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Sanktionen "binnen Wochen"

US-Präsident will im Atomstreit mit Iran härter agieren *

US-Präsident Barack Obama drängt im Atomstreit mit Iran auf eine härtere Gangart. Die G8-Staaten geben sich indes zurückhaltender.

»Binnen Wochen« wolle er schärfere Sanktionen gegen Teheran durchsetzen, erklärte Obama nach einem Treffen mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in Washington. »Ich habe kein Interesse daran, noch Monate zu warten«, sagte Obama. Er hoffe, dass es noch in diesem Frühjahr zu einer UNO-Resolution gegen Irans umstrittenes Atomprogramm komme.

Unmittelbar nach dieser Ankündigung wurde bekannt, dass Teheran nun das Gespräch mit China sucht, das bislang neue Strafmaßnahmen gegen Iran ablehnt. Der iranische Chefunterhändler Said Dschalili werde an diesem Donnerstag nach Peking reisen, um dort mit Regierungsvertretern über die aktuellen Entwicklungen in dem Konflikt zu sprechen, meldete die amtliche iranische Nachrichtenagentur IRNA am Mittwoch. Als Mitglied des Sicherheitsrates hat China ein Vetorecht.

Die Tür für Iran bleibe zwar offen, aber Teheran sei hinreichend klar gemacht worden, dass eine anhaltende Verweigerung Konsequenzen haben werde, sagte der US-Präsident weiter. Sarkozy äußerte seine »volle« Unterstützung für die schärfere Gangart. »Wir werden alle nötigen Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, dass sich Europa als Ganzes für die Sanktionen einsetzt«, sagte der französische Präsident.

Die Außenminister der sieben führenden Industrienationen und Russlands (G8) zeigten sich unterdessen zurückhaltender. Bei ihrem Treffen im kanadischen Ottawa verabschiedeten die G8-Minister eine unverbindliche Erklärung: »Wir bekräftigen unsere ernsthaften Bedenken wegen der Risiken einer Weiterverbreitung, die sich durch das iranische Nuklearprogramm ergeben«, heißt es zum Abschluss. Iran müsse seine internationalen Verpflichtungen »vollständig und unverzüglich« einhalten. Aus Delegationskreisen in Ottawa verlautete, Russland habe sich gegen klare Formulierungen gesperrt. Zuvor hatte sich neben Bundesaußenminister Guido Westerwelle auch Gastgeber Kanada vergeblich für mehr Härte und Gemeinsamkeit stark gemacht. »Wir müssen beim Thema nukleare Nichtverbreitung mit einer Stimme in der Welt sprechen, und zwar nicht nur in Richtung Iran«, hatte Westerwelle erklärt. »Niemand in der Welt hat ein Interesse daran, dass ein Staat nach dem anderen die Nichtverbreitung verletzt, sich nuklear bewaffnet und damit unabsehbare Sicherheitsrisiken in die Welt bringt.« Zudem müsse die Gefahr gemindert werden, »dass Terroristen nukleare Waffen in die Hände bekommen«.

Derweil ist ein im vergangenen Jahr während einer Pilgerfahrt nach Saudi-Arabien verschwundener iranischer Atomwissenschaftler einem Medienbericht zufolge zum US-Geheimdienst übergelaufen. Der US-Fernsehsender ABC berichtete, Schahram Amiri sei mittlerweile für die CIA tätig. US-Geheimdienstler bezeichneten die Abwerbung demnach als »Coup« bei den Bemühungen Washingtons, das iranische Atomprogramm zu torpedieren. Die CIA habe Amiris Seitenwechsel von langer Hand geplant, berichtete ABC unter Berufung auf Geheimdienstkreise.

Der iranische Außenminister Manuchehr Mottaki hatte der US-Regierung im Herbst vorgeworfen, Amiri »verschleppt« zu haben. Iran vorliegende Beweisstücke besagten, »dass die Amerikaner eine Rolle bei Schahram Amiris Entführung gespielt haben«, sagte Mottakis damals laut der Nachrichtenagentur Fars. Seiner Darstellung zufolge lieferte Saudi-Arabien den Wissenschaftler an die USA aus.

Iranische Medien hatten Amiri nicht als Atomwissenschaftler, sondern lediglich als Forscher oder Physiker bezeichnet. Die ultrakonservative iranische Zeitung »Dschavan« hatte im Oktober von einer Verwicklung der CIA in den Fall geschrieben. Saudi-arabische Agenten verhörten Amiri demnach am 31. Mai bei seiner Ankunft am Flughafen. Drei Tage später habe er sein Hotel in Medina verlassen, ohne je zurückzukommen.

