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Bagger gegen Beduinen

Israelische Armee überfällt und zerstört Araberdörfer in der Negev-Wüste

Von Karin Leukefeld *

Erneut hat die israelische Armee zwei von arabischen Beduinen bewohnte Dörfer zerstört. Die Aktion am Montag in der Negev-Wüste wurde von israelischen Polizisten abgesichert, 1500 »Sicherheitskräfte« waren im Einsatz. Nach Angaben des UN-Informationsnetzwerks IRIN wurden durch die Zerstörung von 20 Häusern mehr als 150 Menschen obdachlos. In den zwei Dörfern, Atir und Um Heiran, lebten seit 50 Jahren Angehörige des Beduinenstammes Al Qi’an. Die Bagger und Soldaten seien um acht Uhr morgens gekommen, als die Kinder in der Schule und die Männer bei der Arbeit gewesen seien, berichtete Zahara Al Qi’an. »Die Polizisten haben uns geschubst und keine Zeit gegeben, um unser Eigentum aus den Häusern mitzunehmen. Statt dessen haben sie alles genommen und beschlagnahmt. Dann kamen die Bulldozer, und als wir protestierten, beschimpften sie uns als Huren.« Die Soldaten hätten Geld, Kleidung, Goldschmuck und die Schulbücher der Kinder einkassiert, so Zahara. Ein alter Mann berichtete, daß man sogar seinen Teekessel und die Teegläser beschlagnahmt hätte.

Der Stamm der Al Qi’an wurde 1948 von seinem ursprünglichen Land vertrieben und 1956 von den israelischen Behörden dort angesiedelt, wo man ihn nun erneut vertrieb. Nach Angaben der Israelischen Landbehörde (ILA) lebten die Beduinen »illegal« auf »staatlichem Grund und Boden«, seit 2004 lag eine Abrißgenehmigung vor. Das Land ist für neue israelische Siedlungen vorgesehen, während die Beduinen in sieben von Israel gebaute Ghettosiedlungen gezwungen werden sollen. Nach UN-Angaben leben heute noch 160 000 arabische Beduinen in der Negev-Wüste. Die Hälfte verharrt in 45 von Israel »nicht anerkannten Dörfern«, zu denen auch Atir und Um Heiran gehörten. Die Dörfer haben weder Strom- noch Wasserversorgung, die Beduinen kaufen das Wasser von Tanklastwagen und für den Strom sorgen Generatoren. Man habe den Beduinen Entschädigung angeboten, heißt es bei ILA, doch diese lehnten Geld und Umsiedlung ab. Bei den bereits in die Ghettostädte gezwungenen Beduinen ist sowohl Arbeitslosigkeit als auch Kriminalität ein großes Problem. Deren traditionelle Lebensweise wird durch das aufgezwungene Stadtleben zerstört. Die nun vertriebenen Al-Qi’an-Beduinen wurden von Hilfsorganisationen vorerst in Zelten untergebracht. Die stehen in der Wüste, wo die Menschen extrem hohen Temperaturen und Sandstürmen ausgesetzt sind.

* Aus: junge Welt, 30. Juni 2007


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