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Zahlen für Banker

Irische Pleitebanken im erneuten "Streßtest": Angeblich fehlen "nur" noch 24 Milliarden Euro, dann wird alles besser. Zweifel sind berechtigt

Von Christian Bunke, Manchester *

War es das, oder kommen bald die nächsten Hiobsbotschaften? Die irische Regierung verkündete am Donnerstag nachmittag (31. März) das inzwischen fünfte Bankenrettungspaket seit 2008. Zwar behauptet die neue Regierung in Dublin, dies würde das letzte sein, aber das wurde bei den vorhergehenden Verstaatlichungsaktionen für privatkapitalistische Schulden auch immer behauptet. 24 Milliarden Euro zusätzlich brauchen die maroden Finanzinstitute, ergab der letzte Streßtest. Damit stehen Irlands Banken beim Steuerzahler inzwischen mit bereits 70 Milliarden Euro in der Kreide – das ist ein halbes Bruttoinlandsprodukt des Landes, und eine Rückzahlung ist nicht vorgesehen. Faktisch hat der Staat damit alle irischen Banken am Hals.

Apropos Streßtest: Der neuen Vergesellschaftung privater Verbindlichkeiten war jene Prüfung vorausgegenagen, die von der Dubliner Zentralbank in Auftrag gegeben worden war. Die Versuchsanordnung – unter Aufsicht der italienischen und der französischen Notenbank – ging dabei von einem Zusammenbruch des internationalen Immobilienmarktes aus. Ein durchaus realistisches Szenario. Alles lief auf die Frage hinaus, ob irische Banken so etwas überleben könnten.

Das Ergebnis: ein deutliches »Nein«. Es war nicht zuletzt der Zusammenbruch des Immobilienmarktes, der die Banken auf der Grünen Insel 2008 in die Krise gestürzt hatte. 60 Prozent von deren ausgereichten Krediten gingen in den Immobiliensektor im In- und Ausland. Und es ist bis jetzt ein Hauptgeschäft der irischen Geldhäuser geblieben, die rund 700000 Hypotheken verwalten.

Die sechs derzeit existierenden Kreditinstitute sollen nun in zwei unter staatlicher Führung stehenden Universalbanken zusammengeschmolzen werden. Einhergehen soll das mit einer drastischen Verkleinerung des Geschäftsvolumens und der Konzentra­tion auf inländische Deals, gab Finanzminister Michael Noonan bekannt. Große Teile des Versicherungswesens und auch des Immobilienbereiches werden an ausländische Interessenten verkauft – so es welche geben sollte.

Nicht endgültig entschieden ist bisher die Verstaatlichung der Bank of Ireland. Die ist derzeit zu 35 Prozent in Regierungsbesitz, sie erhält aber noch etwas Zeit, um rund fünf Milliarden Euro aufzutreiben, die ihr an Kapitalausstattung fehlen. Allerdings gehen die meisten Beobachter in Irland und Großbritannien davon aus, daß auch dieses Institut bald vollständig am Tropf der Steuerbürger hängen wird.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) haben die neuen Maßnahmen begrüßt. Die EZB erklärte am Donnerstag, weiter Geld an Irland leihen zu wollen, selbst wenn internationale Märkte die Kreditwürdigkeit des Landes erneut herabstufen würden. Damit dürften die Zentralbanker auf längere Zeit die einzig verfügbare Refinanzierungsquelle für die irischen Häuser sein. Bereits am Freitag (1. Apr.) stufte die Ratingagentur Standard & Poor’s Irlands Bonität von bisher A- auf BBB+ zurück. Noch schlimmer war es nur Griechenland ergangen, dessen Kreditwürdigkeit auf »Junk« (Müll) zurückgesetzt worden war.

Kompromißlos zeigen sich EZB und IWF jedoch in der Frage der an Unterstützungsleistungen geknüpften Bedingungen. Irlands Regierung hatte zuvor um eine Neuverhandlung der 2008 beschlossenen internationalen Rettungspakete gebeten. Dies wurde rundweg abgelehnt. EZB und IWF lehnten auch die Bitte ab, den irischen Banken lang- und nicht nur kurzfristige Unterstützung zu geben.

Die neuen Kosten werden wie üblich auf die Bevölkerung abgewälzt. Dabei ist diese bereits geplagt von den Auswirkungen der bisherigen »Rettungsaktionen«. Bislang hat sich die derzeit im Amt befindliche Fine Gael/Labour-Regierung noch nicht dazu geäußert, wie die durch Verstaatlichung entstehenden Kosten finanziert werden sollen. Allerdings steht bereits fest, wer auf keinen Fall zahlen muß: Die großen Privatanleger werden auf jeden Fall von kommenden Belastungen ausgespart. Dies erklärte Regierungschef Enda Kenny am Donnerstag (31. März).

Derart privilegiert sind die einfachen Bankangestellten jedenfalls nicht. Im Gegensatz zu den Managern haben bereits 7000 von ihnen seit 2008 ihren Job verloren. 2000 weitere Stellenstreichungen werden für die nahe Zukunft befürchtet. Der irische Regionalsekretär der zuständigen Gewerkschaft UNITE erklärte dazu: »Viele Tausende Beschäftigte und ihre Familien werden heute mit Angst in ihre Zukunft schauen. Sie haben die Probleme des Bankensektors nicht verursacht, aber sie werden dafür den ultimativen Preis mit ihren Jobs und ihrer finanziellen Sicherheit bezahlen müssen.« Die Gewerkschaft will am Montag ein erstes Treffen mit der irischen Zentralbank über die Lage abhalten.

Belastungen werden auch für die Kunden der Kreditinstitute befürchtet. In vielen Städten wird mit flächendeckenden Schließungen von Bankfilialen gerechnet. Größere Kommunen mit bislang zehn Niederlassungen könnten nach der Schrumpfung des Bankensektors nur noch über ganze drei Filialen verfügen. Zudem wird mit erhöhten Gebühren für die angebotenen »Finanzdienstleistungen« gerechnet, da die beiden verbliebenen irischen Häuser ihr faktisches Duopol denn entsprechend ausnutzen können. Und klar ist auch, daß Zinsen für Kredite und Darlehen überproportional ansteigen werden.

* Aus: junge Welt, 2. April 2011


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