* Aus: Neues Deutschland, 1. April 2010


"In diesem Frühjahr erledigen"

Obama und Sarkozy wollen neue harte Sanktionen gegen Iran

Von Knut Mellenthin **


Barack Obama gibt sich optimistisch, »innerhalb von Wochen« im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen neue harte Sanktionen gegen Iran durchsetzen zu können. »Meine Hoffnung ist, daß wir das in diesem Frühjahr erledigen werden«, sagte der US-Präsident am Dienstag (Ortszeit) während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem französischen Amtskollegen in Washington. Nicolas Sarkozy setzte hinzu: »Es ist an der Zeit, Entscheidungen zu treffen. Iran darf seinen Wahnsinnskurs nicht fortsetzen.« Gemeinsam mit dem britischen Premierminister Gordon Brown und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel »werden wir alle erforderlichen Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, daß Europa als ganzes sich an den Sanktionen beteiligt«.

Substantiell hatten die beiden Politiker den Journalisten allerdings nichts Neues mitzuteilen. Weder erläuterten sie, wie die von ihnen angestrebten Strafmaßnahmen aussehen sollen, noch sagten sie etwas über die Haltung Chinas und Rußlands, die immer noch Bedenken gegen eine vierte Sanktionsresolution des UN-Sicherheitsrats haben. Obama beschränkte sich auf die offenbar als Seitenhieb gegen China gemeinte Klage, es gebe »viele Länder in der Welt, die denken, daß ihre kommerziellen Interessen wichtiger sind als ihre langfristigen geopolitischen Interessen«.

Heitere, wenn auch nicht konkret begründete Zuversicht strahlte hingegen am Montag Hillary Clinton am Rand des G-8-Treffens im kanadischen Ottawa aus. Die US-Außenministerin tat dabei so, als habe man China und Rußland schon »im Boot« für »Sanktionen, die richtig weh tun«. Ähnlich optimistisch äußerte sich ihr Stellvertreter James Steinberg in Washington: »Unsere chinesischen Partner erkennen die Gefahr des iranischen Atomprogramms, und sie sehen, daß seitens der Iraner keine Bereitschaft besteht, unser äußerst großzügiges Angebot anzunehmen.«

Konkrete Anzeichen für einen solchen Kurswechsel Chinas gibt es indessen bisher nicht. Im Gegenteil. Der Sprecher des Außenministeriums, Qin Gang, hatte am Montag bekräftigt, daß sein Land sich weiter für eine friedliche Lösung des Konflikts mit diplomatischen Mitteln einsetzt. Als souveräner Staat habe Iran das Recht zur friedlichen Nutzung der Atomenergie.

Entgegen falschen Presseberichten scheiterten die USA und ihre europäischen Verbündeten offenbar auch mit ihrem Versuch, beim G-8-Treffen in Ottawa einen harten gemeinsamen Beschluß durchzusetzen. Das im westlichen Entwurf enthaltene Bekenntnis zur Notwendigkeit, »geeignete starke Schritte zu unternehmen«, um Teheran unter Druck zu setzen, mußte fallengelassen werden. An den Treffen der acht führenden Industrienationen ist zwar Rußland, aber nicht China beteiligt.

Am heutigen Donnerstag (1. April) hält sich der iranische Chefunterhändler Said Jalili zu Gesprächen in Peking auf. Es wird erwartet, daß dabei der Atomstreit im Mittelpunkt stehen wird.

** Aus: junge Welt, 1. April 2010


Am dünnen Faden

Von Roland Etzel ***

Innerhalb von »Wochen« will Obama nun zu schärferen Sanktionen gegen Iran kommen. Das versicherte er seinem darob hocherfreut aussehenden Gast Sarkozy. Auch einige Außenminister, zum Beispiel die aus Deutschland und Israel, glaubten, dies zu einer optimistisch stimmenden Nachricht erklären zu müssen.

Das ist weder besonders originell noch mutig. Ahmadinedschad in Teheran ist heute Watschenmann Nr. 1 wie einst Milosevic in Belgrad oder Saddam in Bagdad, an denen sich jeder, der nach Bienchen aus Washington schielte, gefahrlos delektieren durfte. Aber es wirft Fragen auf. Zum Beispiel: Wie schlecht muss es Sarkozy innenpolitisch gehen, wenn er auf derlei Schulterklopfen zum Schnäppchenpreis angewiesen ist? Wobei das noch eine der unwichtigeren in dem Zusammenhang ist.

Viel wichtiger: Was würde gewonnen? Unbestritten ist doch, dass Sanktionen die dünnen Gesprächsfäden zum Sanktionierten gewöhnlich abschneiden oder verhindern, dass neue geknüpft werden. So äußerte sich vor fast genau einem Jahr auch Obama. Damals bot er Teheran noch »Diplomatie statt Drohungen«, sprach von Weltgemeinschaft statt »Achse des Bösen«. War der Geduldsfaden so kurz? Obama könnte sich einer Auszeichnung nun würdig erweisen, wenn er so brisante Weichenstellungen nicht am Beifall kurzatmiger Politclaqueure ausrichtet. Auch weil Lieberman oder Westerwelle keine Friedensnobelpreisträger sind.

*** Aus: Neues Deutschland, 1. April 2010 (Kommentar)


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