-Kulturfestival 2004 beteiligte sich von deutscher Seite das Theater Mülheim an der Ruhr. Der Stand der Frankfurter Buchmesse auf der Teheraner Internationalen Buchmesse 2003 hatte regen Zulauf. Auch im Mai 2004 war Deutschland wieder mit einem Stand vertreten. Eine französischdeutsche Kulturwoche in Esfahan wurde im Herbst 2003 erfolgreich durchgeführt. Es gastierten u.a. das Theater im Marienbad und die Musikgruppe FisFüz. Im Mai 2004 fand eine Ausstellung mit Bildern von Gerhard Richter im Teheraner Museum für zeitgenössische Kunst statt (10).
Der Ausbau von deutsch-iranischen Städtepartnerschaften, wie z.B. zwischen Esfahan und Freiburg, könnte noch wesentlich stärker vorangetrieben werden.

In Esfahan tagte Ende 2004 der 127. Bergedorfer Gesprächskreis der Körber-Stiftung unter Vorsitz des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der u.a. mit Christoph Bertram, Leiter der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik, Gespräche mit iranischen Experten und Entscheidungsträgern zum Thema „Kultur und internationale Politik“ führte. Der westliche Begriff „Freiheit“ stehe in Iran für Zügellosigkeit, so dass Forderungen nach mehr Freiheit des Westens in der iranischen Gesellschaft auf Unverständnis stießen, meinte bei dieser Tagung Ahmad Naheebzadeh von der Universität in Teheran.
Sein Kollege Homayra Moshirzadeh erklärte, „eine gemeinsame Wertebasis könne nur in einem `gleichberechtigten und gewaltfreien Dialog´ zwischen den Kulturen entstehen, `in dem alle Seiten offen für die Argumente des anderen sind´“ (11).

Viel über Menschenrechtsfragen und innergesellschaftliche Prozesse hat die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi zu sagen, der zahlreiche Einladungen nach Deutschland und auch in andere Länder zu wünschen sind.

Beispielhaft und unterstützenswert ist das Engagement des in Deutschland lehrenden Politikwissenschaftlers Mohssen Massarrat, der im Iran durch die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien das Land von fossilen wie auch atomaren Energieträgern unabhängiger machen möchte. Das deutsche Orient-Institut in Hamburg unter der Leitung von Professor Udo Steinbach verfügt über sehr gute Kontakte in den Iran und veröffentlicht regelmäßig aktuelle Informationen über die Situation im Iran.

Das Fußballfreundschaftsspiel Iran gegen Deutschland am 9.10.2004 in Teheran war weit mehr als ein Sportereignis. Wegen des humanitären Engagements des deutschen Fußballbundestrainers und der großen Sympathien im Iran für Verbindungen nach Deutschland geriet das Ereignis zu einem Politikum. Weitere Sport- und Kulturveranstaltungen auch auf kleinerer Ebene können die gegenseitigen Beziehungen vertiefen und in Krisenzeiten tragfähiger machen.

7. Exkurs: Deutsche Rüstungsexporte in den Nahen und Mittleren Osten

Die gesamte Region des Nahen und Mittleren Ostens steht derzeit - angefacht durch die USKriege in Afghanistan und Irak sowie den Druck auf Syrien und Iran - vor einer neuen gewaltigen Aufrüstungsrunde. Statt jedoch eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten voranzubringen, gießt die Bundesregierung derzeit als einer der weltweit größten Waffenexporteure Öl ins Feuer der Krisenregion: Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erhalten aus Deutschland 32 Spürpanzer. Die auf Funkgeräte und Messtechnik spezialisierte Firma Rohde und Schwarz (München) wird das Kommunikationssystem der VAE-Streitkräfte auf den neuesten Stand der Kriegstechnik bringen. Rheinmetall (Düsseldorf) liefert der Marine des Emirats ein neues Täuschungskörpersystem (MASS) zur Raketenabwehr. Die Golf-Emirate Kuwait, Oman und Bahrain wollen nach Angaben von Rheinmetall ebenfalls eine hohe Stückzahl des „Fuchs“-Panzers erwerben und haben starkes Interesse am Ankauf der deutschen Neuentwicklung „GTK Boxer“ bekundet, einem gepanzerten Lkw-Transporter. Oman möchte für fast eine Milliarde Euro europäische Mehrzweckkampfhubschrauber kaufen, Kuwait interessiert sich für deutsche Schnellboote und Panzerhaubitzen, und auch Saudi-Arabien hat Verlangen nach deutschen Militärgütern bekundet, darunter „Leopard“-Panzer und Korvetten.
Die Lürssen-Werft (Bremen) erhielt von Jemen den Zuschlag für zehn Patrouillenboote (100 Millionen Euro). Mit dem deutschen Bundeskanzler reisten im März 2005 auch Vertreter von Siemens und EADS durch die Golfregion, die großflächige elektronische Grenzüberwachungssysteme anbieten. Mehrere Emirate wollen entsprechende Aufträge in Milliardenhöhe vergeben (12).
An Israel steht noch eine U-Boot-Lieferung der Delfin-Klasse aus, bereits gelieferte U-Boote aus Deutschland wurden in Israel atomar umgerüstet. Die F.A.Z. schrieb am 5.3.2005: „Gern erinnern die Grünen daran, Deutschland betreibe eine `restriktive Rüstungsexportpolitik´. Dem ist so nicht mehr, die Rüstungsexporte stiegen und steigen seit dem Regierungswechsel 1998. Vieles verläuft außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung, und manche der Betroffenen sagen, in Wirklichkeit sei ihr Geschäft zu Zeiten des Kanzlers Kohl schwieriger gewesen. Schröder will aber auch den Eindruck vermeiden, er reise als Waffenhändler durch den Nahen Osten“.

