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Moderater Moderator in Teheran

Irans neuer Präsident Ruhani könnte das Land aus der Isolierung führen

Von Jan Keetman *

Iran wird künftig von einem Politiker des gemäßigten Lagers repräsentiert: Der Geistliche Hassan Ruhani gewann bei der Präsidentschaftswahl knapp 51 Prozent der Stimmen und siegte damit überraschend schon im ersten Wahlgang.

Der Wahlsieg des 64-jährigen Hassan Ruhani wurde auf den Straßen Irans gefeiert. In Sprechchöre mischte sich schon der Ruf nach Freilassung politischer Gefangener. Ruhani selbst meinte, dies sei ein »Sieg der Weisheit, der Mäßigung und der Reife über den Extremismus«. Er tritt die Nachfolge des international umstrittenen Staatschefs Mahmud Ahmadinedschad an. Rund 50 Millionen Iraner waren am Freitag zum Votum aufgerufen. Die Wahlbeteiligung betrug 72 Prozent.

Entscheidend für Ruhanis Wahl dürfte nicht nur gewesen sein, dass er als einziger »Reformer« unter lauter Konservativen erschien. Er war 16 Jahre lang Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates und als solcher auch mit den Verhandlungen um Irans Atomprogramm betraut. Nachdem die USA im Nachbarland Irak einmarschiert waren und nachdem eine iranische Oppositionsgruppe die bis dahin geheim gehaltene Urananreicherungsanlage in Natans bekannt gemacht hatte, fuhr Ruhani eine weiche Verhandlungslinie. Die Außenminister Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands wurden eingeladen und ihnen wurden Konzessionen gemacht, die zwar keineswegs ein Ende des Atomprogramms bedeuteten, aber den außenpolitischen Druck milderten.

Nachdem die USA in Irak in Schwierigkeiten geraten waren und die Welt sich an die Existenz von Natans gewöhnt hatte, folgte 2005 auf den moderaten Unterhändler Ruhani der härtere Ali Laridschani. Gleichzeitig begann der neue Präsident Mahmud Ahmadinedschad, das Atomprogramm wieder hochzufahren. Auf Laridschani folgte später Said Dschalili, der noch um eine Stufe heftiger auftrat als sein Vorgänger. Auch Dschalili war zur Präsidentenwahl angetreten. Er wurde mit 11,3 Prozent der Stimmen Dritter hinter Teherans konservativem Bürgermeister Mohammed Bagher Ghalibaf (16,6 Prozent) und eben Hassan Ruhani mit 50,7 Prozent. Viele der Stimmen für Letzteren dürften der Hoffnung auf einen moderateren Verhandlungsstil in der Atomfrage geschuldet sein, für den Ruhani steht, denn das Land ächzt unter einer Wirtschaftskrise, die nicht zuletzt auf die Sanktionen wegen des Atomprogramms zurückzuführen ist.

Es fällt auf, dass sich auch ein anderer Kandidat für eine moderatere Außenpolitik ausgesprochen hat: Der frühere Außenminister Ali Akbar Velayati. Velayati, der auf sechs Prozent kam, ist außenpolitischer Berater von Ali Chamenei, dem religiösen Führer Irans und eigentlichen starken Mann. Iran-Experte Bahman Nirumand hält es für unvorstellbar, dass Velayatis Äußerungen nicht mit Chamenei abgesprochen sind.

* Aus: neues deutschland, Montag, 17. Juni 2013


Etappensieg in Iran

Von Mohssen Massarat **

Das iranische Volk hat der islamischen Theokratie mit dieser Präsidentenwahl eine unzweideutige Lektion erteilt und demonstriert, dass es nicht länger bereit ist, das allein von der theokratischen Herrschaft verantwortete innen- und außenpolitische Desaster tatenlos hinzunehmen. Der grandiose Sieg Hassan Ruhanis dokumentiert auch, dass die Herrschaft unter Führung Ajatollah Chameneis am Ende ihres Lateins angelangt ist. Chamenei war es offensichtlich nicht gelungen, die fünf Kandidaten aus dem eigenen Lager zu einigen. Es ist sogar wahrscheinlich, dass sich die ernst zu nehmenden Kandidaten Ghalibaf, Resai und Velayati aus Überzeugung geweigert haben, zugunsten des von Chamenei favorisierten Dschalili zurückzutreten. Dies wäre in der Tat ein Schlag gegen die Autorität des Revolutionsführers und eine Stärkung der Legitimation seiner Gegner Chatami und Rafsandschani. Im Übrigen hat der Wettbewerb der konservativen Kandidaten untereinander dem Innenministerium die Hände gebunden, das Wahlergebnis zu fälschen.

Mit der Wahl eines Reformpräsidenten ist es gelungen, zunächst eine psychologische Wende herbeizuführen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das ist aber absolut notwendig, um alle Potenziale des Landes für die größten innen- und außenpolitischen Herausforderungen zu mobilisieren. Dazu müsste Ruhani allerdings ein überfraktionelles Kabinett aufstellen, um eine unabdingbar notwendige neue Kultur des Gemeinwohls zu etablieren, um politische Projekte im nationalen Gesamtinteresse anstelle einer klientelistischen Politik gegen die nationalen Interessen auf die Beine zu stellen.

** Aus: neues deutschland, Montag, 17. Juni 2013 (Kommentar)

Israel weiter auf Konfrontationskurs

Bei der wöchentlichen Kabinettssitzung am 16. Juni erklärte Ministerpräsident Binyamin Netanyahu zum Wahlausgang im Iran:

„Was das Ergebnis der Wahlen im Iran betrifft, so machen wir uns keine Illusionen. Die internationale Gemeinschaft darf sich nun nicht von Wunschdenken leiten und sich verführen lassen, im Druck auf den Iran nachzulassen, der nötig ist, damit er von seinen Atomplänen ablässt. Es darf nicht vergessen werden, dass der Machthaber des Iran von vornherein Kandidaten ausgeschlossen hat, die nicht zu seinen radikalen Ansichten passten. Aus dem Kreis derer, deren Kandidatur er zugelassen hat, ist nun der Kandidat gewählt worden, der am wenigsten als Mann des Regimes gilt. Dennoch handelt es sich um einen Mann, der den Staat Israel als ‚großen zionistischen Satan‘ bezeichnet.

In jedem Fall ist es der als großer Führer bezeichnete Herrscher des Iran und nicht der Präsident, der die Atompolitik festlegt. Je stärker der Druck auf den Iran, desto größer ist auch die Hoffnung, zu einem Stopp des iranischen Atomprogramms zu gelangen, das weiterhin die größte Bedrohung für den Weltfrieden darstellt. Vor fünfzehn Jahren hat die Wahl eines anderen Präsidenten, der damals im Westen als gemäßigt galt, keinen Wechsel in dieser aggressiven Politik herbeigeführt. In den vergangenen zwanzig Jahren war das einzige, das jemals ein vorübergehendes Einfrieren des Atomprogramms bewirkt hat, die Sorge des Iran vor einem Angriff 2003. Der Iran wird an seinen Taten gemessen werden. Wenn er weiterhin darauf besteht, sein Atomprogramm fortzuführen, dann muss die Antwort klar sein – das Programm muss auf jede nur mögliche Weise aufgehalten werden."

(Amt des Ministerpräsidenten, 16.06.13)
Quelle: Newsletter der israelischen Botschaft in Berlin, 17. Juni 2013





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