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Verbale Abrüstung am Golf

Iran bietet Fortsetzung der Atomverhandlungen an / Neue Sanktionen der USA

Von Roland Etzel *

Inmitten der jüngsten Spannungen am Persischen Golf hat Teheran sich zur Wiederaufnahme der seit fast einem Jahr auf Eis liegenden Gespräche über sein Atomprogramm bereiterklärt. Gleichzeitig verhängten die USA weitere Sanktionen gegen das Land.

Dem iranischen Vorschlag, die mit den Ständigen Sicherheitsratsmitgliedern plus Deutschland laufenden Verhandlungen über sein atomares Forschungsprogramm wiederaufzunehmen, ist zu wünschen, dass er politische Wirkung entfaltet. Er mag zur Unzeit gekommen sein für so manchen Politiker in den westlichen Staaten, Israel eingeschlossen, die wohl tatsächlich dem Wahnsinnsgedanken frönten, ein erneutes militärisches Abenteuer am Golf sei vertretbar. Lautstarke Kraftmeierei eines Teils der iranischen Führung hat dem noch in die Karten gespielt.

Am Sonntag (1. Jan.) aber distanzierte sich Teheran etwas von der verbalen Aufrüstung der vergangenen Tage. Zum einen habe Iran, so der stellvertretende Marinekommandeur Mahmud Mussawi, nicht die Absicht, die für Öltransporte wichtige Meerenge von Hormus zu blockieren. Ein solcher Schritt sei nur denkbar, wenn sein Land dazu gezwungen werde.

Zum anderen erklärte Chefunterhändler Said Dschalili nach Angaben der Agentur Isna die Bereitschaft seines Landes zur Wiederaufnahme der Atomverhandlungen. Die Gleichzeitigkeit beider Erklärungen ist offenbar gewollt.

Ob dies auch auf die Verhängung weiterer US-Sanktionen zutrifft, bleibt Spekulation. Als US-Präsident Barack Obama am Sonnabend die neuen Embargomaßnahmen mit seiner Unterschrift in Kraft setzte, ging er auf aktuelle iranische Äußerungen nicht ein. Die Beschlüsse treffen die iranische Zentralbank und Bereiche des iranischen Außenhandels. Damit soll offenbar die Vermarktung iranischen Öls ebenso erschwert werden wie der - nominell nicht von Sanktionen betroffene - Import von industriellen wie Konsumgütern und nicht zuletzt von Benzin, denn Iran verfügt nach wie vor kaum über Raffineriekapazitäten. Irans Handelskammer hat das am Neujahrstag als »für beide Seiten schädlich« kritisiert.

Der iranische Test einer Langstreckenrakete am Sonntag muss allerdings nicht als Reaktion auf die Sanktionsverschärfung gewertet werden, wie dies von europäischen Kommentatoren teilweise geschieht. Teheran hatte diese Tests bereits vor einer Woche angekündigt.

Die USA ihrerseits gaben am Sonntag (1. Jan.) - mit Verweis auf die iranischen Tests - die Lieferung von Raketensystemen an die Iran gegenüberliegenden Vereinigten Arabischen Emirate im Werte von 3,48 Milliarden Dollar bekannt. Unterzeichnet wurde der Vertrag allerdings bereits am 25. Dezember.

* Aus: neues deutschland, 2. Januar 2012


Rüsten statt verhandeln

Von Knut Mellenthin **

Vor dem Hintergrund beispielloser US-amerikanischer Militärlieferungen in die Golfregion hat Iran am Wochenende eine Rückkehr an den Verhandlungstisch gefordert. Ein entsprechendes Schreiben an Catherine Ashton hat Teherans Chefunterhändler Said Dschalili am Sonnabend angekündigt. Die Verantwortliche für die EU-Außenpolitik ist von der Sechsergruppe – bestehend aus den USA, Rußland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland – mit der Aufrechterhaltung der Kontakte zum Iran beauftragt.

Das vorerst letzte Treffen zwischen Vertretern der sechs Staaten und Teherans hatte im Januar 2011 im türkischen Istanbul stattgefunden und war ohne Vereinbarung eines neuen Termins ergebnislos verlaufen. EU-Sprecher reagierten jetzt auf die iranische Gesprächsaufforderung betont zurückhaltend. Im Einvernehmen mit den USA machen die Europäer ein neues Treffen davon abhängig, daß Iran schon vorher Bereitschaft zu »bedeutenden« Zugeständnissen und »vertrauensbildenden Maßnahmen« signalisiert. Letztlich will der Westen keine Verhandlungen führen, sondern verlangt von Teheran die bedingungslose Annahme aller Forderungen. Dazu gehört an erster Stelle der Verzicht auf zentrale Teile seines zivilen Atomprogramms, insbesondere die Anreicherung von Uran und alle damit im weitesten Sinn verbundenen Arbeiten sowie Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten.

Gleichzeitig heizt die US-Regierung das Wettrüsten in der Golfregion weiter an. Am Donnerstag bestätigte Washington die schon seit einem Jahr bekannte Absicht, an Saudi-Arabien 84 Kampfflugzeuge vom Typ F-15 zu verkaufen. Der Wert des Geschäftes mit der Firma Boeing soll sich auf rund 30 Milliarden Dollar belaufen. Der Beginn der Lieferung der Maschinen wird nicht vor 2015 erwartet. Am Freitag gab das Pentagon den Abschluß eines Vertrags mit den Vereinigten Arabischen Emiraten bekannt, der den Verkauf von 96 Abwehrraketen des von Lockheed Martin produzierten Waffensystems THAAD vorsieht. Der Wert des Deals wird mit 3,48 Milliarden Dollar angegeben. Weitere Geschäfte, die ebenfalls mit der »iranischen Drohung« gerechtfertigt werden, beinhalten eine Modernisierung der saudischen »Patriot«-Abwehrraketen (1,7 Milliarden Dollar) und die Lieferung von 209 derartiger Waffen an Kuwait (900 Millionen Dollar). Außerdem soll Irak Militärmaterial im Wert von elf Milliarden Dollar erhalten.

Traditionell sind die Möglichkeiten der US-amerikanischen Rüstungsindustrie, mit arabischen Staaten große Geschäfte zu machen, wegen des Widerstands der Pro-Israel-Lobby begrenzt. Im Zeichen der Konfrontationspolitik gegen Iran sind die Einwände jedoch sehr viel schwächer als sonst. Darüber hinaus winken zusätzliche Riesenprofite, weil automatisch neue Lieferungen an Israel fällig werden, um dessen von den USA garantierten »qualitativen Vorsprung« vor sämtlichen Staaten der Region zu erhalten.

Indessen hat Iran am Sonntag bekanntgegeben, daß zu Testzwecken zum ersten Mal ein selbstproduziertes Brennelement in den Teheraner Reaktor eingeführt wurde. Dort werden Isotope für die Behandlung von Krebspatienten hergestellt. Ein militärischer Mißbrauch ist völlig ausgeschlossen. Trotzdem war es Iran durch den Druck Washingtons unmöglich gemacht worden, die benötigten Brennelemente auf dem internationalen Markt zu kaufen. Verfassungsschutz kannte Neonaziaufenthalt

* Aus: junge Welt, 2. Januar 2012


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