8. Perspektiven für eine zivile Lösung

Der erste Schritt für eine zivile, diplomatische Lösung des gegenwärtigen Streites um das iranische Atomprogramm bestünde im Anerkennen des atomaren Ungleichgewichtes in der Region Naher und Mittlerer Osten durch die USA und die EU. Zur Beseitigung dieser grundlegenden Konfliktursache wäre die Einberufung einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten (KSZMNO) geeignet, die auf eine ABC-waffenfreie Zone von Israel bis Indien hinarbeiten könnte.
Forderungen nach der Umsetzung einer solchen ABC-waffenfreien Zone finden sich bereits in mehreren UN-Resolutionen bezüglich Iraks, wurden allerdings bisher noch nie ernsthaft aufgegriffen.

Vertrauensbildung und Konfliktkontrolle lauten zwei Stichworte, die Volker Perthes mit Inhalt füllt: „Denkbar wären verschiedene `runde Tische´, etwa zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit, zur Zusammenarbeit im Katastrophenfall (Seenotrettung, Frühwarnung bei Ölhavarien etc.), zur Koordinierung von Maßnahmen zur Bekämpfung organisierter Kriminalität (insbesondere Waffenund Drogenschmuggel) und vor allem zur Diskussion von Fragen der Grenzsicherheit und Terrorismusbekämpfung und zur Koordination geeigneter Schritte. Aus solchen Foren könnte sich mit der Zeit ein grundlegender Mechanismus regionaler Zusammenarbeit entwickeln“ (13).

Zur kurzfristigen Entschärfung des Konfliktes würde ein umfassendes Hilfsprogramm beitragen, an dem Iran aufgrund seiner ökonomisch desaströsen Situation größtes Interesse hat. Ein Verzicht auf die Herstellung angereicherten Urans zur Waffenherstellung könnte dann wahrscheinlicher werden, wenn die US-Regierung zusammen mit der EU in diplomatische Verhandlungen treten würde. Im Gegenzug zum atomaren Waffenverzicht Teherans könnten die USA und die EU eine umfassende Sicherheitsgarantie für Iran abgeben, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen anbieten und das Embargo aufheben. Die Mullahs als eigentliche Machthaber im Iran sind an einem Aufbrechen der zunehmenden Isolation des Landes und seiner US-Umzingelung ebenso interessiert wie an einer raschen Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, insbesondere auch an einer - von der USRegierung bekämpften - Aufnahme Irans in die WTO.

„Je stärker sich die USA politisch und diplomatisch engagieren, desto größer sind auch unsere Erfolgsaussichten“ stellte Bundesaußenminister Joschka Fischer fest - und fügte den hoffnungsvollen Satz hinzu: „Es besteht eine reale Chance, den Konflikt auf dem Verhandlungsweg zu lösen“ (zit. nach: Der Spiegel, 24.1.2005).
Anknüpfungspunkte lassen sich in den USA genügend finden: „Derweil machen sich unter den Experten Anhänger einer Verhandlungslösung immer lauter bemerkbar. Angesehene Denkfabriken wie der Council of Foreign Relations, das Center for Strategic und International Studies, die Carnegie- Stiftung oder die Brookings Institutions, die den iranischen Machenschaften gewiss nicht naiv gegenüber stehen, rufen ihre Regierung zu einem Kurswechsel auf. Wie ein roter Faden zieht sich durch ihre Vorschläge die Auffassung, dass die USA ihr Abseitsstehen aufgeben und gemeinsam mit Europa Iran zu einer Verhandlungslösung drängen sollten“, berichtete die Neue Zürcher Zeitung am 17.12.2004. US-Vizeaußenminister Armitage nannte das Gerede über einen chirurgischen Militärschlag gegen Iran unverantwortlich.

