Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Neues Störmanöver

US-Senatoren verlangen Bruch der Atomvereinbarungen mit dem Iran. Washington droht Moskau mit Sanktionen wegen Geschäften mit Teheran

Von Knut Mellenthin *

Zwei US-Senatoren haben Präsident Barack Obama aufgefordert, das im November 2013 geschlossene Genfer Abkommen mit dem Iran zu brechen. Das ist der Inhalt eines Briefs, den der Demokrat Robert Menendez und der Republikaner Mark Kirk am Montag veröffentlichten. Menendez ist Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses des Senats und, im Gegensatz zur Mehrheit der Kongreßmitglieder seiner Partei, von Anfang an gegen die Vereinbarungen aufgetreten. Zusammen mit Kirk hat er im Dezember 2013 ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Verhandlungen torpedieren soll. Die Beschlußfassung darüber wurde jedoch auf Drängen der US-Regierung zunächst zurückgestellt, weil nicht einmal die Republikaner sich nachsagen lassen wollen, daß sie die Chancen für eine nichtmilitärische Lösung des Konflikts zerstört hätten.

Für den erneuten Vorstoß von Menendez und Kirk gibt es zwei Anlässe. Da ist zum einen die Tatsache, daß die iranische Erdölausfuhr seit November 2013 kontinuierlich gestiegen ist. Sie lag im Februar bei 1,4 Millionen Barrel pro Tag und soll nach vorläufigen Schätzungen im März sogar noch um 14 Prozent gewachsen sein. Nachdem die EU-Staaten seit dem 1. Juli 2012 kein iranisches Erdöl mehr kaufen, sind China, Indien, Japan, Südkorea und die Türkei Teherans einzige noch verbliebene Großkunden. Die US-Regierung droht allen Staaten, die Öl aus dem Iran importieren, mit schweren Strafmaßnahmen. Sie können diese aber vermeiden, so lange sie bereit sind, die Einfuhrmengen konstant zu verringern. Das muß vom US-Finanzministerium alle sechs Monate bestätigt werden. Tatsächlich wurden bisher die Sanktionen gegen alle Abnehmer von iranischem Öl auf dieser Basis immer wieder ausgesetzt.

Im Genfer Abkommen hat die US-Regierung darauf verzichtet, während der Dauer eines sechsmonatigen Memorandums auf weitere Senkungen der Importmenge zu bestehen. Praktisch bedeutet das, daß Iran während des Memorandums die durchschnittliche Vorjahresmenge an Erdöl, das sind ungefähr 1,1 Millionen Barrel pro Tag, ausführen kann. Das Memorandum trat im Januar in Kraft und läuft, sofern es nicht verlängert wird oder die Seiten sich auf eine endgültige, umfassende Vereinbarung einigen, noch bis zum 20. Juli.

Irans Erdölausfuhr liegt seit Dezember 2013 über dieser von den USA diktierten Höhe. Das heißt aber nicht unbedingt, daß sie über den gesamten Zeitraum bis Juli hin wirklich dieses Durchschnittsniveau wesentlich übersteigen wird. Außerdem hat Iran sich in Genf selbstverständlich nicht verpflichtet, sich seine Exportmenge von Washington vorschreiben zu lassen.

Der zweite Anlaß für den Brief von Menendez und Kirk sind die seit einigen Monaten laufenden vertraulichen Verhandlungen zwischen Teheran und Moskau über ein großes Erdölgeschäft. Einzelheiten wurden bisher nicht offiziell mitgeteilt oder bestätigt. Es soll sich im Kern darum handeln, daß Rußland für einen Zeitraum von zwei oder drei Jahren 500000 Barrel pro Tag aus dem Iran übernimmt, höchstwahrscheinlich zum Weiterverkauf. Das Geschäft, das nach anonymen iranischen Insiderquellen einen Wert von ungefähr 20 Milliarden Dollar haben würde, soll – da finanzielle Transaktionen mit dem Iran durch US-Sanktionen fast unmöglich sind – auf Tauschbasis abgewickelt werden. Rußland könnte dem Iran beispielsweise Lebensmittel, Rohstoffe und Maschinen liefern. Angeblich ist auch der Bau zweier Atomkraftwerke im Gespräch, die Iran auf diese Weise bezahlen könnte.

Die US-Regierung hat Rußland bereits mit Sanktionen gedroht, falls ein solches Tauschgeschäft wirklich zustande käme. Die beiden Senatoren fordern nun von Obama, aus dem Genfer Abkommen auszusteigen, wenn Iran seine Erdölausfuhr nicht wesentlich senkt und auf das Geschäft mit Rußland verzichtet. Das Datum ihres Briefes war gut gewählt: Am gestrigen Dienstag begann in Wien eine weitere Verhandlungsrunde zwischen dem Iran und der internationalen Sechsergruppe.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 9. April 2014


Zurück zur Iran-Seite

Zur Iran-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur USA-Seite

Zur USA-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Israel-Seite

Zur Israel-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage