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Netanjahu schürt das Feuer

Israel setzt Siedlungsbau fort. Ban fordert Ende der Blockade des Gazastreifens

Ungeachtet der internationalen Kritik hält der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Bau Hunderter neuer Wohnungen in Ostjerusalem fest. »In Jerusalem zu bauen ist wie in Tel Aviv zu bauen«, sagte er bei einer Kabinettssitzung am Sonntag (21. März). Israel werde hier seine Politik der vergangenen 42 Jahre nicht ändern. Um den Streit mit den USA wegen der neuen Baugenehmigungen für den Ostteil der Stadt zu entschärfen, erklärte sich Netanjahu aber zu »thematischen Zugeständnissen« bei indirekten Verhandlungen mit den Palästinensern bereit. Eine endgültige Entscheidung über den Status von Ostjerusalem, das Schicksal palästinensischer Flüchtlinge und die Grenzziehung könne es aber weiter nur in direkten Gesprächen geben. Berichte, wonach die Baumaßnahmen in Ostjerusalem verlangsamt werden sollten, wies das Büro des Regierungschefs zurück.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte bei einem Besuch im Gaza­streifen am Sonntag (21. März) ein Ende der seit fast drei Jahren dauernden israelschen Blockade. Die Abriegelung des Autonomiegebiets habe »inakzeptables Leid« zur Folge und unterstütze Extremisten, sagte Ban nach einem Aufenthalt im Flüchtlingslager Chan Junis und sagte den Palästinensern die Unterstützung der Vereinten Nationen zu. Am Samstag hatte sich Ban im Westjordanland einen Eindruck von den Folgen israelischer Siedlungspolitik verschafft und die Baumaßnahmen auf besetztem Gebiet als illegal verurteilt. Bei einem Gespräch mit dem israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres forderte der UN-Generalsekretär eine Wiederaufnahme von Friedensgesprächen und die Errichtung eines palästinensischen Staates binnen zwei Jahren.

Im Westjordanland wurden am Wochenende drei Palästinenser von israelischen Soldaten getötet. Nach Angaben der Streitkräfte soll am Sonntag (21. März) ein Soldat an einem Kontrollpunkt bei Nablus von zwei Palästinensern mit Messern angegriffen worden sein, die Angreifer wurden erschossen. Bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften war am Samstag ein 16jähriger Palästinenser während einer Demonstration getötet worden.

Am Sonntag (21. März) traf Washingtons Sondergesandter für den Nahen Osten, George Mitchell, zu Vermittlungsgesprächen in Israel ein. Mitchell wollte in Jerusalem mit Netanjahu zusammenkommen und am Montag den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas treffen. (apn/jW)

* Aus: junge Welt, 22. März 2010



Im Folgenden dokumentieren wir den Bericht des UN-Nachrichtenzentrums über den Besuch Ban Ki-moons im Gazastreifen (englisch).
Daran anschließend eine halboffizielle Stellungnahme aus Israel zum "Mythos von der Belagerung Gazas", worin die angeblichen Wohltaten gepriesen werden, die Israel den Palästinensern im Gazastreifen gewährt. Und - als Kontrast dazu - ein Kommentar aus der Süddeutschen Zeitung. Dessen Autor, Peter Münch, gehört offenbar auch zu denen, die dem "Mythos" aufgesessen sind und den "Lügen" glauben.


In Middle East, Ban hails "heroism and quiet courage" of Gazans

21 March 2010 - Visiting Gaza today, Secretary-General Ban Ki-moon expressed his solidarity with the people of the area, just over one year after the end of the deadly conflict.

"Every day they show heroism and quiet courage and this is an inspiration," Mr. Ban said while visiting the Khan Younis section of Gaza.

The people of the area, he said, "are striving to provide for their families amid unacceptable, unsustainable conditions."

For nearly three years, the United Nations housing project in Khan Younis has been stalled, but the Israeli Government recently approved the world body''s request to continue work on the humanitarian project and erect 150 housing units. Also set to be built are a flour mill and sewage treatment plant, while classes for schools and aluminum for windows will also be brought into the area.

"While I believe that this is a positive welcome step, I believe again we need far, far, much more," the Secretary-General stressed. "This is like a drop in a bucket of water."

He reiterated that Israeli's policy of closure is "not sustainable and it is wrong."

Mr. Ban, who is on his first visit to Gaza in over a year, said that the closure "causes unacceptable suffering of human beings," with half of the area''s population, which is under the age of 18, suffering the most.

"The policy is also counter-productive," he emphasized. "It prevents legitimate commerce and encourages smuggling. It undercuts moderates and empowers extremists."

Operation Cast Lead, the three-week Israeli military offensive starting at the end of 2008, had the stated aim of ending rocket attacks by militants operating in the area.

The fighting left more than 1,400 people dead, injured 5,000 others and reduced homes, schools, hospitals and marketplaces to rubble.

The Secretary-General said that the UN stands with the people of Gaza, and agencies such as the UN Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) will continue to provide humanitarian aid and help with the rebuilding process.

"I urge all Gazans to choose the path of non-violence, Palestinian unity, and international legitimacy," he said, also calling for a prisoner exchange so that both Palestinian prisoners and Israeli soldier Gilad Shalit can be released.

Following his stop in Gaza, the Secretary-General returned to Jerusalem for talks with Prime Minister Benjamin Netanyahu.

Mr. Ban told reporters after talks with the Israeli leader that his visit is taking place at a "crucially important juncture," coming just before the start of proximity talks between the country and Palestinians.

The Secretary-General arrived in the Middle East from Moscow, where he attended a meeting on Friday of the diplomatic Quartet comprising the UN, Russia, the European Union (EU) and the United States.

