Drei Herausforderer für Ahmadinedschad
Auftakt für die Endphase des Präsidentschafts-Wahlkampfes in Iran
Von Karin Leukefeld *
Vier Kandidaten hat die beim Wächterrat angesiedelte Wahlbehörde Irans zu den nächsten
Präsidentschaftswahlen zugelassen: den Amtsinhaber und drei Herausforderer.
Statt des amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad können die Iraner am 12. Juni auch
den früheren Ministerpräsidenten Mir Hussein Moussavi, den ehemaligen Parlamentssprecher
Mehdi Karrubi oder den früheren Chef der Revolutionsgarden Mohsen Rezai wählen. 46,2 Millionen
Wahlberechtigte gibt es. Ursprünglich hatten sich 475 Iraner als Kandidaten registrieren lassen,
darunter 42 Frauen.
Der Radio- und Fernsehsender IRIB wird nun Debatten mit den vier Kandidaten ausstrahlen. Der
Leiter des Senders, Ezatollah Zarghami, erklärte, alle Kandidaten mit der gleichen »Fairness« zu
behandeln, was Karrubi und Moussavi allerdings anzweifeln. Beide haben sich schriftlich beschwert,
dass IRIB durch die ausgedehnte Berichterstattung über Ahmadinedschad »wiederholt und offen die
Neutralität« verletzt habe, zu der die Sendeanstalt verpflichtet sei. Moussavi wandte sich auch an
Parlamentssprecher Ali Laridschani, den Obersten Richter Ayatollah Mahmud Hashemi Sharoudi
sowie Generalstaatsanwalt Ghorban Ali Dorri Nadschafabadi. Letzterer erklärte inzwischen,
öffentliche Einrichtungen und besonders IRIB dürften »nicht einseitig Partei ergreifen«. Ähnlich
äußerte sich Laridschani.
Bei den Wahlen geht es einerseits um das internationale Ansehen Irans, andererseits um wichtige
innenpolitische Themen. Vor allem im Westen verdammt man Ahmadinedschad wegen seiner Kritik
an Israel und der US-Politik in der Region. Trotz anderslautender Stellungnahmen der
Internationalen Atomenergiebehörde gibt sich der Westen überzeugt, dass Iran sein ziviles
Atomprogramm nutzt, um heimlich Atomwaffen zu entwickeln. Verwunderlich wäre das nicht, da Iran
von Atomwaffenstaaten (Indien, Pakistan, Russland und Israel) sowie von atomaren USKriegsschiffen
geradezu umzingelt ist.
Innenpolitisch geht es um die Folgen der wirtschaftlichen Krise. Ahmadinedschad wird für nicht
eingehaltene Versprechen, verschwendete Ölgelder und die immense Inflation verantwortlich
gemacht, die gerade diejenigen drückt, die 2005 für ihn gestimmt hatten. Überzeugende
Wirtschaftsprogramme werden bei der Wahl eine wichtige Rolle spielen.
Mir Hussein Moussavi beruft sich auf die Prinzipien der Islamischen Revolution von 1979 und hat
sich dem Kampf gegen Korruption verschrieben. Der aus Tabriz stammende Architekt war während
des Krieges gegen Irak 1980-88 Ministerpräsident und sorgte mit rigider Nahrungsmittelrationierung
und Preiskontrolle für ein wirtschaftliches Überleben Irans. Später war Moussavi Berater der
Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani (1989- 1997) und Mohammad Chatami (1997-2005).
Beim Recht auf Atomenergie und der ablehnenden Haltung zu Israel ist von Moussavi keine andere
Politik zu erwarten als von Ahmadinedschad, allerdings könnte er den Ton ändern.
Der Religionsgelehrte Mehdi Karrubi gilt als offen und reformorientiert. Der konservative Mohsen
Rezai war 16 Jahre lang (1981-1997) Chef der Revolutionsgarden (Pasdaran).
Der religiöse Führer Irans, Ayatollah Ali Khamenei, spielt bei der Meinungsbildung eine wichtige
Rolle. Kürzlich mahnte er, keinen Kandidaten zu wählen, der sich dem Westen »andienen« wolle.
Gewählt werden solle, wer »öffentliche Unterstützung« habe und einen »einfachen, bescheidenen
Lebensstil« pflege. Ohne den Namen genannt zu haben, habe Khamenei damit Ahmadinedschad
gemeint, so dessen Anhänger.
Doch so sehr viele Iraner den Präsidenten wegen seines einfachen Lebens schätzen, so kritisch
sind sie wegen seiner Verschwendung von öffentlichen Geldern. Bei den letzten Wahlen haben die
Iraner gezeigt, dass sie genau darauf achten, wessen Worte mit den Taten übereinstimmen. Wer
gegen Korruption, Krise und Arbeitslosigkeit ein überzeugendes Programm vorlegen kann, hat gute
Chancen bei der Jugend – sofern er sich bekannt machen kann.
* Aus: Neues Deutschland, 22. Mai 2009
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