Ohne umfassenden Druck aus den USA und der internationalen Friedensbewegung weltweit wird sich die US-Regierung, die Militärschläge als ernst zu nehmende Option ansieht, wohl kaum von ihrem Konfrontationskurs gegenüber Iran abbringen lassen.

9. Ausblick

Dass die US-Politik einen Gesamtplan zur Umgestaltung der gesamten Region Naher und Mittlerer Osten verfolgt, dürfte kaum jemandem entgehen, der derzeit die Vorgänge in den Ländern Israel/Palästina, Libanon, Syrien, Irak, Iran und Saudi-Arabien verfolgt.

Am 17. Juni 2005 wird die Präsidentenwahl im Iran wohl kaum etwas an den grundlegenden politischen Verhältnissen ändern. Akbar Hashemi-Rafsanjani, seit 1997 Vorsitzender des „Rats zur Feststellung der Interessen des Systems“, der bereits jetzt viele politische Fäden in der Hand hält, werden gute Chancen für die Nachfolge Chatamis eingeräumt.

Im Mai 2005 findet in New York die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages statt, wobei die US-Regierung vermutlich die iranische Regierung an den Pranger stellen wird. Die US-Regierung wird dann bei der Juni-Sitzung der Internationalen Atomenergieorganisation möglicherweise den Druck auf die EU derart steigern, dass es für die Europäer schwer sein wird, den „Fall Iran“ nicht vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen. Sollte dies dennoch geschehen - was aufgrund der derzeitigen Dynamik auch schon vorher passieren könnte - wäre eine neue Stufe der Eskalation erreicht.

Noch ist Zeit, vorhandene Spielräume insbesondere aufgrund der vielfältigen Verbindungen zwischen der EU und Iran zur Deeskalation zu nutzen, die geplanten Rüstungsexporte in die Krisenregion zu untersagen - und eine breit angelegte diplomatische Initiative zur zivilen Lösung zu ergreifen.

Anmerkungen:
  1. Katajun Amirpur, Realexistierender Islamismus, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 4/2004.
  2. Vgl. die bezüglich der iranischen Gesellschaft sehr differenzierte SWP-Studie von Johannes Reissner, Iran nach dem Irak-Krieg. Zwischen amerikanischem Druck und europäischer Annäherung, Berlin 2003.
    Differenzierte Grundinformationen sind auch zu finden in: Katajun Amirpur und Reinhard Witzke, Schauplatz Iran, Freiburg 2004 sowie in: „Länderanalyse Iran“, hg. vom Deutschen Orient- Institut, Nahost Jahrbuch 2002, Opladen, 2004.
  3. Mohssen Massarrat, Teherans Atompolitik, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 4/2004.
  4. Mohssen Massarrat, Atom-Konflikt auf Raten, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 1/2005.
  5. Mohssen Massarrat, Atom-Konflikt auf Raten, a.a.O.
  6. Zit. nach: Bahman Nirumand, Iranisches Katzund Mausspiel, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 10/2004.
  7. Vgl. dazu Katajun Amipur, Realexistierender Islamismus, a.a.O.
  8. Walid Charara, Strategien der USA gegen die Atommacht Iran, in: Le Monde Diplomatique, 14.1.2005.
  9. Alle Angaben nach: Johannes Reissner, Iran nach dem Irak-Krieg. Zwischen amerikanischem Druck und europäischer Annäherung, SWP-Studie, Berlin 2003.
  10. Vgl. www.auswaertiges-amt.de.
  11. Zit. nach: Thomas Weihe, Iran: Der Atomkonflikt ist nur die Spitze des Eisbergs, in: Internationale Politik, 11-12/2004. Siehe auch: www.bergedorfer-gespraechskreis.de
  12. Vgl.: www.german-foreignpolicy. com//de/news/article/1110150766.php.
  13. Volker Perthes, Bewegung im Mittleren Osten, SWP-Studie, Berlin, 2004.
* Clemens Ronnefeldt ist Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes
Kontakt zum Autor: C.Ronnefeldt@t-online.de, www.versoehnungsbund.de
Internet: www.versoehnungsbund.de



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