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Neues Personal

Wahlen in Irland lassen Regierungskoalition abstürzen. Die Sieger kündigen Fortsetzung des »Sparkurses« an. Achtungserfolge für Linkskräfte

Von Christian Bunke, Manchester *

In Irland bleibt nach den Neuwahlen von Freitag vieles beim alten – allerdings wechselt das Regierungspersonal. Bei einer Beteiligung von etwa 70 Prozent erhielt die bisherige Koaliton aus der republikanisch-liberalen Partei Fianna Fail (Soldaten des Schicksals) und den Grünen den Denkzettel für ihre antisoziale Sparpolitik. Nach Auszählung des Großteils der Stimmen lag Fianna Fail bei 17,4 Prozent, ihrem bisher schlechtesten Ergebnis – ein massiver Einbruch mit über 24 Prozent Verlusten gegenüber 2008.

Die Grünen landeten gar bei nur 1,8 Prozent und werden höchstwahrscheinlich keinen Sitz im irischen Unterhaus einnehmen (bisher: sechs Sitze). Zweitstärkste Kraft ist nun die Labour-Partei mit 19,4 Prozent hinter der konservativen Fine Gael (Familie der Iren) mit 36,1 Prozent. Deren Vorsitzender Enda Kenny kündigte an, nun Koalitionsverhandlungen mit Labour aufnehmen zu wollen, um eine »starke Regierung« zu bilden.

Im neuen Parlament wird es zukünftig lebhafter zugehen, wofür unter anderem die Sinn Féin (Wir selbst) sorgen könnte. Die republikanische Linkspartei erreicht knapp zehn Prozent und wird nun mit 13 Abgeordneten (bisher: fünf) vertreten sein. Unter ihnen befindet sich Parteichef Gerry Adams, der in Louth herausragende 15072 Stimmen erreichte. Um in die Politikszene der Republik Irland zu wechseln, war er von seinen bisherigen Positionen zurückgetreten. Seit 1983 hatte er für Belfast einen Sitz im britischen Unterhaus inne, den er aber nie antrat, weil er nicht den obligatorischen Treueschwur auf die britische Königin leisten wollte. Außerdem war er führend im nordirischen Parlament tätig, wo Sinn Féin mit den Loyalisten von der DUP regiert.

Gute Ergebnisse erzielten auch die Kandidaten der United Left Alliance (ULA). Dieses Bündnis verschiedener linker und sozialistischer Gruppen wird mit vier Abgeordneten ins irische Unterhaus einziehen. Deamus Healy, Stadtrat in South Tipperary, erhielt mit 8818 Stimmen den höchsten ULA-Wert gefolgt vom EU-Parlamentarier der Socialist Party, Joe Higgins, der es in Dublin-West auf 8084 Stimmen brachte. Außerdem errangen Clare Daly von der Socialist Party und Joan Collins von People before Profit (Menschen vor Profit) ein Mandat. Insgesamt dürften die Kandidaten der Links­allianz weit über 50000 Stimmen auf sich vereinigt haben, Sinn Féin über 220000. 12,6 Prozent entfielen auf »Unabhängige« – das sind knapp 280000 Stimmen –, darunter auch einige ULA-Mitglieder.

Sinn Féin kann sich nun erlauben, in der Republik Irland – anders als im Norden, wo sie in der Regierung an das »Karfreitagsabkommen« gebunden ist – als Fundamentalopposition im Parlament aufzutreten. Wie geschickt Gerry Adams und seine Parteifreunde dieses bewältigen, wird angesichts des zu erwartenden, von Brüssel diktierten scharfen »Sparkurses« mit einiger Spannung erwartet. Die ULA-Abgeordneten hatten bereits im Wahlkampf erklärt, daß sie das Unterhaus vor allem als Bühne für die Mobilisierung zu außerparlamentarischem Widerstand gegen die Verschärfung des Sozialabbaus nutzen wollen. Diese wurden von Fine Gael angekündigt. Parteichef Kenny sprach noch in der Wahlnacht unter anderem von der »Notwendigkeit«, im öffentlichen Dienst die Gehälter zu kürzen. So wolle er »bessere Bedingungen« für eine Rückzahlung des Darlehens von EU und Internationalem Währungsfonds im Volumen von 67,5 Milliarden Euro aushandeln und innerhalb der kommenden fünf Jahre 100000 neue Stellen schaffen.

Dagegen hatten die ULA-Vertreter eine Erklärung unterschrieben, in der sie sich verpflichteten, nur durchschnittliche Facharbeiterlöhne zu akzeptieren. In den vergangenen Wochen hatten einige Streiks und Protestaktionen stattgefunden. Eine Fortsetzung ist nach der Wahl und der Wiederetablierung eines rigoros antisozialen Kurses durch neues Regierungspersonal erst recht zu erwarten.

* Aus: junge Welt, 28. Februar 2011


Saubermann

Enda Kenny / Der Parteichef der Fine Gael Partei wird Irlands nächster Premier

Von Christian Bunke **


Das Kanzleramt wird es mit Freude vernehmen: der Konservative Enda Kenny steht künftig an der Spitze von Irlands Regierung. Der 59-jährige Kenny ist Parteichef der Fine Gael und ihm wird ein freundschaftliches Verhältnis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel nachgesagt. Diese kennt er aus langjähriger Zusammenarbeit auf europäischem Parkett: Zwei Mal war er der Vizepräsident der Europäischen Volkspartei.

Kenny ist der längste amtierende irische Parlamentarier, seit 1975 sitzt er im irischen Unterhaus. Von 1994 bis 1997 war er irischer Tourismusminister, seit 2002 führt er die Fine Gael Partei. Nun wird er zum ersten Mal in seinem Leben Regierungschef. Während seiner bisherigen Karriere baute er gute Verbindungen zur Labour Partei auf, mit der er nun wahrscheinlich koalieren wird.

In seiner Siegesrede nach der Wahl versprach Kenny tiefgreifende Veränderungen. Er wolle eine Gesellschaft aufbauen, die junge Iren nicht mehr dazu zwingen würde, ins Ausland abzuwandern. Er versprach, dass die kommende Regierung die am härtesten arbeitende seit 50 Jahren sein werde.

Realpolitisch betrachtet verfolgt Kenny klassisch konservative Themen. »Law und Order« ist einer seiner Schwerpunkte.

Kenny gibt sich als Saubermann, der die irische Politik aufräumen wird. Dem widerspricht die Webseite www.endakenny.com. Hier wurde enthüllt, dass Kenny eine jährliche Rente von 30 000 Euro bezieht, die er von seinem früheren Beruf als Lehrer erhält. Kenny war vor über 35 Jahren vier Jahre als Grundschullehrer tätig. Außerdem erhielt er eine Abfindung von 100 000 Euro. Das ist der Mann, der Gehälter im öffentlichen Dienst einsparen, Hunderttausende entlassen und neue Massensteuern einführen möchte.

Kenny will die Kinderbeihilfe um 250 Millionen Pfund kürzen, eine 325 Millionen Euro schwere Wassersteuer einführen und 360 Millionen bei der Sozialhilfe einsparen. Dass die Iren dieses Programm unwidersprochen hinnehmen werden, ist unwahrscheinlich. Kenny ist am Ziel seiner politischen Träume angelangt. Ob ihm das hohe Amt viel Freude bereiten wird, ist angesichts der desaströsen Ausgangslage fraglich.

** Aus: Neues Deutschland, 28. Februar 2011


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