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Endspurt im Atomstreit

Dem Iran und seinen Verhandlungspartnern bleiben für eine Einigung nur noch 17 Tage

Von Knut Mellenthin *

In Wien hat am gestrigen Dienstag eine neue Gesprächsrunde zwischen dem Iran und der internationalen Sechsergruppe – bestehend aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland – begonnen. Ziel ist die Ausarbeitung eines »umfassenden« Vertrages, mit dem der seit elf Jahren geführte Streit um das iranische Atomprogramm beigelegt werden soll. Während die früheren Treffen zwei, drei oder höchstens fünf Tage dauerten, wollen die Verhandlungsteams diesmal nötigenfalls bis zum 20. Juli in der österreichischen Hauptstadt bleiben. Dann endet ein sechsmonatiges Moratorium, das im Januar in Kraft trat. Es sieht als befristete vertrauensbildende Maßnahmen starke Beschränkungen des iranischen Atomprogramms und im Gegenzug geringfügige Lockerungen einiger westlicher Sanktionen vor. Während Iran nach dem Urteil der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und aller Beteiligten seine Verpflichtungen hundertprozentig erfüllt hat, sind die versprochenen wirtschaftlichen Erleichterungen bisher kaum wirksam geworden.

Nach dem im November vorigen Jahres zwischen den sieben Staaten geschlossenen Rahmenabkommen wird angestrebt, die Verhandlungen über den »umfassenden«, langfristigen Vertrag bis zum 20. Juli abzuschließen. Die Gespräche könnten zwar auch nach diesem Datum fortgesetzt werden, aber nur, wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind. An diese Klausel erinnerte US-Außenminister John Kerry am 30. Juni in einem Beitrag für die Washington Post. Die USA würden einer Verlängerung jedoch nur zustimmen, wenn Iran in der verbleibenden Zeit »echte Bereitschaft« zeigt, den westlichen Forderungen weitgehend entgegenzukommen, warnte Kerry. Eine zusätzliche Schwierigkeit ist, daß die sieben Staaten über eine Erneuerung des Moratoriums verhandeln müßten, falls sie sich bis zum 20. Juli nicht einig werden sollten.

Realistisch betrachtet, ist es allerdings so gut wie unmöglich, bis zu diesem Termin einen »wasserdichten« Langzeitvertrag fertigzustellen. Wenn in den nächsten 17 Tagen überhaupt etwas zustande kommen könnte, dann nur provisorisches Flickwerk.

Ein zentrales Problem: Teil des Vertrages, so steht es im Rahmenabkommen vom November 2013, soll die Verpflichtung zur Aufhebung aller »atombezogenen« Sanktionen sein. Die schwerwiegendsten Strafmaßnahmen sind jedoch die von den USA verhängten. Die meisten von ihnen könnten nur durch Beschlüsse beider Häuser des Kongresses aufgehoben werden. Das ist in der knappen verbleibenden Zeit schon aus technischen Gründen absolut unmöglich. Außerdem tendiert eine große Mehrheit der Abgeordneten und Senatoren zu Maximalforderungen, die weit über die Verhandlungspositionen ihrer Regierung hinausgehen. Die meisten US-Sanktionen sind nicht ausschließlich »atombezogen«, sondern unter anderem auch mit der unterstellten Unterstützung des internationalen Terrorismus, Menschenrechtsverletzungen usw. begründet. Deshalb verlangen maßgebliche Kongreßmitglieder, daß Iran sich auch in allen diesen Fragen den US-amerikanischen Forderungen »kontrollierbar« unterwerfen müsse, bevor an eine Aufhebung der Sanktionen gedacht werden könne.

Ein weiteres Problem: Die Vereinbarung eines Langzeitabkommens setzt unter anderem voraus, daß Iran seine langjährigen Verhandlungen mit der IAEA über die sogenannten »offenen Fragen« – sie betreffen überwiegend viele Jahre zurückliegende Themen aus der Entwicklung des iranischen Atomprogramms – zu deren Zufriedenheit abgeschlossen haben müßte. Das könnte aber nach dem bisherigen Terminplan frühestens am 25. August der Fall sein. Realistisch betrachtet werden sich die Gespräche mit der IAEA sogar noch viele Monate hinziehen – falls sie überhaupt zum Erfolg führen, was nicht einmal sicher ist.

* Aus: junge Welt, Donnerstag 3. Juli 2014


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