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Falsch zitiert

Kriegspropaganda gegen Iran

Von Knut Mellenthin *

Irans neuer Präsident Hassan Rohani hatte sein Amt noch nicht einmal angetreten, als ihm am Freitag auch schon Israelfeindliche Äußerungen nachgesagt wurden, die er in Wirklichkeit gar nicht getan hatte. Déjà-vu. Man erinnert sich an die Mahmud Ahmadinedschad angedichtete Aussage, Israel müsse »von der Landkarte gefegt werden«. Gesagt hatte er das eindeutig nicht, aber die Falschmeldung gehört seither zur Standardausrüstung der aggressiven Stimmungsmache gegen Iran. Tatsache ist zwar, daß kaum ein Tag ein Tag vergeht, an dem nicht irgend­ein israelischer Politiker den Iran mit Krieg bedroht, was umgekehrt bisher kein Iraner getan hat, der in seinem Land eine maßgebliche Rolle spielt. Doch um Fakten, das ist schon seit Jahren offensichtlich, geht es den Gegnern Teherans nicht.

Ahmadinedschad machte es ihnen vergleichsweise leicht: Er hat niemals versucht, der sinnentstellenden Übersetzung seiner Worte klar und direkt zu widersprechen. Mit dieser fahrlässigen Ignoranz gegenüber den Erfordernissen einer internationalen Öffentlichkeitsarbeit scheint der neue Präsident endlich Schluß machen zu wollen: Die Falschmeldungen über seine Äußerungen wurden kurz darauf in allen iranischen Medien als solche gekennzeichnet. Der sich darin andeutende Wandel wäre dringend nötig. Kaum etwas kann ein Land, das so im Kreuzfeuer der Kriegstreiber liegt, weniger gebrauchen als Leichtfertigkeit und schlechte Selbstdarstellung.

Wie seinerzeit beim verfälschten Ahmadinedschad-Zitat waren es auch jetzt wieder nicht böswillige westliche Journalisten, die die Geschichte als erste in die Welt setzten, sondern schlampige Mitarbeiter einiger iranischer Agenturen. Rohani habe »das zionistische Regime« als eine »Wunde am Körper der islamischen Welt« bezeichnet, die »entfernt« werden müsse. Dieser Zusatz war frei erfunden, wie anhand von Videoaufzeichnungen zweifelsfrei festgestellt werden konnte. Als erste hatte darauf, noch vor dem offiziellen Dementi, die persischsprachige Abteilung des britischen Senders BBC hingewiesen.

Wahrscheinlich wußte man das auch in Israel sehr schnell, denn dort leben viele Einwanderer aus dem Iran, deren Kenntnisse von Politikern, Medien und Geheimdiensten genutzt werden. Aber die Chance war zu verlockend: »Rohani hat sein wahres Gesicht früher als erwartet enthüllt«, polterte Premier Benjamin Netanjahu. »Auch wenn sie sich jetzt beeilen werden, diese Bemerkungen abzustreiten, sind sie das, was der Mann denkt und was das iranische Regime plant.« Die Welt müsse sich endlich von den »Illusionen« über den neuen Präsidenten befreien. »Einem Land, das mit der Vernichtung Israels droht, darf nicht gestattet werden, Massenvernichtungswaffen zu besitzen.«

Den Satz, daß das falsche Zitat Rohanis »wahres Denken« zeige, ließ Netanjahu sogar nach der offiziellen Richtigstellung wiederholen. Und so wird es wohl ins Arsenal der Kriegspropaganda aufgenommen werden.

* Aus: junge Welt, Montag, 5. August 2013

Dokumentieret: Ministerpräsident Netanyahu zu den Aussagen des iranischen Präsidenten Rohani

Ministerpräsident Binyamin Netanyahu hat während der gestrigen Sitzung des Kabinetts seine Kritik an der Aussage des neuen iranischen Präsidenten Hassan Rohani bekräftigt. Präsident Rohani hatte am Freitag gesagt, dass Israel „eine Wunde am Körper der islamischen Welt“ sei, die entfernt werden müsse.

Ministerpräsident Netanyahu sagte: „Der iranische Präsident wurde ausgetauscht, aber die Ziele des Regimes sind die gleichen geblieben. Der Iran beabsichtigt die Entwicklung nuklearer Technik und nuklearer Waffen, um den Staat Israel zu zerstören. Dies stellt nicht nur eine Gefährdung für uns und den Mittleren Osten dar, sondern für die ganze Welt und wir sind entschlossen, dies zu verhindern.“

Bereits am Freitag hatte der Ministerpräsident gesagt: „Die Aussage Rohanis sollte die Welt aufrütteln und ihr die Illusion nehmen, dass sich seit den Wahlen im Iran etwas verändert hat. Einem Land, dass dem Staat Israel mit Zerstörung droht, sollte nicht erlaubt werden, Massenvernichtungswaffen zu besitzen.“

(Israelisches Außenministerium, 04.08.13)

Quelle: Newsletter der israelischen Botschaft in Berlin, 04.08.2013




Maskenmänner

Von Olaf Standke **

Dieses gemäßigte Auftreten – alles nur Maske. Hassan Ruhani sei eben raffiniert und werde auf dem ganzen Weg zur Atombombe lachen, wenn sein Land und der Westen nicht das Notwendige unternehmen würden, ist sich Juval Steinitz, Israels Minister für strategische Angelegenheiten, sicher. So einfach kann man es sich natürlich auch machen. Der neue iranische Präsident hat am Sonntag seinen Amtseid abgelegt und angekündigt, sich für Verständigung mit der internationalen Gemeinschaft einzusetzen.

Vom radikalen Kurs seines Vorgängers Ahmadinedschad hält der moderate Kleriker ausdrücklich nichts; er verspricht dem Westen »konstruktive Zusammenarbeit«. Natürlich bleibt abzuwarten, ob solchen Worten Taten folgen. Zumal man fragen muss, ob Ruhani im iranischen Machtgefüge – in dem die Revolutionsgarden wie der Klerus entscheidenden Einfluss haben und das letzte Wort beim obersten Führer, Ajatollah Ali Chamenei, liegt – einen solchen Kurswechsel überhaupt vollziehen kann.

Dringend erforderlich wäre er, denn ohne einen politisch-diplomatische Ausbruch aus der internationalen Isolation infolge des Atomstreits und diverser lähmender Sanktionen ist auch die veritable Wirtschaftskrise des Landes nicht zu beenden. Wer den Konflikt mit Teheran wirklich am Verhandlungstisch lösen will, muss dem neuen iranischen Präsidenten dort erst einmal eine reale Chance auf Augenhöhe geben.

** Aus: neues deutschland, Montag, 5. August 2013 (Kommentar)


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