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Israel: Unruhen in Akko

Gewaltwelle israelischer Jugendlicher gegen arabische Bevölkerung der Hafenstadt

Von Karin Leukefeld *

Nach drei Nächten mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen jüdischen und arabischen Bewohnern haben am Samstag (11. Okt.) mindestens 700 Polizisten die Straßen der nordisraelischen Küstenstadt Akko kontrolliert. In der Nacht davor waren zwei von Arabern bewohnte Häuser von protestierenden Juden angezündet worden, wie der öffentliche Rundfunk berichtete. Die dort Lebenden waren jedoch zuvor in Sicherheit gebracht worden. Außerdem versuchten mehrere hundert Juden, eine arabische Familie anzugreifen. Die Polizei vertrieb sie mit Tränengas.

Angefangen hatte alles am Mittwoch abend (8. Okt.) mit der Autofahrt des arabischen Israelis Tafwik Jamal, der es gewagt hatte, an dem den Juden heiligen Feiertag, dem Versöhnungstag Jom Kippur, mit seinem Wagen unterwegs zu sein. Für Anhänger jüdischen Glaubens herrscht an diesem Tag absolute Ruhe, und so löste die Fahrt von Jamal eine bis dahin nicht gekannte Gewaltwelle jugendlicher Juden aus. Sie zerstörten das Fahrzeug des Mannes und zwangen ihn und seinen Sohn, im Haus von Freunden Schutz zu suchen. Krankenwagen, die an dem Feiertag unterwegs waren, wurden angegriffen, und die Jugendlichen marschierten in Richtung arabischer Wohnviertel, bis sie unter Wasserwerfereinsatz von der Polizei gestoppt wurden. Als das Gerücht die Runde machte, Tafwik Jamal sei getötet worden, zerstörten arabische Jugendliche in jüdischen Vierteln Fahrzeuge und warfen Fensterscheiben ein. Am Freitag sagte die Polizei die Spiele der israelischen Fußballiga für das Wochenende ab und die eilig angereiste designierte Ministerpräsidentin, Zipi Livni, rief zu Versöhnung und Zusammenarbeit von Juden und Arabern auf. Vergeblich. Tags drauf marschierten jüdische Schlägertrupps erneut durch die alte Hafenstadt und forderten in wütenden Haßtiraden: »Tod den Arabern«, zwei Wohnhäuser wurden in Brand gesteckt.

Die Bevölkerung von Akko ist verunsichert und sucht nach Gründen für den plötzlichen Gewaltausbruch. Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen, Diskriminierung der arabischen Bevölkerung, inszenierte Provokationen?

Während Präsident Shimon Peres beide Seiten zur Ruhe aufrief, fachte der ultrarechte Abgeordnete Arieh Eldad die Stimmung weiter an, indem er meinte, die Araber hätten in Akko einen »Pogrom« inszeniert: »Man sollte sich nicht wundern, wenn die Juden zu den Waffen greifen, um sich zu verteidigen, wenn die Polizei nichts tut, um sie zu schützen.«

Akko galt bislang in Israel als Vorzeigestadt des friedlichen Zusammenlebens von jüdischen und arabischen Israelis. Rund ein Drittel der 50000 Einwohner sind arabische Israelis.

* Aus: junge Welt, 13. Oktober 2008


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