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Attentat in Eilat lässt das Lächeln ersterben

Neue Entwicklungen im Machtkampf zwischen palästinensischen Organisationen?

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem *

Das Selbstmordattentat in Eilat am Montag war der erste Anschlag in Israel seit April und der erste in dem abgelegenen Badeort überhaupt. Beobachter bringen die Tat mit dem Machtkampf in den Palästinensischen Autonomiegebieten in Verbindung.

Eilat ist die Stadt des Lächelns. Jedenfalls, wenn man nicht von hier ist: Wochenende für Wochenende strömen Zehntausende von Israelis in Richtung Süden und lassen es in der beschaulichen Küstenstadt im südlichsten Zipfel des Landes krachen. Von den Industrie- und Gewerbevierteln am Stadtrand, der Arbeitslosigkeit, den Drogenproblemen bekommen sie nichts mit. In Eilat, glauben viele, könne einfach nichts Schlimmes passieren, denn gerade mal drei Straßen – streng bewacht von der Polizei – führen vom Landesinneren durch die Wüste hierher.

Deshalb war die Nachricht, für die Fernseh- und Radiosender am Montagmorgen kurz nach 9 Uhr ihre Programme unterbrachen, für die meisten ein Schock: Es hat wieder mal gekracht, aber diesmal war es ein Bombenanschlag in einem Geschäftsviertel. Drei Israelis und der Attentäter starben. Die Polizei befürchtet, dass sich noch weitere potenzielle Selbstmordbomber in der Stadt verstecken. »Das war eine perfekt ausgeführte Operation«, konstatierte ein Sprecher, »deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass sie zu mehreren gekommen sind.«

Hinter dem Anschlag scheinen der Islamische Dschihad und die Al-Aksa-Brigaden zu stecken, die sich gemeinsam dazu bekannten. Was sich hinter der »Armee der Gläubigen« verbirgt, einer bisher unbekannten Gruppe, die sich ebenfalls verantwortlich erklärte, ist unklar. Nach Ansicht der Ermittler ist es gut möglich, dass es sich um Trittbrettfahrer handelt.

In ersten Kommentaren brachten arabische und israelische Medien den Anschlag mit dem Machtkampf in den palästinensischen Gebieten in Verbindung, dem allein seit Freitag vergangener Woche mindestens 32 Menschen zum Opfer gefallen sind. Immer wieder wird von palästinensischen Medien und Politikern gefordert, die Konfliktparteien, also die Milizen, die entweder der Hamas oder der Fatah nahe stehen, sollten die Waffen ruhen lassen und sich auf den Kampf für einen eigenen Staat konzentrieren. Die Beobachter interpretieren den Anschlag deshalb als Versuch, diese Forderungen zu beantworten und damit an Einfluss zu gewinnen.

»Es muss zwischen sechs und sieben Monaten gedauert haben, diese Aktion vorzubereiten«, erläuterte ein Kommentator des Nachrichtensenders »Al Dschasira«. Der oder die Attentäter hätten vermutlich einen Tunnel genutzt, um die jordanisch-israelische Grenze zu passieren. »Die Tatsache, dass der Anschlag ausgerechnet zu einer Zeit ausgeführt wird, in der die Lage in Palästina zu eskalieren droht, deutet darauf hin, dass der Islamische Dschihad auf Kosten der Hamas Punkte sammeln will«, mutmaßte der Kommentator. »Deshalb haben sie sich mit den Al-Aksa-Brigaden zusammengetan, die ja ebenfalls ein Interesse daran haben, die Hamas zu schwächen. Allein hätte wohl keine der beiden Gruppen eine solche Operation in die Tat umsetzen können.«

Sollte sich die gemeinsame Täterschaft der beiden Gruppen bewahrheiten, würde dies bedeuten, dass sich im Machtkampf in den Palästinensischen Autonomiegebieten eine neue Dynamik entwickelt hätte. Bis jetzt waren die Auseinandersetzungen eine ziemlich klare Sache: Auf der politischen Ebene stritten sich Hamas und Fatah, was auf militärischer Ebene seinen Ausdruck in den gewaltsamen Zusammenstößen ihrer jeweiligen Milizen fand. Auf Seiten der Fatah wurde dies geduldet, der Hamas war es zur Stärkung ihrer Verhandlungsposition willkommen. Sollte sich nun eine Zusammenarbeit zwischen dem stark religiösen Islamischen Dschihad und den mehr politisch motivierten Al- Aksa-Brigaden ergeben, würde dies den Konflikt auf weitere Teile der palästinensischen Bevölkerung ausweiten und eine Konfliktlösung erschweren. Zumal eine Allianz der beiden bedeuten würde, dass die Fatah-Nähe der Al-Aksa-Brigaden mittlerweile nur mehr ein Lippenbekenntnis ist. Der politischen Führung wäre die Kontrolle über die Brigaden entglitten.

In Israel rüstet man sich deshalb für weitere Anschläge: Die Sicherheitsdienste wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt; die Straßen nach Eilat sind gesperrt – ein weiterer Schock für die Stadt, deren Bürgermeister noch am Sonntag in einer Pressekonferenz die Hoffnung geäußert hatte, dass der ausländische Tourismus in den kommenden Monaten um 50 Prozent wächst. »Bei uns passiert ja nie was«, hatte er gesagt, »das ist unser bestes Verkaufsargument.«

* Aus: Neues Deutschland, 30. Januar 2007


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