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Durch besetztes Land

Israel plant Eisenbahnlinie von Tel Aviv nach Jerusalem. Palästinensische Gemeinden und Anwohner kündigen Widerstand an

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

In nur 28 Minuten sollen Israelis in Zukunft zwischen Tel Aviv und Jerusalem hin- und herpendeln können, einziger Halt dazwischen soll der Ben-Gurion-Flughafen sein. Das ist die Planung der Staatlichen Israelischen Eisenbahn, die mit Hilfe der Deutschen Bundesbahn und anderer internationaler Unternehmen eine Schnellbahntrasse durch besetztes palästinensisches Land bauen will. Die Bundesbahn soll für den Strom sorgen, die Moskauer Metrostroy soll den Tunnelbau übernehmen, eine italienische Firma die Strecken durch palästinensisches Agrarland legen. Die Planung liegt bei der US-Firma Parsons Brinckerhoff, die dem britischen Finanzhaus Balfour Beatty gehört. Auch das schweizerische Bauunternehmen HBI Haerter und Pizzarotti ist mit von der Partie. Das Projekt ist nicht neu. Seit sechs Jahren wird gebaut, die Kosten werden auf zwei Milliarden US-Dollar geschätzt.

Israelische Umweltschützer sorgen sich um die Naturzerstörung, die das Projekt in den Bergen um Jerusalem anrichten würde. Im Fokus der Kritik steht besonders eine Brücke, die 144 Meter über die Schlucht des Yitla-Flusses führen soll. Die Umweltschützer fordern statt dessen einen Tunnel.

Doch palästinensische Gemeinden und Anwohner der Strecke haben grundsätzlichen Widerstand gegen das Projekt angekündigt. Die Bahnlinie verstoße gegen internationales und israelisches Recht, heißt es in einer jetzt veröffentlichten Petition, die international Druck auf die beteiligten Firmen ausüben soll. Eine Besatzungsmacht dürfe nicht »die Rohstoffe des besetzten Landes für den Nutzen der eigenen Bevölkerung ausplündern.« Das Bahnprojekt werde den Palästinensern von einem Militärregime aufgezwungen, Mitsprache hätten sie nicht. Zudem wird die Bahnverbindung »absolut unzugänglich für die Lokalbevölkerung sein«.

Besonders betroffen sind die Einwohner von Beit Surik, die bereits durch den illegalen israelischen Mauerbau von ihrer Umwelt abgeschnitten sind. In einem offenen Brief weisen sie darauf hin, daß die Deutsche Bahn der Bundesregierung gehöre und die Moskauer Metrostroy der russischen Regierung, Druck müsse es also auch auf diese Regierungen geben. Die Deutsche Bahn-Tochter DB International dementierte gegenüber der Nachrichtenagentur AP, an dem Bau beteiligt zu sein.

Derweil hat das israelische Rechtszentrum für Bewegungsfreiheit (Gisha) in Tel Aviv per Gerichtsbeschluß die Freigabe staatlicher Dokumente erstritten, aus denen hervorgeht, daß die israelische Regierung mit der Belagerung des Gazastreifens die schlechten Lebensbedingungen der dortigen Bevölkerung nicht nur in Kauf nimmt, sondern absichtlich mit der Blockade erreichen will. Die Regierung hatte zunächst die Existenz solcher Dokumente bestritten, später die Veröffentlichung als »Gefährdung für die staatliche Sicherheit« verweigert. Die Dokumente geben Aufschluß über das politische Ziel, wonach entschieden wird, welche Güter den Gazastreifen erreichen dürfen. Nach dem Motto »absichtliche Drosselung« der Lieferung bestimmter Produkte wurden Warnmechanismen eingesetzt, die signalisieren sollten, wenn diese kaum noch verfügbar waren. So hat es Israel immer in der Hand zu liefern oder nicht zu liefern. Wenn zum Beispiel das gelieferte Benzin ausging, verhängte Israel zusätzlich einen Lieferstopp, was mehr als einmal das Elektrizitätswerk in Gaza zum Stillstand brachte.

* Aus: junge Welt, 16. November 2010


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