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Terror in Teheran

Von Knut Mellenthin *

Bei einem Bombenanschlag in Teheran wurde am Montag (29. Nov.) morgen ein iranischer Nuklearwissenschaftler getötet. An einer anderen Stelle der Hauptstadt wurde ein weiterer Atomexperte bei einem ähnlichen Attentat schwer verletzt. Auch die Frauen der beiden Wissenschaftler erlitten Verletzungen. In beiden Fällen hatten Mopedfahrer magnetische Bomben an den Fahrzeugen der Opfer angebracht und waren anschließend geflüchtet. Die Anschläge erfolgten nur wenige Stunden nach Veröffentlichung von US-Diplomatenberichten durch das Internetportal Wikileaks. In diesen wurde unter anderem die Meinung aus arabischen Ländern kolportiert, der Westen müsse entschiedener gegen das iranische Atomprogramm vorgehen.

Der getötete Madschid Schahrid­schari war ebenso wie sein verletzter Kollege Fereydun Abbasi, dessen Name auf einer Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrats steht, an der Teheraner Schahidbeheschti-Universität als Dozent tätig. Der Chef der iranischen Atomenergie-Behörde, Ali Akbar Salehi, bezeichnete Schahridschari in einer ersten Stellungnahme als seinen Schüler und hob seinen Beitrag zur Entwicklung des zivilen Atomprogramms hervor. Salehi richtete zugleich eine Warnung an die Mörder und ihre Hintermänner: »Die Geduld des iranischen Volkes hat Grenzen. Falls es die Geduld verliert, wird das für unsere Feinde schlimme Folgen haben.«

Präsident Mahmud Ahmadinedschad beschuldigte in einer Pressekonferenz nicht näher bezeichnete westliche Regierungen und Israel, an den Mordanschlägen beteiligt zu sein. Auch er kündigte Vergeltung an. In einer Erklärung des Präsidentenbüros wurde an eine Äußerung des britischen Geheimdienstchefs John Sawers erinnert, der am 28. Oktober davon gesprochen habe, daß zur Bekämpfung des iranischen Atomprogramms über die »konventionelle Diplomatie« hinaus auch »geheimdienstlich geführte Operationen« genutzt werden müßten. Das Präsidentenbüro erwähnte in diesem Zusammenhang auch die nur wenige Tage zurückliegende Aufforderung des Europaparlaments an die US-Regierung, die MKO (»Volksmudschaheddin«) von der Terrorliste zu streichen. Die EU hatte die Organisation schon im vorigen Jahr legalisiert. Europa-Abgeordnete von der extremen Rechten bis zur Partei Die Linke sind regelmäßige Unterstützer der »Volksmudschaheddin«.

Bereits im Januar war ein iranischer Atomwissenschaftler der Teheraner Universität, Massud Ali-Mohammadi, durch einen Sprengstoffanschlag getötet worden. Unbekannte Täter hatten eine ferngesteuerte Bombe auf einem Moped installiert, das vor seinem Haus abgestellt war. Westliche Medien hatten damals berichtet, daß Mohammadi eng mit Abbasi zusammengearbeitet habe, der bei dem gestrigen Mordversuch verletzt wurde. Ahmadinedschad hatte damals ebenfalls Israel verantwortlich gemacht.

Schon im Jahr 2007 hatte es Vermutungen über eine gezielte Tötung gegeben, nachdem der Nuklear­experte Ardeshire Hassanpur unter mysteriösen Umständen an einer Gasvergiftung gestorben war. Der in persischer Sprache sendende US-amerikanische Propagandasender Radio Farda verbreitete damals das Gerücht, der israelische Geheimdienst Mossad stecke hinter Hassanpurs Tod.

* Aus: junge Welt, 30. November 2010


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