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Kampf um Islands Energieressourcen

Sängerin Björk an der Spitze einer Massenbewegung gegen Ausverkauf an Alukonzerne

Von Andreas Knudsen, Kopenhagen *

Viele Isländer wollen verhindern, dass ihre klimaverträgliche Energieversorgung verkauft wird – zum Wohle von Aluminiumproduzenten.

Als Entertainerin von Weltrang weiß Björk genau, wie man mediengerecht auftritt. Das tat sie jetzt, als sie im Namen von 48 000 Isländern der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurdardóttir und ihrem Stellvertreter, Finanzminister Steingrímur Sigfússon von der Rot-Grünen Partei, eine Petition überreichte. Darin wird eine Volksabstimmung über die wichtige Zukunftsfrage verlangt: Wem gehören die natürlichen Ressourcen des Landes und wer darf sie ausbeuten? Hinter der Initiative steht die Bewegung »Saving Iceland«, die davor warnt, dass ihre Insel mit Aluminiumwerken und Staudämmen übersät wird und die Natur irreparablen Schaden erleidet.

Island hat rund 228 000 Wahlberechtigte, die spätestens 2013 wieder an die Urnen gerufen werden müssen. Ob Ministerpräsidentin Sigurdardóttir dem Wunsch eines Fünftels der Wählerschar nachgeben wird, ist offen. Doch sie muss die Forderung ernst nehmen, zumal zahlreiche der Unterschreibenden ihre Koalition einst gewählt haben. Während die Unterschriftensammlung lief, hatte sie selbst erklärt, dass mindestens 35 000 Unterschriften nötig seien, »damit ich die Forderung ernst nehmen kann«.

Die Volksbewegung war eine Reaktion auf die Ankündigung des kanadischen Unternehmens Magma Energy, die Mehrheit am drittgrößten isländischen Energieproduzenten HS Orka zu übernehmen. Falls dies geschieht, würde ein wichtiger Produzent im Hauptstadtbereich Teil eines Konzerns werden, der mehr an der äußerst energieintensiven Aluminiumproduktion als an öffentlicher Versorgung interessiert ist. Der Preis für die Kilowattstunde Strom, den die Aluhersteller bezahlen, ist mit 1,5 US-Cent lächerlich gering. Magma will sich große Energiemengen sichern, da man den Bau mehrerer neuer Werke plant.

Die Energieversorgung in Island basiert ausschließlich auf Wasserkraft und Erdwärme, ist also prinzipiell klimafreundlich. Der niedrige Preis macht es indes für Rohstofffirmen rentabel, riesige Mengen Bauxit über Tausende von Kilometer nach Island zu verschiffen und dort zu Aluminium zu verarbeiten. Die Insel produzierte im vergangenen Jahr bereits rund 800 000 Tonnen Aluminium – Tendenz weiter steigend. Genau dies bereitet den umweltbewussten Isländern Sorge. Mit der steigenden Produktion müssen neue Staudämme, Stromtrassen und geothermische Anlagen gebaut werden, die in die Natur eingreifen. Als abschreckendes Beispiel gilt die Schmelze von Kárahnjúk in den Ostfjorden. Zwei große Ströme mussten umgeleitet und gestaut, ein Fjord einbezogen und den Rentieren ein Teil ihres Lebensraumes genommen werden. Die Gemeinde wird noch lange die Kredite für den Damm abzahlen müssen, während die meisten Arbeitsplätze der Bauzeit wieder weg sind und das Werk nur relativ wenige Spezialisten benötigt. Die Sängerin Björk war auch hier Teil des Widerstands.

Magmas Kaufwunsch bekam erst dadurch Aussicht auf Erfolg, dass die isländische Gesetzgebung den EU-Regeln angepasst wurde, die verlangen, dass die Produktion und die Verteilung von Energie in den Händen unterschiedlicher Firmen liegen soll. Dazu kommt, dass 1998 die Raumplanung an die Gemeinden delegiert wurde, von denen nur zu viele auf das schnelle Geld aus sind.

* Aus: Neues Deutschland, 21. Januar 2011


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