The body urged the Israeli and Palestinian sides to resume talks as soon as possible with the aim of reaching a settlement within two years.

"These negotiations should lead to a settlement, negotiated between the parties within 24 months, that ends the occupation which began in 1967 and results in the emergence of an independent, democratic and viable Palestinian State living side by side in peace and security with Israel and its neighbours," the Quartet said in a joint statement at the end of their meeting in the Russian capital.

At a press encounter with Mr. Netanyahu today, Mr. Ban thanked Israel for its humanitarian efforts in Haiti after January''s devastating earthquake which claimed more than 200,000 lives.

"You demonstrated great humanity and it was widely respected and appreciated," he said.

Earlier in the day, the Secretary-General also met with Israeli Deputy Minister Daniel Ayalon, Mashav (Israel''s National Agency for International Development) and members of the Israeli Government''s medical team dispatched to Haiti.

Source: UN News Centre, 21 March 2010; www.un.org


Der Mythos von der Belagerung Gazas

Trotz der Behauptungen, Gaza befinde sich im Belagerungszustand, erhält der Landstrich mehr Hilfslieferungen als das Erdbeben-geschädigte Haiti.

Von Jacob Shrybman **


UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verband seinen kürzlichen Besuch des Gazastreifens mit der Aufforderung, die so genannte Blockade des von Terroristen kontrollierten Gebietes zu beenden. Allerdings muss man sich fragen, welche Blockade oder Belagerung er meint, wo doch 738.576 Tonnen humanitäre Hilfe im Jahr 2009 in den Gazastreifen überführt wurden.

Überdies stellte die UN dem Gazastreifen 200 Millionen US-Dollar Hilfszahlungen zur Verfügung nach einer Militäroperation, die 1.300 Opfer forderte bei einer Bevölkerung von 1,5 Millionen – während sie den Opfern der Naturkatastrophe in Haiti, trotz Plänen die Hilfe zu erhöhen, bis Ende Januar nur 10 Millionen US-Dollar hat zukommen lassen; einem Erdbeben, das über 230.000 Todesopfer forderte und unter dessen Folgen über 3 Millionen Menschen leiden.

Die US-Regierung versprach dem Gazastreifen in Folge der Militäroperation „Gegossenes Blei“ 900 Millionen US-Dollar Hilfszahlungen, während das Erbeben-geschüttelte Haiti insgesamt bislang nur über 700 Millionen US-Dollar Hilfe erhalten hat, wie USAID und DOD errechnet haben.

Die internationale Gemeinschaft ist einer glatten Lüge über eine israelische Belagerung des Gazastreifens auf den Leim gegangen, während sie die Fakten ignoriert. Internationale humanitäre Hilfe gelangt seit Jahren unaufhörlich in den Gazastreifen und endete in keiner Weise nach der Operation „Gegossenes Blei“, denn 30.576 Hilfstrucks fuhren im Jahr 2009 in das Gebiet.

Das größte Gefängnis der Welt?

Der Gazastreifen wird auch als „das größte Gefängnis der Welt“ bezeichnet, was impliziert, die Bewohner könnten das Gebiet nicht verlassen. Allerdings kamen im Jahr 2009 10.544 Patienten und ihre Angehörigen zur medizinischen Behandlung nach Israel und allein in der vergangenen Woche waren es fast 500.

Über ein Jahr ist seit der israelischen Militäroperation vergangen, aber die internationale Gemeinschaft glaubt noch immer an die Lüge von der „Belagerung Gazas“. Währenddessen wurde Israel im selben Jahr von über 320 Raketen und Mörsergranaten getroffen, wie das Sderot Media Center berichtet. Ban Ki-moon hätte den Kibbutz Nirim besuchen sollen, um zu sehen, wo in der letzten Woche ein Haus von einer Rakete zerstört wurde, anstatt dabei zu helfen, einen Mythos am Leben zu halten.

** Jacob Shrybman ist stellv. Direktor des Sderot Media Center

Dieser Artikel wurde von der Israelischen Botschaft in Berlin verbreitet (Newsletter, 22.03.2010)



Verlassen von der ganzen Welt

Ban Ki Moon hat eine Stippvisite ins Elend unternommen. Im Gaza-Streifen durfte der UN-Generalsekretär die Trümmer von Häusern und Hoffnungen besichtigt - aber er hat den dort lebenden Menschen keine Antwort auf die Frage gegeben, wie Häuser wieder aufgebaut und Hoffnungen genährt werden könnten. Denn die Vereinten Nationen sind hilflos gegenüber der israelischen Blockade, die auch die Einfuhr von Baumaterial und sogar von Klopapier verhindert. All ihre Appelle zerschellen an den Mauern, hinter denen 1,5 Millionen Palästinenser eingepfercht sind. (...)

(...) Als sie [die Abriegelung] vor fast vier Jahren verhängt wurde, wollte die israelische Regierung damit Druck ausüben, damit der entführte israelische Soldat Gilad Schalit möglichst schnell freigelassen würde. Genutzt hat es nichts, der arme Schalit ist noch immer in Geiselhaft. Auch die Hamas, wegen deren Machtübernahme die Blockade im Sommer 2007 verschärft wurde, ist um keinen Deut geschwächt worden. Im Gegenteil (...).

Alle Ziele, die mit der Blockade erreicht werden sollen, werden also offenkundig verfehlt. Wenn die Abriegelung trotzdem aufrechterhalten wird, kann das nur einen Grund haben: Sie ist zur reinen Strafaktion gegen die Bevölkerung verkommen. Das ist eine Schande für Israel - und ein Armutszeugnis für die Welt, die das zulässt. pm

*** Auszüge aus einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung, 22. März 2010, Seite 4




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