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Teheran optimistisch

Iranischer Exaußenminister lobt »Verhandlungsfortschritte« im Atomstreit

Von Knut Mellenthin *

In neun Tagen endet die Frist, die sich Iran und seine internationalen Verhandlungspartner für das Erreichen eines Abkommens über das iranische Atomprogramm gesetzt haben. Zwar könnten die Gespräche auch über den 20. Juli hinaus fortgesetzt werden, sofern alle Beteiligten zustimmen. Aber das würde zumindest voraussetzen, daß Iran und die Sechsergruppe – bestehend aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland – sich einigen, wie mit dem sechsmonatigen Moratorium weiter verfahren werden soll, das am 20. Januar in Kraft trat. Es sieht für den Zeitraum seiner Gültigkeit starke Einschränkungen des iranischen Atomprogramms und geringfügige Erleichterungen der westlichen Sanktionen vor. Das Moratorium einfach nur um sechs Monate zu verlängern, ist aus technischen und politischen Gründen nicht möglich; sein Inhalt müßte teilweise neu definiert werden.

Der Leiter der nationalen Atomenergiebehörde Irans, Ali Akbar Salehi, bekundete am Mittwoch seine Zufriedenheit mit dem Gang der Gespräche, die seit voriger Woche in Wien stattfinden und dort bis zum 20. Juli fortgesetzt werden sollen. Der Trend der Verhandlungen sei, daß Fortschritte gemacht würden, behauptete Salehi, ohne seine Einschätzung mit Tatsachen und Argumenten zu begründen. Der Atomexperte, der bis zum Präsidentenwechsel Anfang August 2013 Außenminister war, sagte in einem Interview mit dem staatlichen Fernsehen außerdem: »Indem wir die derzeitigen weltpolitischen Themen vor dem Hintergrund der realen Vorgänge in den USA analysieren, kommen wir zur Schlußfolgerung, daß den USA kein anderer Weg als das Zusammenwirken mit dem Iran bleibt.«

Die Sechsergruppe und Iran haben für ihre Verhandlungen strikte Vertraulichkeit vereinbart. Daran haben sich bisher alle Beteiligten weitgehend gehalten. Es überraschte deshalb, daß sich Ajatollah Khamenei, Irans höchste politische und religiöse Autorität, am Montag mit einer konkreten Zahl zu Wort meldete. In einer Rede sprach er davon, daß die Verhandlungspartner den Iran auf eine Obergrenze von 10000 Gaszentrifugen festnageln wollten. Nach Aussagen der mit dem Thema befaßten iranischen Experten liege der künftige Bedarf des Landes jedoch bei 190000.

Westliche Medien bezogen diese Zahl auf Zentrifugen und meldeten dementsprechend, daß Iran seine Forderung stark erhöht habe. Die Geräte dienen zur Anreicherung von Uran. Iran hat derzeit etwa 19000 Zentrifugen installiert, von denen aber immer nur etwa 10000 gleichzeitig in Betrieb sind. Sie gehören ausnahmslos zu einem mehrere Jahrzehnte alten, störanfälligen und wenig effektiven Typ. Mehrere neuere Modelle befinden sich bisher nur im Testeinsatz. Ob das lediglich technische oder auch politische Gründe hat, ist nicht eindeutig.

Die von Khamenei genannte weit höhere Zahl erläuterte Salehi so: Iran benötige für die Anreicherung eine Kapazität von 190000 SWU. Die Abkürzung steht für Separative Work Unit. Eine Zentrifuge des derzeit eingesetzten veralteten Typs habe in der Praxis eine Kapazität von weniger als zwei SWU. Im Gegensatz dazu könnten die Zentrifugen der vierten Generation, die iranische Wissenschaftler gegenwärtig testen, vielleicht eine Kapazität von 24 SWU erreichen. In diesem Fall würde Iran weniger als 10000 dieser Geräte benötigen.

Das ist allerdings eine hypothetische Zahl, da Iran – wie Salehi selbst einräumte – noch mehrere Stufen davon entfernt ist, diesen Typ in Serie produzieren und massenhaft einsetzen zu können. Trotzdem wird vermutlich die Begrenzung der in SWU ausgedrückten Anreicherungskapazität Irans eine wichtigere Rolle spielen als die Zahl der Zentrifugen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 11. Juli 2014


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