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Iran will verhandeln

Teherans Chefunterhändler schreibt an Ashton. Neue Atomprojekte präsentiert

Von Knut Mellenthin *

Irans Chefunterhändler im Atomstreit, Said Dschalili, hat am Mittwoch das Interesse seines Landes an einer Wiederaufnahme der Gespräche mit der Sechsergruppe bekräftigt. Diese besteht aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats – China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA – sowie Deutschland. Mit seinem Brief an die EU-Außenpolitik-Chefin Catherine Ashton antwortete Dschalili formal auf ein Schreiben, dass sie ihm schon im Oktober vorigen Jahres geschickt hatte. Ashton, die von der Sechsergruppe mit der Pflege der Kontakte nach Teheran beauftragt ist, hatte die Vereinbarung eines neuen Treffens offenbar von vorherigen „vertrauensbildenden Maßnahmen“ abhängig gemacht, die jedoch im Einzelnen nicht bekannt sind.

Ebenso unbekannt ist auch, ob Dschalili zu den Forderungen Ashtons Stellung genommen hat oder ob er ihnen ausgewichen ist. Iranische Medien zitieren lediglich, dass der Chefunterhändler die Bereitschaft der Sechsergruppe zur Wiederaufnahme der Gespräche begrüßt habe. Die Rückkehr an den Verhandlungstisch sei das beste Mittel, um die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten auszubauen. Er hoffe, dass es in naher Zukunft zu einer Begegnung kommen werde. Das vorerst letzte Treffen dieser Art fand im Januar 20111 im türkischen Istanbul statt.

Unabhängig von den Kontakten zur Sechsergruppe ist fest vereinbart, dass am kommenden Dienstag eine hochrangige Delegation der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu zweitägigen Verhandlungen in Teheran eintreffen wird. Das knüpft an eine erste Gesprächsrunde an, die Ende Januar ebenfalls in der iranischen Hauptstadt stattgefunden hatte.

Indessen hat Präsident Mahmud Ahmadinedschad am Mittwoch (15. Feb.) in einer Feier, die live im staatlichen Fernsehen übertragen wurde, mehrere „neuen Atomprojekte“ präsentiert. Zunächst beobachtete er, wie in den Teheraner Forschungsreaktor das erste im Lande produzierte Brennelement eingeführt wurde. Die dafür nötige Anreicherung von Uran auf 20 Prozent musste der Iran selbst vornehmen, nachdem sich die IAEA und der Westen weigerten, die Brennelemente gegen Bezahlung zu liefern. In dem Teheraner Reaktor, der wie alle iranischen Atomanlagen von der IAEA überwacht wird, werden Isotope für die Behandlung von Krebspatienten hergestellt.

Anschließend wurden in einer Konferenzschaltung Bilder aus der Anreicherungsanlage in Natanz gezeigt. Ahmadinedschad gab bekannt, dass dort ein neuer Typ von Zentrifugen zum Einsatz kommen soll, der drei Mal so schnell arbeite wie die bisher verwendeten, die zudem sehr störanfällig sind. Die Zahl der Zentrifugen in Natanz werde von 6000 auf 9000 erhöht. Das ist immer noch wenig, verglichen mit dem angestrebten Ziel, dass die Anreicherung dort einmal mit 50.000 Zentrifugen gleichzeitig betrieben werden soll.

Immer noch widersprüchlich und verworren sind die Meldungen über eine Einstellung der Erdöl-Exporte in die EU oder einzelne europäische Länder. Mehrere iranische Medien hatten am Mittwoch berichtet, dass die Lieferungen nach Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, den Niederlanden und Spanien gestoppt werden sollten. Das hatte das Ölministerium später dementiert und mitgeteilt, dass lediglich die Botschafter dieser Länder einbestellt worden seien, um ihnen neue Liefer- und Zahlungsbedingungen mitzuteilen.

Die Außenminister der Union hatten am 23. Januar ein generelles Einfuhrverbot für iranisches Erdöl beschlossen, das nach einer Übergangszeit am 1. Juli vollständig in Kraft treten soll. Abgeordnete des Teheraner Parlaments hatten wenige Tage später ein Gesetz angekündigt, nach dem Iran sofort die Öl-Ausfuhr in die EU stoppen soll. Aus diesem Vorhaben wurde jedoch bisher nichts. Offenbar hat die iranische Führung dieses Thema zur Chefsache gemacht und behandelt es sehr vorsichtig.

* Aus: junge Welt, 17. Februar 2012


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